Sind sich Tiere ihrer selbst bewusst? Eine fast schon philosophische Frage, der zumindest bis zu einem gewissen Grad in der Wissenschaft mit dem sogenannten Spiegel-Test nachgegangen wird. Es geht darum, ob sich ein Tier selbst im Spiegel wahrnimmt. Und auch, wenn viele Tierbesitzerinnen und -besitzer jetzt vielleicht das Gegenteil behaupten wollen – Hunde und Katzen können das tatsächlich nicht. Über Tiere, die sich selbst erkennen.
Was steckt hinter dem Spiegel-Test?
Der Anfang der 1970er Jahre entwickelte Spiegel- oder Mark-Test soll Aufschluss geben über die Selbstwahrnehmung eines Testsubjekts. Dafür wird ihm eine Markierung an einer Stelle des Körpers angebracht, die es nur im Spiegel sehen kann, und dann das Verhalten beobachtet: Erkundet das Testsubjekt die markierte Stelle am Körper vor dem Spiegel oder versucht es, sie abzureiben, gilt das als Beleg dafür, dass es sein Spiegelbild als sich selbst erkennt.
Kinder bestehen diesen Test ab einem Alter von 24 Monaten.
Welche Tiere haben den Mark-Test bisher bestanden?
Diese Tiere erkennen sich selbst im Spiegel:
- Delfine
- Schimpansen
- Orang-Utans
- Asiatische Elefanten
- Elstern
- Putzerlippfische
Ein weiteres Tier ist möglicherweise auch bald auf dieser Liste
Forschende der Universitäten Bonn und Bochum haben den Spiegel-Test mit Hähnen durchgeführt. In der klassischen Variante bestanden die Hähne den Test tatsächlich nicht, so dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Versuchsanordnung veränderten.
Studie: Spiegel-Test an artspezifisches Verhalten angepasst
"Unser Ziel war es, den Spiegel-Test in einer Umgebung durchzuführen, die dem ökologisch relevanten Verhalten der Hühner besser angepasst ist", erläutert Inga Tiemann von der Universität Bonn.
"Manche Hühner, aber insbesondere Hähne, warnen ihre Artgenossen durch spezielle Rufe, wenn ein Beutegreifer – etwa ein Greifvogel oder Fuchs – auftaucht."
Mitautor Onur Güntürkün, Professor für Biopsychologie an der Universität Bochum, kam auf die Idee, sich für das Experiment ein natürliches Verhalten des Federviehs zunutze zu machen: "Manche Hühner, aber insbesondere Hähne, warnen ihre Artgenossen durch spezielle Rufe, wenn ein Beutegreifer – etwa ein Greifvogel oder Fuchs – auftaucht." Ganz anders, wenn die Tiere allein sind: Dann bleiben sie stumm, um nicht die Aufmerksamkeit des Raubtiers auf sich zu ziehen.
Greifvogel an die Decke projiziert – so reagierten die Hähne im Test
Dieses Wissen nutzten die Forschenden für ihren Test: Sie bauten eine Testarena auf, in der sich Hähne entweder allein oder getrennt durch ein Gitter mit einem Artgenossen befanden, und projizierten einen Greifvogel an die Decke.
Das Ergebnis: In Anwesenheit eines Artgenossen stießen die Hähne 77 Alarmrufe aus, allein allerdings nur 17. Das Ergebnis zeige also, dass die meisten Hähne tatsächlich in Anwesenheit eines Artgenossen warnen, wenn ein Fressfeind unterwegs ist.
Erkennen sich die Hähne im Spiegelbild?
Im nächsten Schritt ersetzten die Forschenden das Gitter durch einen Spiegel und wiederholten den Versuch erneut mit jedem Tier dreimal. In dieser Anordnung ertönten bei 174 Versuchen nur 25 Warnrufe. "Das beweist, dass die Hähne in ihrem Spiegelbild keinen Artgenossen identifizierten", erklärt Biologin Hillemacher. Das Ergebnis sei ein Indiz dafür, dass die Hähne sich möglicherweise selbst in ihrem Spiegelbild erkannten.
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Ebenso könnte es aber einen anderen Grund dafür geben, dass der Warnruf ausblieb. So könnten die Hähne in ihrem Abbild ein merkwürdiges Tier gesehen haben, "das sich nicht normal verhält und alle Bewegungen nachahmt und somit eine gedämpfte Reaktion hervorruft", heißt es dazu in der Studie. Hier seien weitere Untersuchungen erforderlich, merkt Inga Tiemann an.
Noch dazu erfordere die Präsentation eines Raubtiers, das in der Natur schnell identifiziert werden müsse, eine rapide Informationsverarbeitung im Gehirn.
Welche Schlussfolgerungen die Forschenden aus der Untersuchung ziehen
Unabhängig davon sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihren Resultaten eindeutige Hinweise darauf, dass der klassische Spiegel-Markierungs-Test zuverlässigere Ergebnisse bringt, wenn das Verhalten der jeweiligen Tierart starker berücksichtigt wird – ein Ansatz, der auch für andere Spezies von Bedeutung sein könnte.
"Unsere Ergebnisse sprechen auch gegen eine einfache Unterteilung in das Vorhandensein oder Fehlen von Selbsterkenntnis und machen es wahrscheinlich, dass diese Fähigkeit nicht so exklusiv ist, wie ein halbes Jahrhundert angenommen wurde."
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hühner deutlich zwischen ihrem eigenen Spiegelbild und der Betrachtung von anderen unterscheiden", schließt die Studie. Der klassische Spiegel-Markierungs-Test habe diesen wichtigen Unterschied nicht aufdecken können, zudem machten die Daten eindrucksvoll deutlich, wie sehr Kognition ökologisch eingebettet sei. "Unsere Ergebnisse sprechen auch gegen eine einfache Unterteilung in das Vorhandensein oder Fehlen von Selbsterkenntnis und machen es wahrscheinlich, dass diese Fähigkeit nicht so exklusiv ist, wie ein halbes Jahrhundert angenommen wurde."
Das könnte bedeuten, dass auch andere Tiere, vielleicht sogar Katzen und Hunde – unter den richtigen Bedingungen – ihr Antlitz im Spiegel erkennen könnten. (dpa/tar)
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