Vulkane sind furchteinflößend und faszinierend zugleich. Diese Faszination hat den Vulkanologen Christian Kühn schon in früher Jugend gepackt - und bis heute nicht losgelassen. In Kanada erforscht er momentan den sogenannten Anahim-Vulkangürtel. Dabei handelt es sich um erloschene Vulkane, von denen man noch nicht genau weiß, warum sie existieren. Wir haben uns mit dem Experten über feuerspeiende Berge auf der ganzen Welt unterhalten: Über die Gefahr, die von ihnen ausgeht, über die Anzeichen eines Ausbruchs, über unsere Gefährdung in Deutschland und vieles mehr.

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In den letzten Wochen gab es immer wieder Meldungen über erhöhte Aktivität am Stromboli und vor allem am Ätna. Wie gefährdet sind die Menschen, die dort wohnen?

Diese beiden Vulkane gehören zu den aktivsten und besterforschten der Welt. Dadurch, dass die Menschen seit so langer Zeit dort leben, wissen sie, wie sie mit den Vulkanen umgehen müssen. Meiner Kenntnis nach ist am Ätna außer unvorsichtigen Touristen in den letzten Jahrzehnten niemand bei Ausbrüchen ums Leben gekommen. Für den Stromboli gilt das auch, bis auf eine Ausnahme: Beim größten Ausbruch des 20. Jahrhunderts im Jahr 1930 starben drei Bewohner der Insel.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es in näherer Zukunft doch einmal zu einer Katastrophe an einem der beiden Vulkane kommt?

Stromboli ist schon seit über 2.000 Jahren eigentlich immer mit dem gleichen Muster von kleinen Ausbrüchen aktiv. So kann sich kein wirklich großer Druck in diesem Vulkan aufbauen. Dass einmal unvorhergesehen eine größere Eruption stattfindet - zuletzt 2002 und 2007 geschehen - kann man aber nicht ausschließen. Ätna und Stromboli sind jedoch so gut erforscht und stehen auch unter so guter Beobachtung, dass größere Ereignisse von den Wissenschaftlern relativ sicher vorhergesagt werden können und dann auch - falls nötig - Evakuierungen stattfinden würden.

Woran erkennen Vulkanologen, dass ein Vulkan bald ausbrechen könnte?

Es gibt verschiedene Methoden, die man verwenden kann. Eine der gängigsten ist, die Erdbebenaktivität an den Vulkanen zu verfolgen. Wenn diese auf einmal zunimmt oder sich das Muster dieser Erdbeben ändert, kann man sagen: Es könnte ein Ausbruch bevorstehen. Für viele Vulkane weltweit, besonders in dicht besiedelten Gebieten wie zum Beispiel Italien - nicht nur am Ätna, sondern vor allem auch am Vesuv - existieren detaillierte Pläne, wie im Fall einer drohenden Eruption damit umgegangen wird.

Wie sehen diese Pläne aus?

Die Evakuierungspläne beschreiben genau, wer wann wohin evakuiert wird. Man versucht auch, das möglichst zeitnah durchzuführen, damit es keinen falschen Alarm gibt und die Menschen nicht vorschnell meinen: Es passiert ja nichts, wir können wieder zurück. Das ist auch immer eine Gefahr. Denn einen Vulkanausbruch auf den Tag oder die Stunde genau vorherzusagen, funktioniert nur in den allerseltensten Fällen.

Wie genau sind diese Vorhersagen denn normalerweise?

Wenn man weiß, wie sich der Vulkan in der Vergangenheit verhalten hat, kann man versuchen, darauf basierend eine Vorhersage zu treffen. Man kann den Zeitpunkt für eine Eruption damit auf Wochen oder im besten Fall auch auf Tage eingrenzen.

Gab es in der letzten Zeit Befürchtungen, dass der Vesuv ausbricht?

Nein. Der Vesuv hatte seinen letzten Ausbruch 1944 und seitdem ist er ruhig geblieben. Es wird natürlich erwartet, dass er in Zukunft wieder aktiv werden wird, weil das einfach zum Vesuv passt. Er hatte immer Perioden von Inaktivität und dann wieder neue Ausbrüche. Im Moment ist der Vesuv einfach nur ein schöner Berg an der Bucht von Neapel.

Wenn ein Vulkan schon länger nicht mehr ausgebrochen ist, ist dann die Gefahr groß, dass der nächste Ausbruch besonders heftig wird?

Das hängt von dem spezifischen Vulkan ab. Allgemein kann man nicht sagen: Je länger die Ruhephase dauert, desto größer wird der Ausbruch sein. Für manche Vulkane mag das durchaus stimmen. Aber jeder Vulkan und jeder Ausbruch für sich haben eigene Charakteristika.

Gab es schon einmal Vulkane, von denen man dachte sie seien erloschen, die dann aber mit einem Riesenknall ausgebrochen sind?

Durchaus. In letzerer Zeit nicht, aber zum Beispiel der Krakatau 1883, der auch die erste global wahrgenommene Naturkatastrophe war. Als der im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft geflogen ist, hatte das keiner geahnt. Aber damals war auch die Wissenschaft nicht so weit fortgeschritten.

Stromboli, Ätna und Vesuv sind ja nur drei von vielen Vulkanen auf der Erde. Wie viele gibt es eigentlich?

Im Schnitt gibt es etwa 500 aktive Vulkane auf der Welt, von denen im Schnitt um die 50 pro Jahr ausbrechen.

Viele Vulkane ähneln sich für den Laien, doch jeder hat in Wirklichkeit sein ganz eigenes Gesicht. Es gibt ja auch verschiedene Arten von Vulkanen. Können Sie diese unseren Lesern kurz erklären?

Es gibt sogenannte Schichtvulkane - ein Paradebeispiel ist der Fujiyama in Japan - bei denen man abwechselnde Lagen von Lava und Asche hat. Diese Art Vulkan bildet dieses stereotype Bild aus, das man von einem Vulkan hat: einen symmetrischen Kegel. Schichtvulkane sind meist auch recht explosiv. Die andere große Vulkanform ist der sogenannte Schildvulkan, den man zum Beispiel von Island oder ganz besonders auch von Hawaii kennt. Er hat meistens dünnflüssige Lava, die zwar spektakulär in Lavafontänen ausbricht, aber dann ruhige Lavaströme die Flanken hinunterschickt.

Welche Vulkane gelten als besonders gefährlich, also als die nächsten Kandidaten für einen größeren Ausbruch?

Es gibt von der Uno ein sogenanntes Dekadenprogramm, in dem sechzehn Vulkane aufgelistet sind, die unter besonderer Beobachtung stehen. Das sind Vulkane vor allem um den Pazifik herum, am sogenannten Feuerkreis. Der Ätna und der Vesuv gehören aber auch dazu.

Kann man denn schon vorhersagen, wann es zum nächsten größeren Ausbruch kommen könnte?

Nein. Der Vesuv hat zwar zum Beispiel eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, nächstes Jahr auszubrechen. Aber das sind Wahrscheinlichkeiten, die man nicht in tatsächliche Aktivität umsetzen könnte.

Wenn man die deutschen Vulkane anschaut, zum Beispiel den Kaiserstuhl oder die Rhön: Wie wahrscheinlich ist es, dass sie in den nächsten 50 Jahren doch einmal ausbrechen, obwohl man denkt, sie seien erloschen?

So interessant es wäre, wenn er ausbrechen würde: Der Kaiserstuhl ist seit über 15 Millionen Jahren erloschen, da wird nie wieder etwas passieren. Die Weinbauern können dort unbesorgt für die nächsten 100.000 Jahre ihre Weine anbauen. Die Rhön ganz genauso. Das sind beides keine aktiven Vulkangebiete mehr. Die Eifel ist das aktivste Gebiet, das wir hier in Deutschland haben. Aber selbst dort deutet nichts darauf hin, dass unmittelbar oder auch mittelbar Ausbrüche drohen.

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