Ob Tempolimit, Wärmepumpe oder Subventionskürzungen: Klimaschutzmaßnahmen werden oft als Zumutung gesehen. Warum wir positiver über den Wandel sprechen sollten.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vor ein paar Jahren habe ich auf der Webseite der "Süddeutschen Zeitung" einen Artikel mit der Überschrift: "Echter Klimaschutz muss wehtun" gelesen. Schon damals habe ich mich sehr über den Titel geärgert. Bis heute ist er mir im Gedächtnis geblieben. Die Botschaft, die dahintersteht: Klimaschutz ist unbequem, es geht um Verbote und darum, dass mir als Bürger oder Bürgerin etwas weggenommen wird. Und klar, wer will das schon?

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Kein Wunder, dass einige Menschen aufgrund solcher Formulierungen Klimaschutzmaßnahmen mittlerweile per se als negativ sehen. Sprache konstruiert unsere Wirklichkeit. Sie ist deshalb so mächtig, weil Worte, wie "Klimaschutz muss wehtun", mit Assoziationen verknüpft sind. Worte transportieren nicht nur Informationen in unser Gehirn, sondern auch Emotionen.

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Klimaschutz beeinflusst unser Dasein positiv

Ich habe mich aber nicht nur über diese Überschrift aufgeregt, weil sie ein Beispiel für Effekthascherei im Journalismus darstellt. Sondern, weil die Aussage schlichtweg falsch ist. Die Zukunft wird alles andere als rosig aussehen, wenn wir keine Klimaschutzmaßnahmen ergreifen. Klimaschutz beeinflusst unser Dasein positiv – denn daran ist unsere Ernährungssicherheit, unser Wohlstand und vieles mehr geknüpft. Diese Botschaft müssen Medien und Politik verstärkt transportieren und das wird noch viel zu wenig getan.

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Weltwirtschaftsforums zeigt deutlich, warum Klimaschutz zu wichtig ist. Laut der Studienautoren und -autorinnen könnte die Klimakrise bis zum Jahr 2050 weltweit bis zu 14,5 Millionen zusätzliche Todesfälle und wirtschaftliche Verluste in Höhe von 12,5 Billionen Dollar verursachen. Angenommen wird dabei ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2,7 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter.

Vor allem Überschwemmungen seien demnach tödlich. Wie gefährlich Überschwemmungen auch bei uns in Deutschland sind, hat die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 mehr als deutlich gemacht. Auch Ernteschäden, vermehrte Infektionskrankheiten, Hitzewellen und sinkende Wasserqualität würden zu mehr Todesfällen führen – auch bei uns in Deutschland. Dadurch würden enorm hohe Kosten für die Gesundheitssysteme entstehen.

Klingt diese düstere Prognose verlockend? Natürlich nicht. Die Auswirkungen der Klimakrise liegen auch nicht in ferner Zukunft. Wir können sie bereits heute deutlich sehen. Vergangenes Jahr war zum Beispiel nicht nur das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, auch die Oberflächentemperatur der Ozeane war ungewöhnlich hoch. Wetterextreme wie Stürme und Überschwemmungen haben im vergangenen Jahr hierzulande Schäden in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro verursacht.

Ob Tempolimit oder Wärmepumpe: Jede Veränderung wird kritisiert

Und dennoch stoßen Länder wie Deutschland munter Treibhausgasemissionen aus, weil wir davon überzeugt sind, dass der Ist-Zustand ideal ist. Jede Veränderung wird hingegen als Zumutung empfunden, sei es ein Tempolimit, der Einbau von Wärmepumpen, der Ausbau von Schienen und Windrädern oder die Fortführung des Deutschlandtickets.

Zahlreiche Menschen leben weiterhin so, als wären fossile Energien unendlich verfügbar, sie fahren bei Tempo 180 auf der Autobahn und nennen es "Freiheit". Andere sprechen in den sozialen Medien von "Umerziehung", weil der Lebensmittelhersteller Rügenwalder Mühle den "Schinken Spicker" aus Fleisch aus dem Sortiment nimmt, um den veganen und vegetarischen Alternativen mehr Raum zu geben.

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Kürzung der Agrardiesel-Subventionen

Wir brauchen Veränderungen – und das ist nichts Schlechtes. Wir sollten Klimaschutz endlich als das sehen, was er ist: etwas Positives. Er ist der Schutzschild vor all den düsteren Zukunftsszenarien, die uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer wieder eindringlich vor Augen führen. Klimaschutz ermöglicht uns so viel: Ernährungssicherheit, gesündere Wälder und Moore, weniger Luftschadstoffe, sichere Straßen für Kinder, weniger Müll, mehr Grünflächen, weniger Naturkatastrophen, mehr Biodiversität, kurzum: eine gesündere, lebenswerte Zukunft – und dafür nimmt man doch Veränderungen in Kauf.

Das bedeutet nicht, dass man jede Klimaschutzmaßnahme freudestrahlend begrüßen muss. Natürlich ist es wichtig, in einen Dialog zu treten, Alternativen auszuhandeln und denjenigen, die betroffen sind, Handlungsspielräume anzubieten.

Gerade bei der Verkündung der Kürzung der Agrardiesel-Subventionen hat die politische Führungsriege das leider alles andere als geschickt gehandhabt. Man hätte den Abbau der Subventionen schrittweise einführen können. Landwirtinnen und Landwirten müssen außerdem endlich entsprechend honoriert und unterstützt werden, wenn sie klima- und umweltfreundliche Maßnahmen auf ihren Höfen umsetzen wollen. Bislang passiert das noch zu wenig.

"Was die aktuell regierenden Politikerinnen und Politiker anscheinend noch nicht verstanden haben: Wir müssen jetzt investieren, damit wir später gut überleben können."

Klimageld muss vor 2027 ausgezahlt werden

Ja, Klimaschutz kostet Geld und erscheint zunächst für einige Menschen unbequem – das steht außer Frage. Ein sozial gerechter Wandel und die Unterstützung ärmerer Menschen ist daher zwingend notwendig, um Klimaschutzmaßnahmen erfolgreich umzusetzen und dafür Zustimmung zu erhalten. Es gibt zahlreiche Ideen, wie man bestimmte Maßnahmen finanzieren könnte. Allein durch die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs würden dem Bundeshaushalt rund sechs Milliarden Euro mehr im Jahr zur Verfügung stehen. Auch das Konzept des Klimagelds ist eine sinnvolle Maßnahme. Dieses soll die zusätzlichen Kosten durch den erhöhten CO2-Preis ausgleichen.

Die Entscheidung von Finanzminister Christian Lindner (FDP), das Klimageld vermutlich erst 2027 auszuzahlen, also erst nach der Legislaturperiode der Ampel, wirkt daher wie ein schlechter Scherz. Auf diese Weise untergräbt die Politik die Akzeptanz für mehr Klimaschutz. Ebenso wäre das Aussetzen der Schuldenbremse dringend notwendig, damit ein Wandel in eine nachhaltige Zukunft gelingen kann.

Was die aktuell regierenden Politikerinnen und Politiker anscheinend noch nicht verstanden haben: Wir müssen jetzt investieren, damit wir später gut überleben können – ähnlich der Vorsorge für die Rente. Anstatt den Ist-Zustand mit allen Mitteln zu bewahren und dabei auf den nächsten Wahlzyklus zu schielen, sollten Politiker und Politikerinnen die so dringend nötigen Veränderungen anstoßen. Nicht der Klimaschutz tut weh, sondern die Folgen des Klimawandels. Also: Lasst uns Klimaschutz endlich als Chance begreifen.

Verwendete Quellen

  © RiffReporter

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