Hexenschuss ist ein Volksleiden: Rund 80 Prozent der Bevölkerung machen Bekanntschaft mit dem plötzlichen Schmerz im unteren Rücken. Ein Experte erklärt, welche Maßnahmen im Akutfall helfen, wann man besser einen Arzt aufsuchen sollte und wie sich ein Hexenschuss vorbeugen lässt.

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Eine falsche Bewegung - plötzlich schießt der Schmerz in den unteren Rücken: Ein Hexenschuss, den Mediziner auch Lumbago nennen, scheint aus heiterem Himmel zu kommen. So überraschend, dass Menschen früher keine andere Erklärung, als schwarze Magie dafür fanden. Und die oft gebückte Haltung der Gepeinigten tat ihr Übriges hinzu: Ihr Buckel erinnert an den einer Hexe. So kam der Hexenschuss wohl zu seinem Namen.

Wie kommt es zum Hexenschuss?

Heute weiß man, dass der akute Schmerz im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht das Werk von Hexerei ist. "Primäre Auslöser für einen Hexenschuss sind eine Fehlbelastung der Muskulatur, also jahrelange Disuse durch zu wenig Bewegung, falsche Bewegung und Haltung durch ergonomische Sünden im Alltag, sowie Distress, also eine psychische Fehl- und Überbelastung am Arbeitsplatz und in der Freizeit", sagt Professor Richard Crevenna, Leiter der Abteilung für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin an der Medizinischen Universität Wien.

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Woran erkennt man einen Hexenschuss?

Häufig treten die Beschwerden nach einer ganz alltäglichen Bewegung auf: Beim Aufstehen, Bücken oder Heben verkrampft sich die Muskulatur im Rücken - ein brennender, bohrender, ziehender oder stechender Schmerz schießt ein. Oft können sich die Betroffenen kaum mehr aufrichten. Auch Kälte und Zugluft können dazu beitragen, dass ein Hexenschuss auftritt.

In über 80 Prozent der Beschwerden handelt es sich um diesen unspezifischen oder nicht-spezifischen Rückenschmerz. Viel seltener steckt eine fassbare Ursache, wie etwa ein "eingeklemmter" Nerv hinter den Beschwerden. Anders als bei einem Bandscheibenvorfall, bei dem ein Teil des Gallertkerns der Bandscheibe austritt und auf das Rückenmark drückt, komme es bei Hexenschuss meist nicht zu ausstrahlenden Schmerzen oder Störungen in der Bewegung oder Gefühlswahrnehmung, erklärt der Experte.

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Wie häufig tritt ein Hexenschuss auf?

Treffen kann es jede und jeden: Rund 80 Prozent der Bevölkerung machen im Laufe ihres Lebens Bekanntschaft mit Lumbago - meist aufgrund einer jahrelangen körperlichen Inaktivität. "Durch ergonomische 'Sünden' im Homeoffice und die psychische Überbelastung während der Pandemie hat das Problem in den letzten Jahren noch zugenommen", sagt Crevenna.

Das belegen auch die Zahlen: 2021 belegten Rückenprobleme erstmals Platz 1 der Ursachen für eine Krankschreibung in Deutschland. Bei rund sieben Prozent der Hexenschuss-Patientinnen und Patienten bleiben die Schmerzen dauerhaft. Frauen sind davon stärker betroffen, als Männer. Wird der Rückenschmerz chronisch, hat das massive Auswirkungen auf die Lebensqualität.

Wie gefährlich ist ein Hexenschuss?

Doch so schmerzhaft ein Hexenschuss auch sein mag: Panik muss nicht gleich ausbrechen. Der akute Rückenschmerz müsse kein Vorbote eines drohenden Bandscheibenvorfalls sein und heile meist von alleine aus, sagt Crevenna. "Die Schmerzen sind nicht gefährlich und Bewegung macht es nicht schlimmer - im Gegenteil."

Sich zu schonen oder gar im Bett auszuharren, sei für die Heilung sogar kontraproduktiv. Durch zu langes Liegen kann es zu weiteren Verspannungen kommen, was die Beschwerden verschlimmern oder sogar chronisch werden lassen könne.

Leichte Bewegung hingegen kann helfen, die Muskeln zu entspannen und besser zu durchbluten. Das fördert den Heilungsprozess. "Bewegung kann gegen Rückenschmerzen wie ein Medikament eingesetzt werden", so Crevenna, der 2022 auch das Buch "Rückenschmerzen – vorbeugen und aktiv behandeln" (Manz Verlag) geschrieben hat.

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Auch Wärme, zum Beispiel durch Wärmepflaster, Wärmflaschen oder Heizkissen, kann helfen, die Muskulatur zu entspannen. Sind die Schmerzen sehr stark, können auch Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol zum Einsatz kommen.

Bessert sich der Schmerz nicht binnen weniger Tage, empfiehlt Crevenna, fachärztlichen Rat einzuholen, um andere Ursachen für den Schmerz auszuschließen. Je nachdem kann die Ärztin oder der Arzt eine Physiotherapie sowie die weitere Gabe von Schmerzmitteln und Medikamenten zur Muskelentspannung verordnen.

Wie lässt sich ein Hexenschuss vorbeugen?

Sind die Schmerzen weg, aber ändert sich nichts an den Ursachen für die Fehl- oder Überbelastung, besteht allerdings die Gefahr, dass der Hexenschuss wieder auftritt. Daher empfiehlt der Experte hinsichtlich Prävention: "Bewegung, Bewegung, Bewegung sowie ein gesundes Stressmanagement mit - heute würde man auch sagen - einer guten Work-Life-Balance."

Bei der Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten wie Rückenschmerzen, aber auch Diabetes und Bluthochdruck, könne die Bedeutung von Bewegung gar nicht genug betont werden. Denn durch körperliche Aktivität werde nicht nur die Muskulatur gestärkt, sondern auch Stress abgebaut.

Bett und Arbeitsplatz unter die Lupe nehmen

Neben regelmäßiger Aktivität in der Freizeit und gezieltem Training zur Stärkung der Bauch- und Rückenmuskulatur empfiehlt Crevenna, die Orte genau unter die Lupe zu nehmen, an denen wir uns am meisten aufhalten: den Arbeitsplatz und das Bett.

Eine gesunde Sitzhaltung an einem ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz sei für die Rückengesundheit unerlässlich. "Unser Rücken soll beim Sitzen am Computer nicht be-, sondern entlastet werden", sagt Crevenna. Er empfiehlt, sich zu ergonomischem Sitzen beraten zu lassen. Doch egal, wie gut man sitzt: Zwischendurch sollten regelmäßige Bewegungspausen eingebaut werden. "Stehen Sie immer mal wieder auf, strecken Sie sich, gehen Sie ein paar Schritte", rät der Experte.

Ähnlich lange wie am Arbeitsplatz – etwa ein Drittel unseres Lebens - verbringen wir schlafend in unserem Bett. Daher kann sich auch die Liegeposition auf die Rücken- und Wirbelsäulengesundheit auswirken. "Unser Schlaf erfüllt viele Funktionen, die für unser körperliches und geistiges Wohlbefinden wichtig sind", sagt Crevenna. Und schlechter Schlaf wirkt sich in doppelter Hinsicht negativ auf unseren Rücken aus: Dadurch neigen wir eher zu Verspannungen und sind weniger stressresistent.

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Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Richard Crevenna leitet die Abteilung für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Zudem ist er Autor mehrerer Bücher über Rückengesundheit. 2022 ist sein Buch "Rückenschmerzen - vorbeugen und aktiv behandeln" im Manz Verlang erschienen.

Verwendete Quellen

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