Antibiotika, Schmerzmittel, Kombi-Präparate: Körperliche Leiden kann man heutzutage schnell in den Griff bekommen. Doch viele gehen zu sorglos mit Arzneimitteln um – mit teils gefährlichen Folgen.

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Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Grippe? Kein Problem. Schwupps, eine kleine Tablette eingeworfen und schon geht es einem wieder besser. So jedenfalls sieht man es in zahlreichen Fernsehwerbespots. Und so handhaben es offenbar viele Deutsche. Alltagsdoping wird diese Praxis auch genannt: Medikamente sollen helfen, die Leistung oder Motivation, beispielsweise am Arbeitsplatz, beizubehalten.

Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen und Co. sind solche beliebten Helferlein, von denen nahezu jeder eine Schachtel in der Schublade oder Handtasche hat. Doch ganz ungefährlich ist das nicht, weiß Sabine Cibwa vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): "Viele Patienten unterschätzen die Wirkung dieser Schmerzmittel, weil man sie ja frei in den Apotheken kaufen kann", erklärt sie. Eine Rezeptpflicht gibt es nicht.

Paracetamol kann die Leber schädigen

Dabei sind von den als harmlos empfundenen Schmerzmitteln teils gravierende Nebenwirkungen und Langzeitfolgen für die Gesundheit bekannt. So nahm die Stiftung Warentest im vergangenen Jahr über 600 klinische Studien zu sieben weit verbreiteten Wirkstoffen unter die Lupe – und rät zur Vorsicht.

Paracetamol beispielsweise schädigt schon ab geringer Überdosierung die Leber. Wer hier gar durch eine Lebererkrankung vorbelastet ist, geht mit dem Konsum ein hohes Risiko ein. Azetylsalizylsäure, besser bekannt unter dem Handelsnamen Aspirin, kann bei häufiger oder lang anhaltender Einnahme den Magen angreifen, sogar Geschwüre und Blutungen können entstehen. Außerdem verdünnt der Wirkstoff das Blut, die Einnahme vor Operationen kann also gefährlich sein.

Vorsicht auch bei Kombi-Präparaten

Auf Dauer auf den Magen schlägt auch Diclofenac. Neueste Studien gehen zudem von einer Gefahr für das Herz-Kreislaufsystem aus. Gleiches gilt für das ebenfalls weit verbreitete Schmerzmittel Ibuprofen. Ein weiteres Problem: Durch hohen Konsum von Schmerzmitteln können auch Kopfschmerzen entstehen. "Wenn man also über lange Zeit ein Medikament gegen Kopfschmerzen nimmt, kann dies selbst Kopfschmerzen auslösen und man befindet sich in einer Art Teufelskreis", erklärt die Apothekerin und Expertin der Barmer GEK, Nadja Dörr.

Auch viele erhältliche Kombi-Präparate (zum Beispiel Azetylsalizylsäure und Koffein) sind nach Ansicht der Tester weniger geeignet. "Kombi-Präparate sind aber sehr gefragt, vor allem bei Erkältung", weiß Dörr. "Viele wünschen sich eine Pille, die gegen alle Symptome hilft – so, wie es eben in der Fernsehwerbung versprochen wird." Dabei nimmt man aber oft Wirkstoffe zu sich, die man vielleicht gar nicht braucht.

Nicht die Medikamente, die Patienten sind oft das Problem

Bei der Liste an Nebenwirkungen ist es zunächst verwunderlich, weshalb die Medikamente überhaupt so leicht erhältlich sind. "Das liegt daran, dass die empfohlene Dosierung im Beipackzettel ja Sinn macht", erklärt Sabine Cibwa vom BfArM. Das Problem sind dann vielmehr die Patienten. "Sie nehmen die Mittel oft viel länger oder in höheren Dosen als vorgesehen."

Das bestätigt auch die Stiftung Warentest: Die meisten getesteten Medikamente seien in ihrer Wirksamkeit gut und daher auch zu empfehlen, problematisch sei vor allem die falsche Dosierung. "Generell gilt, dass man Schmerzmittel ohne Rücksprache mit dem Arzt maximal zehn Tage im Monat einnehmen sollte, allerdings nicht länger als drei Tage am Stück", rät Apothekerin Nadja Dörr.

25.000 Tote in Europa durch Antibiotika-Resistenz

Doch nicht nur der Umgang mit Schmerzmitteln macht Sorgen: Auch Antibiotika werden nach Ansicht von Experten zu häufig eingesetzt. "In vielen Fällen wird vermutlich nicht eindeutig abgeklärt, ob eine bakterielle Infektion vorhanden und eine Gabe von Antibiotika tatsächlich sinnvoll ist", sagt Apothekerin Nadja Dörr. Viele Patienten würden einen Arzt aufsuchen und dabei gezielt nach Antibiotika fragen. Und die Mediziner würden sie dadurch auch häufiger verschreiben.

Die Folgen sind verheerend: Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums verlieren Antibiotika zunehmend ihre Wirkung, weil die Erreger resistent werden. Allein in Europa würden jedes Jahr 25.000 Menschen sterben, weil die Antibiotika nicht mehr greifen. "Wenn Antibiotika nicht mehr wirken, drohen die Behandlungsmöglichkeiten in ein Vor-Penicillin-Zeitalter zurückzufallen", fürchtet Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Daher hat die Bundesregierung bereits 2008 eine Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie auf den Weg gebracht. Auch international wird an Lösungen für das Problem gearbeitet.

Alternativen zu den Pillen

Patienten sollten also vorab abklären lassen, ob Antibiotika in ihrem Fall tatsächlich sinnvoll sind. Auch bei Schmerzen gibt es Alternativen zu den Pillen: "Bei Kopfschmerzen könnte man beispielsweise alternativ auch zu Aromasticks mit ätherischen Ölen greifen", schlägt Apothekerin Nadja Dörr vor. Entspannungsübungen wären eine weitere Alternative. Rückenschmerzen sowie andere Erkrankungen des Bewegungsapparates können durch Bewegung gelindert werden, zum Beispiel mit Krankengymnastik oder gezielten Übungen im Fitness-Studio.

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