Mini-Wäldchen oder Tiny Forests brauchen nicht viel Platz und wachsen schnell. Ideal also für heiße Innenstädte: die schattigen Kleinwälder sorgen für mehr frische Luft und Kühlung und fördern nebenbei die Gemeinschaft. Auch in Deutschland erobert das Modell aus Japan städtische Grünflächen.

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Der japanische Pflanzensoziologe Akira Miyawaki plante 1980 als Erster ein dicht gepflanztes Mini-Wäldchen auf einer ungenutzte Böschung neben einer Autofabrik. Die Fläche war nicht größer als sechs Parkplätze und trotzdem fanden fast 300 Bäumchen Platz. Beim Wettlauf um die oberen Plätze an der Sonne wachsen die jungen Bäume schneller heran als üblich. Es entsteht ein undurchdringlicher kleiner Stadtdschungel. Für seine Idee gewann Miyawaki 2006 den Blue Planet Price.

Shubshendu Sharma, Wirtschaftsingenieur aus Indien, war so begeistert von der Idee, dass er sich knapp 30 Jahre später für eine weltweite Verbreitung der Methode engagierte. 2014 präsentierte er die Miyawaki-Methode in einem TED-Talk und gründete Afforest, eine internationale Initiative, die beim Pflanzen der kleinen Wäldchen unterstützt.

Mittlerweile wurden auf der ganzen Welt Hunderte solcher Tiny Forests in über zehn Ländern angelegt. In Europa fiel die Idee zuerst in Niederlanden auf fruchtbaren Boden. Die ersten Mini-Wälder in Deutschland schlugen 2020 in der Uckermark und in Bönningstedt Wurzeln.

Grüne Wildnis in der Stadt

Alle Pflanzen holen sich für ihr Wachstum CO2 aus der Luft auf und speichern es in ihren Zellen ab. Eine 35 Meter hohe Buche etwa bindet pro Jahr 3,5 Tonnen klimaschädliches CO2. Ein gefahrener Autokilometer erzeugt mindestens 130 Milligramm CO2. Umgerechnet kann ein großer Laubbaum also jährlich den CO2-Ausstoß von zirka 27.000 Auto-Kilometern wieder aus der Atmosphäre filtern. Bäume sind deshalb in der Bewältigung des Klimawandels besonders wertvoll.

Ein echter Miyawaki-Wald leistet aber noch mehr. In dem mit einem Zaun geschützten, dichten Gestrüpp entwickelt sich eine besonders artenreiche Waldgesellschaft. 100-mal mehr Tiere und Pflanzen verspricht Shubhendu Sharma in seinem Ted-Talk. Viel Platz braucht es dafür nicht, eine etwa Tennisfeld große Fläche reicht aus. Schlechter Boden wird mit viel Kompost nährstoffreich gemacht. Um die finanziellen Ausgaben so klein wie möglich zu halten, pflanzt man nur sehr junge Bäume.

Zum Konzept gehört auch das gemeinsame Planen der Projekts und das Pflanzen der Bäume. Ziel ist es, das Bewusstsein für den Wert der Natur in der Gesellschaft zu fördern. Wer einmal einen Baum gepflanzt hat und "seinem" Wald beim Wachsen zuschaut, nimmt auch andere Bäume besser wahr. Mit mehr Verständnis für die Zusammenhänge in der Natur interessieren sich die Menschen auch mehr für deren Schutz, so der Ansatz des japanischen Soziologen. Je mehr freiwillige Helfer, um so kostengünstiger wird das Projekt.

Einen ganzen Wald ersetzen können die Miniatur-Forste nicht. In Ballungsräumen sorgen die kleinen Bauminseln aber für mehr sauerstoffbildendes Grün. Die Blätter verbessern die Luftqualität und es entstehen Rückzugsgebiete für Insekten und kleine Tiere mitten in der Stadt. Bei den Anpassungsmaßnahmen für den Klimawandel zählt jeder Baustein.

Gemeinsame Pflanzaktionen

Wer selber einen Mikrowald anlegen möchte, braucht kein Forststudium, sondern möglichst viele Mitstreiter, empfehlen die Experten von Citizens Forests aus eigener Erfahrung. Initiativen wie MIYA in Ebrwalde, Freiwald bei Berlin oder Citizens Forests, die im März in Hamburg- Altona ihren neuesten Wald gepflanzt haben, unterstützen neue Mini-Waldprojekte mit Tipps und pragmatischen Ratschlägen.

Ein geeignetes Grundstück findet sich eventuell in der eigenen Stadt oder bei einem engagierten Privatbesitzer. Wer selber ein passendes Grundstück besitzt, kann sich direkt an Citizens Forests wenden. Eine Fläche von wenigen 100 Quadratmetern, die für die nächsten zehn Jahre nicht genutzt wird, genügt. Nach einer klärenden Bodenanalyse wird die Erde umgegraben und mit den fehlenden Nährstoffen versorgt. Angepflanzt werden nur Pflanzenarten, die in der näheren Umgebung heimisch sind. Damit die Pflanzen gut anwachsen, wird der Erdboden nach dem Angießen mit einer dicken Mulchschicht aus Stroh oder Gras abgedeckt.

Mitmachen kann jeder und jede, es gibt genug verschiedene Arbeitsschritte zu bewältigen. Einen Standort organisieren, Pflanzlöcher graben oder einen kleinen Baum festhalten, bis die Erde festgetreten ist. Auch Öffentlichkeitsarbeit und eine ordentliche Mahlzeit für den Tag der Pflanzaktion werden gebraucht. Das gemeinsame Essen und Feiern nach getaner Arbeit gehört zum Aufforstungsprogramm mit dazu.

Verwendete Quellen:

  • Ted.com: TED-Talk Shubshendu Sharma
  • Citizens-forests.org: Wir machen Wälder
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