Erstmals ist über der Arktis ein Ozonloch entstanden - das ist ungewöhnlich. In der Antarktis bildet sich jedes Jahr eine riesige Lücke in der Schutzschicht, in der nördlichen Hemisphäre aber nicht. Aber was ist die Ursache, welche Konsequenzen hat das, und wie geht es der Ozonschicht insgesamt?

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Die Ozonschicht bildet einen natürlichen Schutzschirm über der Erde: Sie breitet sich als Teil der Stratosphäre in einer Höhe von 15 bis 50 Kilometern aus. Dort absorbiert sie einen großen Teil der ultravioletten Strahlen (UV-Strahlen) der Sonne. Ozon ist ein Spurengas, das entsteht, wenn UV-Strahlen auf Sauerstoff treffen. Die Moleküle teilen und verbinden sich wieder. Während Sauerstoff aus zwei Atomen besteht, sind es bei Ozon drei.

Aber die Schutzschicht kann unter bestimmten Bedingungen durchlässig werden, es kann sogar ein Loch entstehen. Ist sie so dünn, dass sie den Normalwert um etwa ein Drittel unterschreitet, spricht man von einem Ozonloch, heißt es beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Ozondichte liegt dann unterhalb von 220 sogenannten Dobson-Einheiten.

Erstes "Ozonloch in voller Ausprägung" in der Arktis

Ein solches "Ozonloch in voller Ausprägung" ist jetzt erstmals über der Arktis entstanden, so das DLR. Es hat eine maximale Ausdehnung von etwa einer Million Quadratkilometern. Das ist ungewöhnlich: Die Schutzschicht dünnt sich über der nördlichen Hemisphäre zwar alle paar Jahre aus, zuletzt 2011 - aber nie so viel wie jetzt.

Im antarktischen Winter auf der Südhalbkugel entwickelt sich ein Ozonloch dagegen jedes Jahr, und es ist mit um die 20 Millionen Quadratkilometer viel größer. Der Grund: In der Südhemisphäre über der Antarktis sind die Temperaturen im Winter deutlich niedriger als in der Arktis, wie Dr. Jens-Uwe Grooß vom Institut für Energie- und Klimaforschung im Forschungszentrum Jülich erläutert.

Extreme Kälte ist einer der Faktoren, der zur Entstehung des Ozonlochs beiträgt.

Außergewöhnliche Wetterbedingungen

Dieses Jahr waren die Wetterbedingungen in der Arktis aber anders. Laut DLR herrschten dort zwei Monate lang "außergewöhnlich lang anhaltende und starke Polarwinde" vor. Die Luft kühlte sich in 20 Kilometer Höhe auf minus 80 Grad Celsius ab. "Es gab mehr kalte Luft über der Arktis als in jedem anderen Winter seit 1979", sagt Professor Markus Rex, Leiter der Abteilung Atmosphärenphysik am Alfred-Wegener-Institut in Potsdam.

Die Ursachen für die Ausdünnung der Ozonschicht sind in beiden Regionen gleich. Es spielen drei Faktoren zusammen:

  • ein stabiler Polarwirbel
  • extrem niedrige Temperaturen von mindestens minus 78 Grad
  • Chlor-Verbindungen in der Atmosphäre

Die die Pole umkreisenden Polarwirbel verhindern das Eindringen wärmerer Luftmassen. Bei den extrem niedrigen Temperaturen bilden sich sogenannte Perlmuttwolken aus Eiskristallen. Auf ihren Oberflächen sammeln sich chlorhaltige Substanzen. Scheint die Frühlingssonne darauf, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt - die Substanzen greifen dann die Ozonschicht an.

FCKW wirken noch Jahrzehnte in der Atmosphäre

Die Chlor-Verbindungen hat "die Menschheit durch die FCKW in die Atmosphäre eingebracht", sagt Grooß. Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) sind Substanzen, die vor allem als Treibgase oder Kältemittel dienen.

In den 1970er und 1980er-Jahren entdeckten Wissenschaftler, dass die Freisetzung von FCKW in die Atmosphäre die Ozonschicht erheblich beschädigte. 1982 wurde erstmals ein Ozonloch beobachtet. 1987 vereinbarten deshalb die Industriestaaten im wegweisenden "Montrealer Protokoll", die Produktion ozonzerstörender Gase schrittweise einzustellen.

Seitdem sinkt die Konzentration der schädlichen Substanzen deutlich. Aber es sind immer noch erhöhte FCKW-Gehalte in der Atmosphäre vorhanden, denn sie haben eine lange Lebenszeit von mehreren Jahrzehnten.

Das DLR erklärt: Unter bestimmten meteorologischen Bedingungen können deshalb weiterhin Ozonlöcher entstehen, so wie jetzt in der Arktis. Auch der Klimawandel trägt dazu bei, wie es beim Forschungszentrum Jülich heißt: Anders als am Boden führt er in der Stratosphäre zu niedrigeren Temperaturen, wodurch es zu erhöhtem Ozonabbau kommen kann.

Ozonlöcher bilden sich jedes Jahr zurück

Ein Ozonloch bleibt nicht dauerhaft bestehen. Das Loch in der Antarktis "bildet sich jedes Jahr neu und verschwindet wieder, sobald der Polarwirbel zusammenbricht", erklärt Grooß. In der Arktis beginnt der Auflösungsprozess gerade. "Im Verlauf des Frühjahrs wird sich der Polarwirbel auflösen und durch die Vermischung der Luft verschwindet das Ozonloch dann", sagt Rex.

Bis Mitte des Jahrhunderts wird sich die Ozonschicht weltweit erholen, sagen die DLR-Wissenschaftler voraus. Das Ozonloch über der Antarktis schrumpft offenbar langsam: 2019 war es so klein wie seit seiner Entdeckung nicht mehr, meldete die Nasa.

Voraussetzung für die Abnahme ist aber, dass die strengen Schutzmaßnahmen weiter eingehalten werden. In den letzten Jahren zeigten Messungen einen zunehmenden illegalen Ausstoß Ozon-schädigender Chemikalien vor allem in China.

Wie gefährlich das neue Ozonloch für Menschen ist

Ein Ozonloch ist für Menschen gefährlich: Dann dringen mehr schädliche UV-Strahlen auf die Erde. Sie erhöhen das Risiko für Sonnenbrand und Hautkrebs deutlich, aber auch für Augenerkrankungen.

Wenn sich das arktische Ozonloch auflöst, driften Überbleibsel über nördliche Gebiete Asiens, erklärt Professor Rex. Europa werde in der nächsten Woche nicht betroffen sein. Wenn sich die Luft vermischt, werde die Ozonschicht über nördlichen Breiten aber insgesamt leicht ausgedünnt sein. Das könne "bis in den Sommer hinein phasenweise zu einer leicht erhöhten UV-Strahlung auch bei uns führen".

Der Experte rät deshalb: "Wie immer sollte auf ausreichend UV-Schutz geachtet werden. In diesem Frühsommer und Sommer wird dies noch etwas wichtiger sein." Allerdings seien "dramatisch erhöhte UV-Strahlungswerte" hierzulande nicht zu erwarten.

Wer sichergehen will, prüft die Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes - er warnt vor Phasen erhöhter UV-Belastung.


Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Jens-Uwe Grooß, Forschungszentrum Jülich
  • Gespräch mit Markus Rex, Alfred-Wegener-Institut Potsdam
  • Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt: Ozonloch in der Arktis
  • Forschungszentrum Jülich: Erneut deutliche Ozonverluste in der Arktis
  • Spektrum: Seltenes Ozonloch öffnet sich über der Arktis - und es ist groß
Dr. Jens-Uwe Grooß ist Diplom-Physiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energie- und Klimaforschung, Bereich Stratosphäre, im Forschungszentrum Jülich.
Professor Markus Rex ist Diplom-Physiker sowie Polar- und Klimaforscher. Er sich mit den Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und der Ozonschicht in Polargebieten. Rex ist Professor an der Universität Potsdam und leitet die Abteilung Atmosphärenphysik am Alfred-Wegener-Institut (AWI).
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