• In Deutschland wird es seit Jahren trockener. Ein Experte vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erklärt, woran das liegt.
  • Welche Folgen das hat und ob uns eine Wasserknappheit droht, erläutert er im Interview.
Ein Interview

Herr Hattermann, der Deutsche Wetterdienst hat gerade den neunten überdurchschnittlich trockenen Frühling in Folge gemeldet. Droht uns 2022 ein Dürrejahr?

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Fred Hattermann: Das kann man leider nicht sagen, weil langfristige Wettervorhersagen in unseren Breiten sehr schwierig sind. Aber es zeichnet sich ab. Das ist eine Tendenz, die wir seit Längerem beobachten.

Womit hängt das zusammen?

Zum einen mit den länger andauernden Wetterlagen. Wir befinden uns in der sogenannten Westwindzone der nördlichen Hemisphäre. Diese Westwinde entstehen durch den Temperaturunterschied zwischen Äquator und Nordpol. Dieser Unterschied wird geringer, weil infolge des Klimawandels das arktische Eis schmilzt. Dadurch werden diese Winde und auch teilweise der Jetstream schwächer. Die Tiefs und Hochs, die normalerweise aus westlicher Richtung über uns getrieben werden, bewegen sich dann für längere Zeit nicht mehr weiter. Das nennen wir Blockade-Wetterlagen. In den letzten Jahren sind das oft Hochs über Skandinavien gewesen, besonders im Frühjahr. Und weil der Wind sich im Uhrzeigersinn dreht, führen diese riesigen Hochdruckgebiete über Skandinavien dazu, dass wir trockene Luft aus dem russischen Raum und nicht die feuchte Luft vom Atlantik bekommen.

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Was sind die Folgen dieser Blockade-Wetterlagen?

Auf Dauer führt das zu einer meteorologischen Dürre, wenn es längere Zeit zu wenig Niederschlag gibt. Das führt dann wiederum zu einer sogenannten hydrologischen Dürre, wenn also auch die Böden trocken werden und die Flüsse und Seen austrocknen, und schließlich zu einer Agrardürre. Dann sind auch die Pflanzen betroffen.

Fred Hattermann: "Winter werden immer kürzer"

Gibt es noch weitere Ursachen für diese Trockenheiten?

Im Winter füllen sich unsere Wasserspeicher auf – Bodenspeicher, Grundwasserspeicher, Oberflächenspeicher –, weil die Vegetation in dieser Zeit nicht grün ist und dadurch nichts verdunstet. Zudem kann das Wasser, das als Regen fällt, ins Grundwasser gelangen und über das Grundwasser dann auch in die Flüsse und Seen. Das ist der normale Vorgang, aber diese Winter werden immer kürzer, weil die Vegetation früher anfängt und länger wächst und damit über das Jahr auch mehr Wasser verbraucht.

Und lässt sich schon absehen, ob das in den kommenden Jahren so weitergeht?

Wahrscheinlich schon, das hat sich die letzten Jahre so abgezeichnet. Es wird aber auch immer wieder andere Jahre geben: 2017 war ein sehr nasses Jahr. Die Prognose für Deutschland ist außerdem schwierig, weil wir im Übergangsbereich zwischen "es wird nasser" und "es wird trockener" liegen. In Nord- und Westeuropa wird es durchschnittlich nasser, im mediterranen Raum eher trockener – und wir sind eben genau dazwischen. Aber die neuesten Szenarien und Modelle legen schon nahe, dass es in Deutschland eher trockener wird. Unsere Böden werden tendenziell schon seit Jahrzehnten trockener. Das ist eine schleichende Tendenz, die wir schon länger haben. Nasa-Wissenschaftler haben anhand von Satellitendaten berechnet, dass uns ungefähr das Wasser des Bodensees im Boden und in der oberen Grundwasserleitern fehlt.

Mit Trockenheit wird auch das Wasser knapp: Wie groß ist die Gefahr von Wasserknappheit hierzulande?

Die ist gegeben. Seen und Flüsse trocknen schon jetzt besonders im Osten Deutschlands in einigen Regionen in trockenen Sommern aus und auch die Landwirtschaft leidet. Das heißt nicht, dass wir verdursten. Das heißt auch nicht, dass wir nicht mehr duschen können. Aber Wasser sparen schadet nicht: Muss man zum Beispiel dreimal am Tag den Rasen sprengen? Kann man seinen Garten anpassen, mit Rasensorten, die trockenresistenter sind? Kann man Regenwasser nutzen zum Bewässern? Das sind alles Maßnahmen, die man selbst umsetzen kann. Es mag sich anfühlen wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein – aber es sind eben viele Tropfen. Und ganz generell: Wenn wir einen zu starken globalen Temperaturanstieg nicht verhindern, dann werden die Folgen auch für uns sehr massiv sein.

"Googles Pläne für ein Rechenzentrum bei Berlin wurden vom örtlichen Wasserversorger abgelehnt"

Welche Regionen sind in Deutschland besonders betroffen?

Das ist vor allem der Osten und der Nordosten. Ein Beispiel: Google wollte östlich von Berlin ein Rechenzentrum eröffnen. Das hätte natürlich gekühlt werden müssen. Die Pläne wurden aber vom örtlichen Wasserversorger abgelehnt.

Lassen Sie uns einen Blick auf die weltweite Situation werfen. Welche Regionen sind dort besonders betroffen?

Es ist nicht so, dass Europa weniger betroffen wäre als andere Regionen. Wir sind nur weniger vulnerabel. Wir haben viel mehr Möglichkeiten, auch finanziell. Aber die Bevölkerung in Afrika, Südamerika oder Asien lebt von dem, was sie anbaut. Diese Regionen sind besonders anfällig und natürlich auch sehr bevölkerungsreich. Aber andere Regionen sind auch betroffen, etwa Kalifornien und Australien.

Zur Person: Dr. Fred Hattermann leitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Arbeitsgruppe Hydroklimatische Risiken. Außerdem ist er stellvertretender Leiter der Abteilung Klimaresilienz, die sich mit der Widerstandsfähigkeit gesellschaftlicher und ökologischer Systeme gegen den Klimawandel beschäftigt.
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