Die Zahl der Kaiserschnitt ist weltweit gestiegen. Viele der operativen Eingriffe seien überflüssig, warnen Experten. Doch wie viele Kaiserschnitte sind für ein Land normal? Darüber sind sich Fachleute uneins.

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Weltweit hat sich die Zahl der Kaiserschnitte innerhalb von 15 Jahren fast verdoppelt. 2015 wurden demnach mehr als ein Fünftel aller Kinder auf diese Weise geboren.

Diese Zahlen stellen Wissenschaftler zum Weltkongress der Internationalen Vereinigung für Gynäkologie und Geburtshilfe (FIGO) vor, der vom 14. bis zum 19. Oktober im brasilianischen Rio de Janeiro tagt.

Deutschland: Jede dritte Geburt per Kaiserschnitt

Dabei zeige sich ein geteiltes Bild, so die Experten: Während viele Frauen in einkommensschwächeren Ländern und Regionen die teils lebensrettende Operation nicht erhalten, wird sie in zahlreichen Ländern mittleren und höheren Einkommens zu oft angewandt.

Auch in Deutschland ist die Zahl der Kaiserschnitte der Auswertung zufolge seit 2000 stetig gestiegen. Sie lag 2015 bei gut 30 Prozent.

In einer dreiteiligen Artikelreihe im Fachmagazin "The Lancet" beschreiben internationale Wissenschaftler Ausmaß und Folgen von sowie mögliche Interventionen gegen diese Entwicklung, die sie als "Kaiserschnitt-Epidemie" bezeichnen.

"Schwangerschaft und Geburt sind normale Vorgänge, die in den meisten Fällen sicher ablaufen", betont die belgische Gynäkologin Marleen Temmerman, die an der Aga Khan Universität in Kenia und der Ghent Universität in Belgien forscht und die Artikelreihe verantwortet hat.

Streitthema unter Ärzten

Der hohe Anstieg medizinisch nicht notwendiger Kaiserschnitte vor allem in wohlhabenderen Ländern sei besorgniserregend wegen der Risiken, die mit dem Eingriff für Mutter und Kind verbunden seien. "In Fällen, in denen es Komplikationen gibt, retten Kaiserschnitte Leben und wir müssen ihre Zugänglichkeit in ärmeren Regionen verbessern, so dass sie universell zur Verfügung stehen, aber wir sollten sie nicht übermäßig nutzen", fasst Temmerman in einer zur Artikelreihe veröffentlichten Mitteilung zusammen.

Experten schätzen, dass bei etwa 10 bis 15 Prozent der Geburten ein Kaiserschnitt medizinisch angezeigt ist, weil die Gesundheit oder das Leben von Mutter oder Kind gefährdet sind.

Doch an dieser Zahl gibt es auch Kritik. "Diese Rate ist nicht zielführend", sagt etwa Wolfgang Henrich, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité in Berlin.

Die Ausgangssituation sei in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich und nicht vergleichbar. "In Deutschland und anderen westlichen Ländern gibt es in deutlich mehr Fällen gute Gründe für einen Kaiserschnitt."  © dpa

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