Die Entdeckung des erdähnlichen Planeten "Kepler-452b" beflügelt die Fantasie vieler Menschen. Er ist 60 Prozent größer als die Erde, braucht 385 Tage um seine Sonne zu umrunden und befindet sich in einer sogenannten "habitablen Zone", in der theoretisch flüssiges Wasser existieren könnte. Wir sprachen mit dem Astronomen und Buchautor Florian Freistetter über die Entdeckung der Nasa, Pläne zur Kolonisation fremder Planeten und die Mars-Mission.

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Herr Freistetter, Sie sagen, dass "Kepler-452b" keine zweite Erde ist. Warum?

Wir besitzen nur die technischen Mittel, um Größe, Gewicht und die Entfernung des Planeten zu seinem Stern zu bestimmen. Ob es dort Wasser gibt, wie hoch die Temperaturen sind und wie die Atmosphäre zusammengesetzt ist, wissen wir nicht. Das können wir erst in zehn bis 15 Jahren herausfinden, wenn die Teleskope fertig sind, die derzeit entwickelt werden. "Kepler-452b" ist zwar eine interessante Entdeckung, aber vermutlich weit davon entfernt, eine zweite Erde zu sein.

Der Planet ist 1.400 Lichtjahre entfernt. Wie lange würde eine Reise dorthin dauern?

Das Licht benötigt 1.400 Jahre, wir bewegen uns mit den bekannten Raumfahrzeugen deutlich langsamer. Es ist unmöglich, mit heutigen Technologien dorthin zu reisen. Es würde länger dauern als die Menschheit auf der Erde bisher existiert. Warum sollte man die Reise überhaupt auf sich nehmen, wenn dort vermutlich lebensfeindliche Bedingungen vorherrschen? Selbst ein Flug zum Mond, der gerade 300.000 Kilometer entfernt ist, stellt eine Herausforderung dar. Und der Mars ist schon fast außer Reichweite.

Ist es nicht vorstellbar, mit heute noch unbekannten Technologien solche Distanzen zu überwinden?

Wir können nicht schneller als das Licht reisen. Alles andere ist Science Fiction, etwa ein Warp-Antrieb wie bei Raumschiff Enterprise. Vorstellbar wäre es, aus Asteroiden riesige Habitate, vergleichbar mit Archen, zu bauen. Den Stern Alpha Centauri, der vier Lichtjahre entfernt liegt, könnte man auf diese Weise erreichen – in ca. 1.000 Jahren. Dann würden aber nicht die Abreisenden selbst, sondern erst spätere Generationen dort ankommen.

Sie sagen trotzdem, dass die Zukunft der Menschheit in den Sternen liegt. Warum?

Unser Planet ist derzeit noch lebensfreundlich, aber wie lange noch? Vulkanausbrüche, Klimaveränderungen, Meteoriteneinschläge: All das wird die Erde in ein paar hunderttausend Jahren verändern. Und das sind alles Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Menschheit intensiv mit dem Weltall auseinandersetzen muss.

Ist der Mars das realistischste Ziel für eine Besiedlung?

Es gibt derzeit 1.935 bestätigte erdähnliche Planeten, so genannte Expoplaneten, und an die 5.000 weitere Kandidaten, die untersucht werden müssen. Mond und Mars bieten aber aus Gründen der Erreichbarkeit die besten Möglichkeiten. Wir könnten längst zum Mars geflogen sein, wenn es gewollt wäre. Technisch ist es möglich.

Existieren konkrete Projekte der Nasa oder der europäischen Weltraumbehörde Esa in dieser Hinsicht?

Pläne und Ideen gibt es viele, aber nichts Konkretes. Die Nasa beschäftigt sich derzeit mehr mit Asteroiden und die Pläne der Esa für eine feste Raumstation auf dem Mond, ein "Moon Village", sind nur ein Gedankenspiel.

Wie bewerten Sie die private Initiative "Mars One" aus den Niederlanden, die bis 2027 Menschen zum Mars bringen und dort eine Siedlung errichten will?

Ich halte das für nicht realisierbar. Da gibt es keine Chancen auf Erfolg, auch wegen der Finanzierbarkeit, die ja durch TV-Übertragungen wie bei Big Brother gelingen soll. Ich bezweifle, ob das Projekt als seriös bezeichnet werden kann.

Was sind außer den Entfernungen weitere Probleme bei der Besiedlung des Weltraumes?

Da gibt es einige – schon während der Anreise. Völlig unklar ist, welche Auswirkungen die dauerhafte Schwerelosigkeit auf den menschlichen Organismus hat. Möglicherweise wird die Fortpflanzungsfähigkeit dadurch beeinträchtigt. Auch die psychischen Folgen der Entfernung von der Erde und der langen Isolierung müssen berücksichtigt werden. Zudem ist die kosmische Strahlung im Weltall sehr groß, auch auf dem Mars. Man könnte menschliche Siedlungen dort abschirmen, aber wie bringt man das ganze Material auf den Planeten? Die Beschaffung von Nahrung und Wasser ist eine weitere Frage, die gelöst werden muss.

Würden Sie gern im Weltall leben?

Ich wollte nie ins Weltall reisen, ich beschäftige mich als Astronom lieber mit dem theoretischen Wissen über das Weltall. Aber wenn solche Reisen etabliert und das Risiko beherrschbar wäre, sehr gerne.

Florian Freistetter (37) aus Krems an der Donau ist Astronom, Buchautor und Blogger. Er war an verschiedenen Universitätsinstituten tätig und veröffentlichte 2015 das Buch "Asteroid Now: Warum die Zukunft der Menschheit in den Sternen liegt".
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