Der Klimawandel könnte bisher ungeahnte Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben: Mehr CO2 in der Atmosphäre führt zu weniger Eisen und Zink in vielen Ackerfrüchten. Und damit zu potenzieller Mangelernährung. Wie groß die Gefahr ist, haben US-Forscher hochgerechnet. Ein deutscher Experte bremst.

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Der Klimawandel könnte den bereits in vielen Ländern herrschenden Mangel an Mikronährstoffen wie Eisen und Zink noch deutlich verschärfen. zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung von US-Wissenschaftlern.

Der Hintergrund: Ein steigender Kohlendioxid-Gehalt in der Luft kurbelt zwar das Wachstum von Pflanzen an, die Qualität der in ihnen enthaltenen Nährstoffe nimmt aber häufig ab.

Eisen- und Zinkmangel können viel Leid verursachen

Der Eisen- und Zinkmangel werde viel Leid verursachen, schreiben die Wissenschaftler nach Modellrechnungen im Fachmagazin "PLOS Medicine".

Menschen, denen es an diesen Mikronährstoffen mangelt, stecken sich leichter mit Krankheiten an und sind anfälliger für Durchfall und Blutarmut.

Als Mikronährstoffe werden jene lebenswichtigen Stoffe bezeichnet, die der Mensch mit der Nahrung aufnehmen muss und die keine Energie liefern. Hauptsächlich sind das Vitamine und Mineralstoffe.

In früheren Experimenten wurde gezeigt, dass steigende CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre dazu führen, dass Getreidepflanzen weniger Eisen und Zink einlagern, zum Beispiel Reis und Weizen.

Warum das so ist, ist nicht ganz klar. Möglicherweise sinkt die Zahl der Proteine, die diese Mikronährstoffe enthalten. Die Wissenschaftler um Christopher Weyant von der Stanford University (Kalifornien; USA) berechneten nun für 137 Länder, was dieser Rückgang der Nährstoffkonzentrationen bis zum Jahr 2050 für die Bevölkerung bedeutet.

Menschen in Südostasien und Afrika besonders betroffen

Um konkrete Zahlen liefern zu können, drücken die Forscher die gesundheitlichen Folgen des Nährstoffmangels in sogenannten Dalys (disability-adjusted life years) aus. Dalys sind Lebensjahre, die Menschen entweder durch vorzeitigen Tod oder durch eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung verloren gehen.

Das Team um Weyant schätzt, dass der Menschheit bei konstanter CO-Konzentration in der Atmosphäre bis zum Jahr 2050 knapp 1,1 Milliarden Dalys aufgrund von Eisen- und Zinkmangel verloren gehen.

Berücksichtigen sie den Klimawandel und den dadurch bedingten Rückgang der Nährstoffkonzentration, kommen sie auf knapp 126 Millionen Dalys zusätzlich. Besonders davon betroffen seien Menschen in Südostasien und Afrika.

Für ihr Rechenmodell gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre von etwa 400 ppm im Jahr 2015 auf 550 ppm im Jahr 2050 steigt. B

ei diesem Szenario würden Pflanzen wie Weizen oder Reis den Forschern zufolge fünf bis zehn Prozent ihrer Zink- und Eisen-Konzentration einbüßen.

Einhaltung der Pariser Klimaziele würde Gefahr praktisch halbieren

Hält die Staatengemeinschaft jedoch die Pariser Klimaziele ein, würde die CO2-Konzentration lediglich auf 480 ppm steigen. Die Zahl Dalys, die auf sinkende Nährstoffkonzentrationen zurückzuführen ist, würde fast halbiert.

In einem Begleitartikel sprechen Kristie Ebi von der University of Washington in Seattle (USA) und Lewis Ziska vom US-Agrarministerium von einer "wichtigen Studie".

Allerdings müsse auch erforscht werden, wie sich steigende CO2-Konzentrationen auf andere Pflanzenstoffe wie Fettsäuren oder Vitamine auswirken. Dass der Proteingehalt abnimmt, wurde bereits nachgewiesen.

Deutscher Experte hält Aussagekraft der Studie für begrenzt

Doch wie aussagekräftig ist die neue Studie von Weyant und Kollegen tatsächlich? Ein deutscher Experte hält sie für begrenzt.

Remy Manderscheid, stellvertretender Leiter des Thünen-Instituts für Biodiversität in Braunschweig, findet zwar die Modellrechnungen der US-Forscher in Ordnung. Er bemängelt aber, dass andere Effekte des Klimawandels auf die Landwirtschaft nicht berücksichtigt wurden.

Man solle nicht nur auf die Nährwert-Konzentrationen schauen, sondern auch auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erträge, argumentiert Manderscheid. Deren Einfluss auf die Versorgung der Menschen mit Nährstoffen schätzt er wesentlich höher ein - auch wenn das eine gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln voraussetzt.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erntemengen seien je nach Weltregion sehr unterschiedlich, sagt Manderscheid. So würden sie in unseren Breiten aufgrund der höheren CO2-Konzentration beispielsweise um 15 Prozent steigen, denn CO2 sei ein wichtiger Wachstumsfaktor für Pflanzen.

Diesen Effekt dürften steigende Temperaturen und sinkende Niederschläge in Subsahara-Afrika oder Südostasien nicht nur zunichte machen - sondern sogar umkehren. (ank/dpa)

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