Bürgerschreck, Satanist, Magier, Schachgenie und Religionsgründer: Aleister Crowley hatte viele Rollen inne. Er sah sich als Prophet und Heiland, andere verdammten ihn als Antichristen. Um Crowley ranken sich auch 70 Jahre nach seinem Tod viele Legenden.

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"Das Große Tier 666": So nannte sich Aleister Crowley selbst und spielte damit auf den Antichristen an. Kein Wunder, dass er zu seiner Zeit ein Bürgerschreck war. Der Okkultist ist auch fast 70 Jahre nach seinem Tod sagenumwoben.

Er prägte die Lehren mehrerer Geheimbünde, gründete eine Religion namens Thelema und schrieb die passende Bibel dazu. Nebenbei erfand er die bekannteste Tarotform, das Thoth-Tarot. Crowley glaubte, dass er der Prophet des Wassermannzeitalters sei.

Dieses Zeitalter sollte das der Fische ablösen – dessen Prophet Jesus Christus hieß. Thelema würde also das Christentum ersetzen.

Berüchtigt ist Crowley auch wegen seiner Verknüpfung von Magie mit Sexualität, die er Magick nannte. Der Weg zur Erleuchtung führte nur über Magick, das bizarre Zeremonien enthielt. Masturbation, homo- und heterosexueller Geschlechtsverkehr, Analsex und Sado-Maso-Praktiken spielten dabei eine wichtige Rolle – skandalös in den 1920er-Jahren.

Brillanter Geist oder durchgedrehter Junkie

War er ein brillanter Geist, oder aber der Inbegriff des Bösen, der schwarze Magie praktizierte und den Satanismus begründete? Die einen verehren Crowley bis heute, die anderen fürchten seinen Einfluss über den Tod hinaus. Manche glauben gar, schon die Verwendung des Thoth-Tarots verführe zum Bösen.

Einige Kritiker diffamieren ihn als durchgedrehten Drogensüchtigen. Doch in den 1970er-Jahren entwickelte sich ein regelrechter Kult um den Magier, sein Einfluss auf die Popkultur ist riesig.

Crowley führte ein ausschweifendes Leben, unzählige Gerüchte ranken sich um seine Person und seine Werke. Ihm wurden Morde und rituelle Vergewaltigungen vorgeworfen, er soll das Blut von Babys getrunken haben.

Angeblich richtete er sich in einer Wohnung zwei Räume ein, einen für schwarze und einen für weiße Magie. Einen Frosch soll er auf den Namen Jesus von Nazareth getauft und anschließend gekreuzigt und verspeist haben. Beweise für all das gibt es nicht.

Frühere Leben als ägyptischer Priester und Papst

Der Mann war ein Meister der Selbstinszenierung und trug selbst zu seiner Legendenbildung bei: Er gab sich ständig neue Namen und erfand neue Rollen für sich. Er war davon überzeugt, früher schon gelebt haben – unter anderem als ägyptischer Priester und Papst Alexander VI.

Umgekehrt behaupten bis heute einige seiner Anhänger, sie seien Inkarnationen des Meisters. Crowley war aber nicht nur Magier und Religionsgründer, sondern auch einer der besten Schachspieler seiner Zeit und ein bekannter Bergsteiger.

Obwohl er asthmakrank war, erklomm er das schwierige Eisfeld am größten Gletscher Frankreichs, Mer de Glace. Das versuchte anschließend 50 Jahre lang niemand mehr. Er bestieg weitere Berge, geriet aber in Verruf, weil er nach einem Lawinenunglück verschüttete Kameraden im Stich ließ.

Schon zu seiner Zeit war er berühmt-berüchtigt: Er soll Frauen mit einem sogenannten Schlangenkuss begrüßt haben. Er biss ihnen dazu in die Hand – und ließ sich extra die Eckzähne schärfen.

Mehrfach soll er bei Besuchen von Freunden seinen Darm auf dem Teppich oder im Treppenhaus entleert haben. Er protzte ungeniert mit seinen sexuellen Abenteuern und schockte mit exzessivem Drogenkonsum von Opium über Kokain und Haschisch bis Meskalin, Chloroform und Heroin.

Der "Weltheiland" und reiche Erbe

Verheiratet war er mehrmals, doch seinen Frauen brachte er kein Glück: Eine wurde alkoholabhängig und lebte mit schwerer Demenz in einer Nervenheilanstalt. Eine verbrachte ihre letzten 30 Lebensjahre in einer Anstalt, eine dritte trank sich zu Tode und eine weitere beging Suizid.

Auch mehrere seiner Kinder starben, für die Überlebenden interessierte er sich wenig. Mehrere Liebhaberinnen und Liebhaber verließen ihn wegen seiner sadomasochistischen Vorlieben.

Crowley schrieb Gedichtbände, Romane und eine 1.000-seitige, unvollendete Autobiografie. Er studierte Philosophie und Philologie in Cambridge, schloss die Studien aber nicht ab. Als reicher Erbe musste er nicht für seinen Lebensunterhalt arbeiten und hatte vor allem ein Ziel: berühmt werden.

Bescheiden war er dabei nicht. Über seinen Geburtsort schrieb er einmal: "Ein sonderbarer Zufall, dass die kleine Grafschaft die zwei größten Dichter Englands hervorbringen sollte - denn man darf Shakespeare nicht vergessen." Crowley ging davon aus, dass er der "Weltheiland" sei, den verschiedene okkulte Gruppen schon länger erwarteten.

Für die Mutter ist Crowley der Teufel

Geboren wurde Crowley im Oktober 1875 unter dem Namen Edward Alexander. Die Eltern waren fanatische Christen, welche die Bibel wörtlich auslegten. Der junge Crowley wurde in ein erzkonservativ-christliches Internat geschickt, das Kinder für geringe Vergehen mit Isolation bestrafte.

Crowley verbrachte dort anderthalb Jahre allein, unter anderem, weil er sexuell aktiv war – mit Mädchen und Jungen. Seine Mutter nannte ihn deshalb nach der Johannes-Offenbarung in der Bibel "das Tier", als Sinnbild für den Teufel – den Namen übernahm Crowley später selbst.

Er interessierte sich früh für okkulte Themen, praktizierte Magie und erlernte Methoden zur Bewusstseinserweiterung, auch mit Hilfe von Drogen. Er versuchte Engel und Dämonen anzurufen und zu bändigen. Dem Mythos zufolge hatte das zur Folge, dass auf der Terrasse seines Hauses in Schottland fortan merkwürdige Schatten zu sehen waren.

Das wichtigste Gebot: Tu, was du willst

Auch um sein wichtigstes Werk ranken sich Legenden. Auf der Hochzeitsreise mit seiner Frau Rose in Ägypten stand er in einem Museum vor einer Säule mit der Nummer 666. Dort empfing er Botschaften des Geistwesens Aiwass.

Es diktierte ihm innerhalb von drei Tagen das Buch des Gesetzes, "Liber Al Legis". Wer Aiwass war, ist unter Crowley-Anhängern umstritten. War er der Teufel, ein Außerirdischer oder ein Schutzengel?

Das Kultbuch ist die Bibel für Thelema-Gläubige. Darin werden Durchschnittsmenschen ebenso verdammt wie das Christentum und die Demokratie. Diese sei ein "ekelerregender Kult der Schwäche", ebenso wie das Mitleid.

Überhaupt sollen die Starken die Schwachen ausmerzen. Die wichtigste Aussage des Werks: "Tu was du willst. Dies soll das ganze Gesetz sein." Wie das gemeint ist, bleibt umstritten. Als Aufruf, den eigenen Geist zu erkunden, meinen die einen.

Seine Gegner interpretieren die Worte als Anleitung zum hemmungslosen Hedonismus und Egoismus – und sehen das als ersten Schritt hin zum Satanismus.

Crowleys späteres "Buch der Lügen" enthüllte angeblich die Geheimnisse der Freimaurer, doch erkennen können das der Legende nach nur Eingeweihte. Der Magier gehörte verschiedenen okkulten Bewegungen an, unter anderem dem "Hermetic Order of the Golden Dawn" und "O.T.O".

In letzterem übernahm er eine führende Rolle, war allerdings innerhalb der Gemeinschaft heftig umstritten.

Die bizarren Riten des Crowley-Ordens

Deshalb gründete er 1907 seinen eigenen geheimen Orden "Astrum Argenteum", auch "A∴A∴" oder "Orden des silbernen Sterns" genannt. Seine Jünger führte er 1920 in ein sizilianisches Dorf, gründete dort die Abtei Thelema und ließ sich von ihnen zum Gott weihen.

Die Männer hatten kahle Köpfe, bis auf eine sogenannte Phalluslocke in der Stirn. Die Frauen mussten hellblaue Roben mit Kapuze tragen und sich die Haare rot oder golden färben. Alle Anhänger führten ein magisches Tagebuch, das sie Crowley zeigen mussten.

Zudem gab es bizarre, sexuell geprägte Riten. Angeblich mussten die Mitglieder das Blut toter Katzen trinken, eine Frau soll mit einem Ziegenbock kopuliert haben. Niemand durfte von sich als "Ich" sprechen, außer dem Meister selbst. Alle anderen sollten "man" sagen. Wer die Regel brach, musste sich das Wort "Ich" in den Arm ritzen.

Gestorben ist Crowley 1947 allerdings einsam als völlig verarmter Junkie an einer Lungenentzündung. Seine letzten Worte geben seinen Anhängern allerdings wieder Rätsel auf: "I am perplexed", soll er gesagt haben (Ich bin verwirrt).

Sein Einfluss hält posthum an. Als einer seiner größten Fans gilt Led-Zeppelin-Musiker Jimmy Page. Gerüchten zufolge ist deren bekanntester Song "Stairway to heaven" ein vertontes Gedicht von Crowley. Page wohnte sogar zeitweise in einem früheren Haus des Meisters in Schottland.

Ozzy Osbournes Song "Mr Crowley" bezieht sich auf den Religionsgründer, auch David Bowie sang über ihn. Und die Rolling Stones inspirierte der Meister angeblich zum Song "Sympathy for the Devil". Die Beatles zeigen auf ihrem Cover des Albums "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" neben anderen Prominenten auch Crowley.

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