• Gewaltige Vulkanausbrüche beeinflussen seit jeher die Geschicke der Menschheit.
  • Nun warnen Forscher, dass bereits kleinere Eruptionen zu einer weltweiten Katastrophe führen können.

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Je größer der Vulkanausbruch, desto schlimmer die möglichen Folgen - diese einfache Gleichung gilt bei weitem nicht immer. Das geben Forschende im Fachjournal "Nature Communications" zu bedenken. Dass auch kleinere Ausbrüche in bestimmten Regionen über Dominoeffekte katastrophale Auswirkungen für die Weltbevölkerung haben könnten, werde in Szenarienmodellen bisher oft unterschätzt.

Das Team um Lara Mani vom Centre for the Study of Existential Risk (CSER) der University of Cambridge hat sieben Gebiete ausgemacht, in denen Gruppen relativ kleiner aktiver Vulkane neben wichtiger Infrastruktur liegen. Deren Lahmlegung bei einem Ausbruch könnte schlimme globale Konsequenzen haben - zusätzlich zu den möglichen Todesfällen und den direkten Folgen für die Menschen vor Ort. Dazu zählen Vulkangruppen in Taiwan, Nordafrika, dem Nordatlantik und dem Nordwesten der USA, aber auch am Mittelmeer.

Nahrungsmittelengpässe und politische Unruhen könnten Folgen sein

"Selbst ein kleinerer Ausbruch in einem der von uns identifizierten Gebiete könnte so viel Asche ausstoßen oder so starke Erschütterungen auslösen, dass für die globalen Versorgungsketten und Finanzsysteme zentrale Netzwerke gestört werden", erklärte Mani. "Derzeit sind die Berechnungen zu sehr auf gigantische Ausbrüche oder Alptraumszenarien ausgerichtet, während die wahrscheinlicheren Risiken von moderaten Ereignissen ausgehen, die wichtige internationale Kommunikations- und Handelsnetze oder Verkehrsknotenpunkte lahm legen." Das gelte nicht nur für Vulkanausbrüche, sondern etwa auch für Erdbeben und Wetterextreme.

Eruptionen der Stärke 6 nach dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) - die wesentlich häufiger als solche der Stärke 7 oder 8 vorkommen - könnten neben Aschewolken zum Beispiel Erdrutsche hervorrufen, die Unterseekabel zerstören - mit potenziellen Folgen für die Finanzmärkte. Vernichtete Ernteerträge wiederum könnten zu Nahrungsmittelengpässen und in der Folge zu politischen Unruhen führen.

Weltweite Technologiebranche könnte zum Stillstand kommen

Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull der Stärke 4 im Jahr 2010 etwa habe zur Sperrung des europäischen Luftraums geführt - was die Weltwirtschaft fünf Milliarden US-Dollar gekostet habe. Der Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen mit Stärke 6 im Jahr 1991 - ein etwa 100 Mal heftigeres Ereignis als das in Island - hingegen habe wegen der großen Entfernung zu wichtiger Infrastruktur gerade mal ein Fünftel dieses Schadens verursacht.

Die Experten prüften, wo auf der Welt schon relativ kleine Eruptionen großes globales Chaos anrichten könnten. Ihrer Einschätzung nach gilt das etwa für die Vulkangruppe an der Nordspitze Taiwans, wo sich einer der größten Hersteller elektronischer Chips weltweit befindet. Wenn dieses Gebiet - zusammen mit dem Hafen von Taipeh - auf unbestimmte Zeit lahmgelegt würde, könne die weltweite Technologiebranche zum Stillstand kommen.

Sperrung des Suezkanals hätte erhebliche Auswirkungen auf Welthandel

Im Mittelmeer könnten Ausbrüche des Vesuv oder im Santorin-Archipel Tsunamis verursachen, die unter Wasser liegende Kabelnetze zerstören und den Suezkanal versperren. "Wir haben gesehen, was eine sechstägige Schließung des Suezkanals Anfang dieses Jahres angerichtet hat, als ein einziges festgefahrenes Containerschiff den Welthandel bis zu zehn Milliarden Dollar pro Woche kostete", so Mani.

Bei einem Ausbruch im US-Bundesstaat Washington könnten Schlammströme und Aschewolken Seattle bedecken sowie Flug- und Seehäfen lahmlegen, erläutern die Forschenden. Szenarienmodelle für einen Ausbruch des Schichtvulkans Mount Rainier im Mount-Rainier-Nationalpark etwa 90 Kilometer südöstlich von Seattle mit Stärke 6 sagten mögliche wirtschaftliche Verluste von mehr als sieben Billionen US-Dollar in den fünf Folgejahren voraus.

Kleine Eruption mit riesigen Auswirkungen

Hochaktive vulkanische Zentren gebe es entlang des indonesischen Archipels von Sumatra bis Zentraljava und damit entlang der Straße von Malakka, einer der meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. Jährlich flössen rund 40 Prozent des Welthandels dort hindurch. Eine weitere wichtige Schifffahrtsroute und zentraler Punkt wichtiger Unterwasserkabel zwischen China, Hongkong, Taiwan, Japan und Südkorea sei die Straße von Luzon im Südchinesischen Meer, die vom Luzon-Vulkanbogen umschlossen werde.

Es sei höchste Zeit, die Sichtweise auf vulkanische Risiken zu ändern, sagt Mani. "Wir müssen uns davon verabschieden, an kolossale, die Welt zerstörende Eruptionen zu denken, wie sie in Hollywoodfilmen dargestellt werden." Wahrscheinlicher seien Szenarien, in denen Eruptionen geringerer Stärke wichtige Infrastruktur und Verkehrswege betreffen und so kaskadenartig zur globalen Katastrophe führen.

Zeitweise globale Abkühlung im Jahr 1815

Ein Beispiel für eine Eruption der Stärke 7 nach Vulkanexplosivitätsindex war der Ausbruch des Tambora im Jahr 1815. Damals sorgte die Freisetzung von gewaltigen Mengen Schwefel in die Stratosphäre zu zeitweiser globaler Abkühlung, weit verbreitete Fröste in der nördlichen Hemisphäre und Ernteausfälle in ganz Europa waren die Folge.

Seither seien viele global bedeutsame Systeme und Infrastruktur wie Schiffspassagen, Unterseekabel und Lufttransportrouten in der Nähe aktiver vulkanischer Regionen geschaffen worden. Vielfach könnten sie Vulkanausbrüchen mittleren Ausmaßes - VEI 3 bis 6 - ausgesetzt sein.

Solche im Zuge der Globalisierung entstandenen Schwachstellen sollten in Risikoanalysen verstärkt berücksichtigt werden, sind die Forschenden überzeugt. Mit Experten etwa aus Geophysik, Bauwesen und Wirtschaftswissenschaften ließen sich vorbeugende Maßnahmen zum Schutz global bedeutsamer Systeme in die Wege leiten. (ff/dpa)

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