Wer um Mitternacht in der Mitte des Screaming Tunnels steht und ein Streichholz entzündet, wird die Schreie eines Mädchens hören - und dann einen Windstoß fühlen, der die Flamme löscht. In dem kanadischen Tunnel spukt es.

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Die Schreie eines Mädchens und ein eisiger Wind in einem dunklen, engen Gang: Wer mitten in der Nacht den Screaming Tunnel aufsucht, ist selbst schuld - denn dort spukt es. Jedenfalls der Legende nach.

Ein unscheinbarer Abflusstunnel nordwestlich der Niagarafälle in Kanada. 4,9 Meter hoch und 38 Meter lang, erbaut Anfang des 19. Jahrhunderts. Moos und Algen überziehen den Kalkstein.

Über ihm die Schienen der ehemaligen Grand Trunk Railway, die noch heute die Niagarafälle mit Toronto und New York verbindet. Es ist der Ort, an dem vor mehr als 100 Jahren ein Mädchen qualvoll verbrannt sein soll.

Ihre Schreie sind dort noch heute zu hören, daher auch der Name: Screaming Tunnel. Wer gegen Mitternacht ein Streichholz an der Tunnelwand entzündet, beschwört ihren Geist.

Die Flamme soll den Geist so sehr verängstigen, dass er den Raum zwischen unserer Welt und der Welt der Toten mit Schreien erfüllt. Der Geist des Mädchens schickt zudem einen eiskalten Windstoß durch den Tunnel, der die Flamme des Streichholzes löscht.

Dreimal zu Tode verbrannt

Doch was ist mit dem Mädchen passiert? Dazu gibt es mehrere Geschichten, tragisch sind sie allesamt.

Einer Überlieferung zufolge floh das Kind aus einer brennenden Scheune in der Nähe. Es rannte zum Südeingang des Tunnels und wollte darin die brennende Kleidung im Wasser löschen. Aber als es das Gemäuer erreichte, war es schon zu spät: Die Kleine kollabierte und erlag ihren schweren Verbrennungen.

Nach einer anderen Legende zündete der eigene Vater das Mädchen an. Die Eltern befanden sich im Scheidungskrieg. Als der Vater erfuhr, dass er das Sorgerecht nicht bekommen würde, wurde er so wütend auf seine Frau, dass er sie zu Boden schlug.

Das Mädchen rettete sich in den Tunnel, wo der Vater es aufspürte. Dann übergoss er seine Tochter mit Brennflüssigkeit und zündete sie mit einem Streichholz an.

Die dritte Geschichte erzählt von einem Betrunkenen, der die Elfjährige attackierte und im Tunnel vergewaltigte. Seine Spuren und das Beweismaterial wollte er durch das Verbrennen ihres Körpers vernichten.

Die Wahrheit hinter den Schreien

Der Tunnel könnte seinen mysteriösen Namen aber auch wegen einer anderen Begebenheit erhalten haben, die nicht ganz so gruselig ist. Um den Tunnel herum soll einst eine isolierte Gemeinschaft gelebt haben. Eines der Paare aus dieser Kommune, so heißt es, stritt fast jeden Abend.

Die Frau soll so verstört gewesen sein, dass sie eines Nachts zur Mitte des Tunnels ging, um sich dort ihr Leid aus der Seele zu schreien. Alle im Dorf sollten ihre Qualen hören. Diese Rufe hört man angeblich noch heute.

Viele Besucher berichten tatsächlich von hoch klingenden Tönen aus dem Tunnel. Auch Streichhölzer gehen aus, wenn man sie darin anzündet. Beides hat aber wohl weniger mit spukenden Geistern oder Schreien aus der Vergangenheit zu tun, sondern schlicht mit der Tatsache, dass direkt über dem Tunnel ein Zug vorbeifährt, der die Geräusche verursacht. Der Wind dürfte durch den Durchzug in der Tunnelröhre entstehen.

Besucherattraktion und Filmkulisse

Der verwitterte, verfluchte Tunnel ist so schauerlich, dass er jedes Jahr viele Besucher und Touristen anlockt. Spezielle Geistertouren sorgen für einen extra Adrenalinschub.

Die düstere Röhre diente deshalb auch schon als Filmkulisse, etwa 1983 für David Cronenbergs Filmadaption von Stephen Kings Roman "Das Attentat" (original: "Dead Zone"). Der Streifen "Limestone Burning" entstand ebenfalls zum Teil dort, er greift das Mysterium der Schreie auf: Fünf Freunde versuchen dabei, das Rätsel zu lösen.

Ganz in der Nähe gibt es übrigens noch einen weiteren furchteinflößenden Tunnel: Im Blue Ghost Tunnel passierten im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ungewöhnlich viele schwere Unfälle.

Insgesamt starben in dem 217 Meter langen ehemaligen Eisenbahntunnel 107 Menschen – und einige von diesen spuken angeblich noch heute darin herum ...

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