Wenn man dieses Buch liest, soll man Gott, Jesus und die Menschheit anders sehen – und erfahren, dass die Erde eigentlich ganz anders heißt und nur einer von vielen bewohnten Planeten im Universum ist. Was hat es mit dem geheimnisvollen Buch "Urantia" auf sich?

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Unser Planet heißt eigentlich gar nicht Erde. Ihr wirklicher Name ist Urantia, und sie ist nur einer von unzähligen bewohnten Planeten im Weltraum. So steht es in einem Buch, das übernatürliche Wesen den Menschen übermittelt haben und das im Jahr 1955 veröffentlicht wurde. Es trägt ebenfalls den Titel "Urantia".

Darin soll nicht weniger als die "fortgeschrittene Wahrheit" stehen, das Ziel des Buches sei es, das "kosmische Bewusstsein" zu erweitern, heißt es im Vorwort. In dem 2.097-Seiten-Werk geht es um Herkunft, Geschichte und Ziel der Menschheit, um die Beziehung zu Gott und Jesus sowie um die Schöpfung.

Gott auf der ewigen Paradiesinsel

Das würde als Beschreibung auch auf die Bibel zutreffen. Aber das Buch Urantia liefert in vier Teilen und 196 Kapiteln ganz andere Erkenntnisse. Die Erde ist demnach Teil des Universums Nebadon, zu dem insgesamt zehn Millionen bewohnte Planeten gehören. Der Schöpfer und Herrscher von Nebadon ist Michael, der 611.121. Sohn Gottes.

Michael taucht auch in der Bibel auf, allerdings als Erzengel. Laut Urantia tritt er in verschiedenen Welten in unterschiedlichen Inkarnationen auf, auch als Jesus Christus.

Nebadon ist nur ein kleiner Bestandteil eines Superuniversums namens Orvonton, das wiederum dem Zentraluniversum Havona zugeordnet ist. Dort befindet sich Gott auf einer "ewigen Paradiesinsel".

Das Universum und die Menschheit entwickelten sich in einem evolutionären Prozess. Die Menschen können sich durch eine Art Seelenwanderung immer weiterentwickeln. Im Buch finden sich darüber hinaus zahlreiche Bezüge zu Kosmologie, Philosophie, Geschichte und unterschiedlichen Wissenschaften.

Übermenschliche Persönlichkeiten diktierten das Werk

Alle Inhalte des Werks sollen durch "übermenschliche Persönlichkeiten" übermittelt worden sein. Das Vorwort stammt angeblich von einem "Göttlichen Ratgeber von Orvonton". Nach Meinung der Anhänger haben "unsere unsichtbaren Freunde" jahrelang "Kontaktpersönlichkeiten" auf der Erde getestet, die sie für würdig hielten, die Botschaft zu empfangen.

Entstanden ist das Werk zwischen 1924 und 1955. In diesem Jahr erschien es erstmals in englischer Sprache. 2005 wurde es ins Deutsche übertragen, außerdem kann man es auf Spanisch, Französisch, Russisch und in vielen weiteren Sprachen lesen.

Aber wer das geheimnisvolle Buch zu Papier gebracht hat, bleibt offen; es werden keine Urheber genannt. Als Hauptautor gilt heute der Psychiater und Laienprediger William S. Sadler.

Er war 1911 in Chicago Zeuge eines für ihn unerklärlichen Ereignisses: Ein Mann sprach im Schlaf von überirdischen Personen, die sich Offenbarer nannten. Der Psychiater hielt das Phänomen für glaubhaft und echt. Er fand keine Erklärung für das Verhalten des Mannes – und auch nicht für die empfangenen philosophischen und religiösen Botschaften.

Urantia will keine Religion sein

Sadler rief zusammen mit seiner Frau Lena einen Gesprächskreis ins Leben. Sie sammelten Fragen an die Wesen, und erhielten nach eigener Auskunft Antworten darauf. Der Name des schlafenden Mannes ist bis heute geheim geblieben, angeblich soll es sich um einen Geschäftsmann gehandelt haben, der keinerlei Bezug zum Übersinnlichen hatte.

Aus dem Gesprächskreis entwickelte sich 1950 die Urantia-Stiftung, die das Wissen verbreiten will. Auf der Webseite der gemeinnützigen Bildungsorganisation, wie sich selbst bezeichnet, heißt es: "Das Urantia-Buch selbst ist keine Religion und will es auch nicht sein, aber es baut auf dem religiösen Erbe der Vergangenheit sowie der Gegenwart auf und ermutigt zu einem persönlichen, lebendigen, religiösen Glauben."

Die Stiftung will ihre Offenbarungen "ohne aufdringliches Anpreisen, ohne Verkirchlichung und ohne Evangelisierung" übermitteln.

Die Kritik am Buch Urantia – und sein Einfluss

Die Erkenntnisse der Alternativ-Bibel werden von verschiedenen Seiten kritisiert: Die Kirchen haben theologische Einwände. Andere verurteilen die im Buch propagierte Erbgesundheitslehre, die auch im Nationalsozialismus eine unsägliche Rolle spielte. So ist unter anderem von "degenerierten, asozialen, schwachsinnigen" Individuen die Rede.

Andere werfen dem Werk vor, dass viele wissenschaftliche Behauptungen falsch seien. Wie viele Menschen an die Lehren des Buches glauben, ist nicht bekannt.

Das Werk war allerdings Inspirationsquelle für so manchen Künstler: Karlheinz Stockhausen ließ sich davon stark für seinen 1977 erschienenen Opernzyklus "Licht" beeinflussen. Die Musiker Stevie Ray Vaughan und Jimi Hendrix sollen immer eine Ausgabe des Buches Urantia bei sich gehabt haben.

Andere wiederum sehen das Werk eher als Fantasy- oder Science-Fiction-Werk denn als ernst zu nehmende Wissensquelle. Manche verglichen es aufgrund des Schreibstils und der ausgefeilten Weltendarstellung gar mit "Herr der Ringe".

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