Das "Pur-Modell" für soziale Medien: Was bereits bei den Onlineangeboten von Verlagen weit verbreitet ist, wird nun auch von Meta angeboten. Wer Facebook und Instagram kostenlos nutzen will, kommt um die Werbung nicht herum. Um auf die Werbung verzichten zu können, bietet Meta ein kostenpflichtiges Abo an.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Rolf Schwartmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Menschen nutzen soziale Netzwerke, um miteinander zu kommunizieren. Das Geschäftsmodell dieser Angebote besteht aber nicht darin, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Es geht darum, auszuwerten und zu vermarkten, wer mit wem kommuniziert und wer sich wofür interessiert. Inzwischen bietet Meta die Social-Media-Dienste Facebook, Instagramwer im Abo an. Ist das noch fair?

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Meta finanziert sich über Werbung

Es ist kein Geheimnis, dass Facebook und die anderen Apps sich über Werbung finanzieren. So gut wie alles, was Menschen dort tun, wird gespeichert und verwertet. Die Inhalte von nicht öffentlichen Chats und Nachrichten sind tabu. Wer mit welchem Gerät, wann und wie lange mit wem kommuniziert, wird aber verarbeitet und zu Werbezwecken verwendet.

So bekommen die Anbieter viel über ihre Kunden heraus. Meta, das Mutterunternehmen von Facebook und Instagram und WhatsApp teilt die Daten innerhalb des Konzerns und kann so per Abgleich sehr genaue Nutzerprofile erstellen.

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Europäischer Gerichtshof klärt rechtliche Erlaubnis

Meta verdient daran, indem Werbung im Auftrag von Unternehmen ausgespielt wird, die auf die individuellen Interessen der Nutzer, also der potenziellen Kunden der Unternehmen, zugeschnitten ist. So viel Wissen über Menschen anzusammeln und zu vermarkten, verlangt eine rechtliche Erlaubnis.

Im Juli 2023 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Reihe von rechtlichen Möglichkeiten überprüft. Am Ende hat das Gericht entschieden, dass Meta eine Einwilligung der Nutzenden benötigt, um die Daten für die Nutzung seiner Dienste zu den genannten Zwecken zu verarbeiten. Erforderlich ist also eine bewusste und informierte Zustimmung in die Vermarktung der eigenen Daten zu Werbezwecken.

Kostenpflichtiges Angebot ist zulässig

Das Urteil hat Meta aber auch die Möglichkeit eingeräumt, seine Dienste kostenpflichtig anzubieten. Das ist dann erlaubt, wenn die Nutzenden die Wahl haben, entweder mit Geld oder mit ihren Daten für die Inanspruchnahme der Angebote zu zahlen. Die Idee ist einfach: Wer Facebook und Instagram kostenlos nutzen will, erlaubt Meta die Werbeansprache.

Wer keine Werbung möchte, der muss Geld dafür bezahlen, damit das Unternehmen auf die Vermarktung der Kundendaten und damit auf die Werbeeinnahmen verzichtet. Dass die Daten nicht zu anderen Zwecken vermarktet werden, ist damit allerdings nicht gesagt. Meta spricht nur davon, "Werbung nicht mehr anzuzeigen". Das heißt nicht, dass die dahinterliegende Datenverarbeitung (Targeting) bei zahlenden Nutzenden eingestellt wird.

"Freikaufen" per "Pur-Modell"

Diese Art von "Freikaufen" von Werbung nennt man "Pur-Modell". Man bekommt das Angebot, was bei den Meta-Diensten in der Möglichkeit zur Vernetzung steht, "pur" oder eben mit Werbung. Diese Art des Zahlens mit Daten kennt man von den Onlineangeboten von Verlagen. Sie müssen Inhalte erzeugen und Qualitätsjournalismus hat nun einmal einen Preis. Redaktionen und Verlagshäuser müssen finanziert werden.

Meta ist kein Inhalteanbieter

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Geschäftsmodell etwa von Verlagen, die journalistische Inhalte im Netz bereitstellen und Meta, das Kommunikationsplattformen bereitstellt. Verlage müssen ihre Beschäftigten für ihre Arbeit bezahlen und dafür Geld verlangen oder sich anderweitig, etwa durch Werbung, finanzieren. Wer die Dienste von Meta nutzt, um dort Inhalte zu verbreiten – also Influencer und Content Creator – sind mit Journalisten vergleichbar, denn sie produzieren Inhalte.

Die "konsumierenden" Nutzenden erzeugen wenig Inhalte, dafür aber zahlreiche Nutzerdaten. Sie bekommen dafür, dass sie den Dienst mit Inhalt füllen, aber kein Geld. Im Gegenteil: Sie liefern den Rohstoff für den Dienst und haben unabhängig davon die Wahl: Sie können sich für die Nutzung vermarkten lassen oder für die Nutzung der Dienste zahlen, die sie mit ihren Daten ja selbst in Gang halten.

Hohe Abo-Preise

Man zahlt bei App-Nutzung monatlich 12,99 Euro für das Facebook-Abo und für das Instagram-Abo weitere 8 Euro. Für die Nutzung im Browser sind 9,99 Euro für das Facebook-Abo und 6 Euro für das Instagram-Abo pro Monat fällig. "Bis zum 1. März 2024 zahlt man für eine beliebige Anzahl von Konten in derselben Kontenübersicht nur eine Pauschalgebühr von 9,99 Euro oder 12,99 Euro pro Monat.", nach dem 1. März 2024 gilt die oben beschriebene Kostenpflicht.

Die Idee erinnert an Tom Sawyer, der sich daran bereichert, dass andere ihm die Arbeit abnehmen, einen Zaun zu streichen. Hier ist es ähnlich: Man zahlt dafür, dass man Meta am Leben erhält. Das kostet viel. Der Preis ist der eines Zeitungs- oder Filmstreaming-Abos, allerdings, ohne dass der Anbieter Filme oder Texte finanzieren muss. Es reicht aus, den Austausch zu ermöglichen und die Hand aufzuhalten.

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Meta klebt seinen Nutzenden auf diese Weise auch ein Preisschild von knapp 21 Euro im Monat auf. Vielleicht ist das tatsächlich der Betrag, den Meta an einem Nutzenden monatlich verdient. Ob das so ist oder wie der Betrag sonst zustande kommt und ob er fair ist, damit wird sich hierzulande in Zukunft wohl das Bundeskartellamt beschäftigen.

Genial und frech

Zahlen fürs Posten: So gesehen ist das Facebook-Abo-Angebot so genial wie frech und es steht für eine verkehrte Welt. Es ist so, als würden Journalistinnen und Journalisten einen Verlag dafür bezahlen, dass er deren Inhalte vermarktet.

Wie wäre es, wenn Meta die Nutzenden umgekehrt dafür honorieren würde, dass sie das große Schwungrad der vermarktbaren Kommunikation für Meta drehen und das Geschäftsmodell erst möglich machen?

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Meta trägt auch hohe Kosten

Zugegeben: Dieser Gedanke mag logisch sein. Er stellt aber auch die Welt ein wenig auf den Kopf. Vielleicht wäre es ein Anfang, wenn Meta für die Nutzung der Plattform Abopreise aufrufen würde, die Nutzende auch tatsächlich zahlen können oder wollen. Es wäre lebensfremd zu denken, dass es nichts kostet einen weltweiten Kommunikationsraum zu schaffen und zu erhalten. Die Betreiber haben schließlich eine Menge Pflichten und sie tragen Verantwortung.

Sie müssen Personal beschäftigen, das nach dem Rechten sieht. Die Pflicht zur Löschung strafbarer oder unangemessener Inhalte und die Prüfung, welche Aussagen im Rahmen der Gesetze erlaubt sind und welche als verbotener Hass entfernt werden müssen, ist komplex. Zudem kostet es schon ein Vermögen, den Energiebedarf der Angebote zu finanzieren.

Bezuschussung von Klimaprojekten als möglicher Ausgleich

Aber ist das aktuelle Abo-Angebot fair und geht es nicht ein paar Nummern kleiner? Bei einem Preis, der über dem Rundfunkbeitrag liegt, dürfte Meta kaum plausibel machen können, dass sein Angebot ernst gemeint ist. Vielleicht sollte der Konzern ihn zunächst durch zehn teilen und die Hälfte der Einnahmen dann zur Förderung von Projekten zur Rettung des Klimas einsetzen, das durch die weltweite Nutzung sozialer Netzwerke massiv beeinträchtigt wird. Dann würde das Motto: "Sharing is caring", also "Teilen bedeutet kümmern" nicht zynisch, sondern fair klingen.

Verwendete Quellen

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