Am Montag haben die Vereinten Nationen ein historisches Abkommen auf den Weg gebracht. Mit dem Hochsee-Schutzabkommen soll es jetzt möglich sein, große Meeresgebiete weltweit als Schutzgebiete auszuweisen.

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Nach jahrelangem Ringen einigten sich die UN-Mitgliedstaaten im März auf das erste internationale Hochsee-Schutzabkommen. Am Montag stand nun in New York der offizielle Beschluss der Vereinbarung auf der Tagesordnung. Für den Schutz der Artenvielfalt und des Klimas ist das Abkommen von besonderer Bedeutung.

UN und Umweltschutzorganisationen feiern das Hochsee-Schutzabkommen

"Das Abkommen ist angenommen", verkündete die Vorsitzende der Konferenz, Rena Lee, dann im Laufe des Tages in New York unter dem Jubel der Teilnehmer. UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte die Verabschiedung, auch als Zeichen des gemeinsamen Handelns der Länder der Welt. "Ihr habt neues Leben und Hoffnung darin gepumpt, den Meeren eine Überlebenschance zu geben."

Die Naturschutzorganisation Greenpeace sprach von einem "Sieg für alles Leben auf diesem Planeten". Das Abkommen sei "überfällig" gewesen, hieß es von der Meeresschutzorganisation OceanCare. "Dieser Vertrag kann die Wende bringen, die die Ozeane dringend brauchen."

Erstmals sind Schutzgebiete außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen einzelner Länder vorgesehen. Dies ist bedeutsam, weil sich mehr als 60 Prozent der Meeresgebiete außerhalb dieser Wirtschaftszonen befinden. Der Schutz der Meeresökosysteme ist zudem von Bedeutung, weil sie etwa die Hälfte des Sauerstoffs erzeugen, den die Menschen zum Atmen brauchen, und massenhaft klimaschädliches Kohlendioxid absorbieren.

Das Hochsee-Schutzabkommen muss von mindestens 60 Staaten ratifiziert werden. Danach tritt es nach 120 Tagen in Kraft. Es gibt aber noch ungelöste Probleme. Das sind die wichtigsten Punkte des Abkommens.

Hochsee-Schutzabkommen soll Ökosysteme weltweit bewahren

Das Abkommen erkennt die Notwendigkeit an, gemeinsam und abgestimmt "den Verlust der Artenvielfalt und die Schwächung der Ökosysteme der Meere" zu bekämpfen. Dabei geht es unter anderem um die Erwärmung der Meere, ihren Verlust an Sauerstoff und ihre Versauerung. Auch die Plastikmüllflut in den Weltmeeren und das Einleiten anderer Verunreinigungen sowie die Überfischung sollen bekämpft werden.

In der Vereinbarung geht es um die Meeresgebiete außerhalb ausschließlicher Wirtschaftszonen, die sich von der Küste einzelner Länder maximal 200 Seemeilen weit ins Meer erstrecken. Auch der Meeresboden und der Meeresuntergrund außerhalb nationaler Gewässer sollen geschützt werden.

Für die Umsetzung des neuen Abkommens müssen auch regionale Fischereibehörden und die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) mit ins Boot geholt werden. Die ISA vergibt für bestimmte Meeresgebiete Genehmigungen für Tiefseebohrungen, etwa nach Erdgas.

Derzeit liegen alle Meeresschutzgebiete in nationalen Gewässern. Für die Schaffung neuer Schutzgebiete außerhalb dieser Meeresgebiete ist eine Dreiviertelmehrheit der an den Verhandlungen über das Hochsee-Schutzabkommen beteiligten Staaten nötig.

Bis zur Schaffung der ersten Schutzgebiete auf Vorschlag von einem oder mehreren Staaten dürften Jahre vergehen. Leitlinie ist das Ziel, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Erd- und Meeresflächen als Schutzgebiete auszuweisen.

Schwachstellen im Abkommen

Eine Schwachstelle in dem neuen Abkommen ist, dass es nicht festhält, wie die Schutzmaßnahmen überwacht oder gar gegen Widerstand durchgesetzt werden. Patrouillen in riesigen Meeresgebieten fernab der Küsten scheinen unrealistisch. Manche Experten schlagen vor, Satelliten zu nutzen. Wer die Überwachung bezahlen soll, ist ebenfalls noch ungeklärt.

Das Abkommen sieht Schutzgebiete für marine Ökosysteme vor, die bedeutend sind für bedrohte Arten. Aus den Schutzgebieten soll ein Netzwerk entstehen, das Korridore für die sichere Wanderung von Tieren wie etwa Walen erlaubt. Wissenschaftler und Umweltorganisationen haben bereits ein Dutzend potenzieller Hochsee-Schutzgebiete identifiziert.

Geplante Hochsee-Projekte müssen auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden

Das Abkommen verpflichtet die Unterzeichner, die Umweltauswirkungen geplanter Aktivitäten auf hoher See vorab zu prüfen. Außerdem sollen sie prüfen, ob Aktivitäten in ihren eigenen nationalen Gewässern eine "substanzielle Verschmutzung" oder anderen Schäden für die Hochsee bedeuten. Anders als von Umweltorganisationen erhofft, obliegt es aber den einzelnen Staaten und nicht der internationalen Gemeinschaft, Nutzungsgenehmigungen zu erteilen.

Die Vertragsstaaten müssen die Daten zu den Auswirkungen ihrer Aktivitäten in den Weltmeeren aktualisieren und veröffentlichen. Auf dieser Grundlage können erteilte Nutzungsgenehmigungen angefochten werden.

Auch wenn sie nicht ausdrücklich in dem Abkommen aufgeführt werden, könnten auf dieser Grundlage auch die Schifffahrt und die Fischerei sowie Tiefseebohrungen und mögliche Geoengineering-Initiativen zur Eindämmung des Klimawandels reguliert werden.

Das Abkommen sieht vor, dass alle Staaten in der Hochsee tierisches, pflanzliches und mikrobielles Material sammeln dürfen, um dessen Erbinformationen zu nutzen, auch kommerziell. So wurden in Mikroben im Meeressediment, in Schwämmen und Weichtieren bereits Moleküle entdeckt, die bei der Behandlung von Krebs oder anderen Krankheiten helfen könnten.

Dass der Gewinn aus derartiger Hochsee-Nutzung zwischen reichen und armen Ländern gerecht verteilt wird, war ein Knackpunkt bei den Verhandlungen. Das Abkommen enthält nun eine Rahmenvereinbarung über den Transfer entsprechender Technologien an Entwicklungsländer und eine Stärkung ihrer Forschungskapazitäten sowie einen uneingeschränkten Zugang zu Daten über die Hochsee.

Wie genau eventuelle finanzielle Gewinne aus der Nutzung der natürlichen Ressourcen der Hochsee verteilt werden, muss die internationale Gemeinschaft allerdings noch festlegen. (afp/dpa/the)

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