Der Sturz von Bode Miller beim Super-G der Weltmeisterschaft in Vail/Beaver Creek wirft einmal mehr die Frage nach den Sicherheitskonzepten im alpinen Ski-Zirkus auf. Ansätze gibt es genügend und sogar eine Art "Wunderwaffe". Aber auch die Gier nach Geschwindigkeit bleibt.

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Bode Miller wäre nicht Bode Miller, hätte er nicht auch in den dunklen Stunden seiner Karriere eine positive Nachricht für den Rest der Welt. Auf Twitter postet er ein Foto, das ihn mit fixierter Schulter im Krankenbett zeigt. Er reckt den rechten Daumen in die Luft. Darunter zu lesen: "Ich fühle mich glücklich, es hätte schlimmer kommen können."

37 Jahre ist Bode Miller alt. Und hatte sich für seine Heim-WM vermutlich zum letzten Mal einiges vorgenommen. Fast ein Jahr hatte der Amerikaner keinen Wettkampf mehr bestritten. Die Schussfahrt beim Super-G der Herren sollte der Auftakt für eine fulminante Weltmeisterschaft werden.

Bode Millers Karriere steht vor dem Aus

Der Sturz bei rund 100 km/h könnte nun aber der letzte seiner Laufbahn gewesen sein. Die WM ist für Miller auf jeden Fall vorbei: Mit der Kante eines Skis hat er sich eine Sehne an der Wade komplett durchtrennt. Vermutlich besiegelt der spektakuläre Abflug auf der vereisten Piste von Beaver Creek nun auch das Karriereende des Amerikaners.

Selbst die nüchternen Agenturen bezeichneten das Rennen auf der riskanten Strecke "Birds of Prey", der Abfahrt der "Raubvögel", als eines der aufregendsten Rennen der Geschichte. Insgesamt 16 Fahrer stürzten zum Teil spektakulär, darunter auch erfahrene Haudegen wie der Kanadier Manuel Osborne-Paradis oder Kroatien-Star Ivica Kostelic.

Skirennen sind seit jeher lebensgefährlich

Einmal mehr häufen sich nun die Fragen nach der Sicherheit des Skirennsports, nach dem Sinn oder Unsinn von "immer weiter, immer höher, immer schneller". Dass der Weltcup-Zirkus besonders in den Speed-Disziplinen Abfahrt und Super-G einige mitunter lebensgefährliche Veranstaltungen im Portfolio hat, ist keine neue Erkenntnis.

Das Vertrauen in die Rennveranstalter ist längst nicht so, wie es sein sollte. Schwere Stürze mit schlimmen Verletzungen und sogar Todesfälle gehören allerdings seit jeher zum Skirennsport. Wie normal und verantwortungsvoll kann es sein, in sechs Sekunden von null auf 100 km/h zu beschleunigen und sich danach mit über 140 km/h Spitzengeschwindigkeit einen komplett vereisten Hang mit teilweise mehr als 80 Prozent Gefälle hinunterzustürzen?

Die Carving-Ski haben den Sport revolutioniert und noch rasanter gemacht. Den Fahrer umgibt bei deutlich gesteigerter Geschwindigkeit lediglich die dünne Schicht des Rennanzugs. Protektoren wie in der Formel 1 oder bei Motorradrennen nutzen die meisten allenfalls am Rücken. Das Reglement des Weltverbands lässt eine 4,5 Zentimeter dicke Isolierung zu. Eine schlechtere Aerodynamik kostet allerdings wertvolle Hundertstelsekunden - und am Ende vielleicht den Sieg.

Bei Sicherheit ist Luft nach oben

Möglichkeiten, die Sicherheit am Läufer selbst zu verbessern, gibt es genügend: Dünne, in den Anzug eingewebte Karbonschienen, widerstandsfähigere Helme, Top-Material an Ski und Skischuhen, "intelligente" Bindungen, die den Ski bei einem Sturz rechtzeitig vom Bein befreien. Allerdings ist gerade da noch gehörig Luft nach oben.

Am Rand der Pisten bremsen mehrere hintereinander aufgebaute Sicherheitszäune den Stürzenden stufenweise ab. Gut präparierte Pisten erlauben es auch dem 50. Fahrer, noch bei ähnlichen Verhältnissen ins Tal zu rauschen wie die Top 15. Und trotzdem ist es das Gelände, das immer wieder Anlass zur Kritik gibt. Hänge mit rasanten Beschleunigungsphasen und Sprüngen bis zu 70, 80 Meter auf knüppelhartem und mit Salz präpariertem Schnee. Ein Zurück wird es in der Hinsicht kaum noch geben. Nicht nur der Zuschauer am Hang und vor dem Fernseher hat sich längst verliebt in den Rausch aus Gefahr und Geschwindigkeit.

Bei Airbags gehen die Meinungen auseinander

Also muss ständig in die Sicherheit investiert werden. Große Erwartungen setzt die Branche in die Konzeption von Airbags. Die italienische Firma Dainese, die vornehmlich Ausrüstung für Motorradfahrer herstellt, investiert etwa in die Weiterentwicklung des Airbags "D-air Ski" für Skifahrer. Das Gerät funktioniert dank eines komplizierten Algorithmus', der erkennt, wann ein Fahrer einen Sturz nicht mehr vermeiden kann. Eine Zehntelsekunde später ist das Produkt aufgeblasen und schützt den Läufer quasi komplett. Erste Tests lieferten durchaus positive Ergebnisse.

Die Fahrer sind trotzdem skeptisch. Viele fühlen sich gestört, andere befürchten, der Airbag könne ohne Vorwarnung und zum falschen Zeitpunkt auslösen. Was dann?

Einer war von Anfang an überzeugt von der Innovation aus Luftkammern, Gaskartuschen und etwas Elektronik. "Das ist eine Revolution im Skisport", sagte Hannes Reichelt vor wenigen Wochen. Am Donnerstag zauberte der Österreicher seine ganz persönliche Revolution in den Schnee: Er gewann den spektakulären Super-G auf der "Birds of Prey". Mit 37 Jahren und 215 Tagen ist er damit der älteste Weltmeister der Ski-Geschichte.

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