• Der CO2-Preis wurde eingeführt, um klimaschädliche Brennstoffe teurer und damit unattraktiver zu machen.
  • Angesichts explodierender Energiepreise hat die Bundesregierung die geplante Anhebung des CO2-Preises nun verschoben – ein Fehler, findet Dr. Antonia Schwarz.
  • Die Klimaökonomin erklärt, warum sich Investitionen in den Klimaschutz gerade jetzt lohnen, wie die aktuelle Energiekrise zur Chance werden kann und wodurch Verbraucher sinnvoll entlastet werden können.
Ein Interview

Klimaschutz wird gerne mit Kosten und Einsparungen in Verbindung gebracht. Gerade jetzt haben die Leute besonders wenig Geld im Geldbeutel. Muss der Klimaschutz jetzt warten?

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Antonia Schwarz: Es wird immer gerne auf die negativen Seiten des Klimaschutzes hingewiesen. Die Kosten sind real, das kann man nicht wegdiskutieren. Aber es ist falsch zu denken, wir können uns das aktuell nicht leisten. Mit Klimaschutz vermeiden wir enorme Kosten, die in Zukunft auf uns zukommen - und die bei Weitem übersteigen, was wir heute investieren müssen. Viele Maßnahmen schützen nicht nur das Klima, sondern auch unsere Gesundheit. Der Verkehr in Städten zum Beispiel verursacht gesundheitliche Probleme und auch dadurch entstehen Kosten. Das wird gerne unterschätzt. Klimaschutz darf auch in Zeiten, in denen das Geld knapp ist, nicht vergessen werden, weil es sonst in Zukunft noch sehr viel schlechter aussieht. Irgendwann sind die Kosten, die der Klimawandel verursacht, so hoch, dass keine Entlastungspakete mehr dagegen geschnürt werden können, weil es nichts mehr zu verteilen gibt.

Ist die aktuelle Energiekrise ein Fluch oder eine Chance für den Klimaschutz?

Sie könnte eine große Chance sein, wenn wir jetzt versuchen Probleme zu lösen, die uns auch im Rahmen des Klimaschutzes beschäftigen. Wie kann man die Energiewende vorantreiben, um Energiesicherheit zu schaffen? Wie kann man Menschen gezielt entlasten? Vielleicht werden durch die Energiekrise notwendige Veränderungen schneller angepackt und vorangetrieben, als es durch den Klimaschutz möglich gewesen wäre. Gleichzeitig besteht natürlich die Gefahr, dass die Politik kurzfristige Entscheidungen trifft, die uns in Hinblick auf Klimaschutz langfristig schaden.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Die Erhöhung des CO2-Preises wurde beispielsweise ausgesetzt. Aber damit wird den Menschen signalisiert: In der Krise ist Klimaschutz zweitrangig. Das ist problematisch - die Klimakrise ist nicht verschwunden, weil Russland mit der Ukraine Krieg führt. Die Klimakrise ist nach wie vor da und sie muss nach wie vor bewältigt werden. Im Vergleich mit den aktuellen Steigerungen der Energiepreise ist der aktuelle CO2-Preis (30 Euro pro Tonne, Anm.d.Red.) völlig belanglos, der macht kaum etwas aus. Aber da wir noch kein vernünftiges Entlastungsmodell haben, sind schon diese 30 EUR bei vielen im Geldbeutel zu spüren.

Welche Möglichkeiten der Entlastungen gibt es?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Zum einen kann man die Menschen pauschal entlasten, was in Hinblick auf den CO2-Preis sinnvoll ist. Der CO2-Preis ist ein Lenkungsinstrument, die Menschen sollen dadurch nicht belastet werden. Durch das Verteuern von klimaschädlichen Produkten werden Menschen auf klimafreundlichere Alternativen aufmerksam und angeregt, ihr Verhalten umzustellen. Mit den Einnahmen aus dem CO2-Preis kann man die Menschen auch pauschal entlasten, zum Beispiel durch Auszahlung eines Klimageldes. Zum anderen kann man aber auch sagen, es kommen große Kosten auf die Gesamtbevölkerung zu, also braucht es vor allem eine Entlastung für die stark betroffenen Haushalte, die keine Möglichkeit haben, ihr Verhalten zu ändern. Den Rest der Einnahmen könnte man benutzen, um die allgemeinen Belastungen zu reduzieren, indem man gezielt in Heizungen, Häusersanierung, etc. investiert. Aber auch da muss der Fokus darauf liegen, nicht die Neubauten für Penthäuser zu subventionieren.

Auch die Gaspreisbremse soll Entlastung in der aktuellen Energiekrise schaffen. Dabei soll der Vorjahresverbrauch als Grundlage verwendet werden. Ist es nicht ungerecht, wenn Meschen, die im Vorjahr viel Energie verbraucht haben, jetzt mehr günstige Energie beziehen können?

Die Gaspreisbremse ist nur eine Notlösung, weil noch keine Möglichkeit besteht die Leute gezielt zu entlasten. Im Moment sind die Maßnahmen sehr pauschal und erreichen daher manche besonders betroffene Haushalte nicht oder nur unzulänglich. Es stimmt, dass Menschen, die im Vorjahr sparsam geheizt haben, jetzt benachteiligt werden und weniger subventioniertes Gas bekommen. Auf die Maßnahme zu schimpfen ist allerdings auch nicht zielführend und so lange es keine Möglichkeit für Direktzahlung gibt, ist der Energiepreisdeckel vielleicht die beste Lösung. Für eine gezielte Entlastung fehlen uns die Daten. Der Gasverbrauch ist ja auch von der häuslichen Situation abhängig, von der Isolation des Gebäudes oder dem Alter der Heizung. Als Mieter hat man darauf aber gar keinen Einfluss und hat vielleicht einen hohen Verbrauch, obwohl man sparsam ist. Das zu bestrafen wäre unfair. Es ist schwierig, da einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Für die Zukunft wäre es wichtig, einen Entlastungsapparat aufzubauen, um die Leute gezielt entlasten zu können. Das wird schon länger diskutiert, aber da gibt es noch keinen klaren Beschluss. Für mich ist das eine Enttäuschung. In jeder Krise wird darauf hingewiesen, dass wir so etwas bräuchten, aber passiert ist nicht viel.

Wie groß ist die Zustimmung in der Bevölkerung für das Thema Klimaschutz?

Das hängt ganz stark mit der Kommunikation zusammen. Die Unterstützung in der Bevölkerung ist da, das nehmen wir in unseren Untersuchungen wahr. Die Leute wollen mehr Klimaschutz – aber was heißt mehr? Mehr ist immer mit Kosten und Einsparungen verbunden. Man muss die Menschen dafür gewinnen, diese Mehrkosten in Kauf zu nehmen. Im Moment wird eher kommuniziert, ihr macht nicht genug, ihr müsst mehr sparen. Man könnte aber auch zeigen, was alles schon erreicht wurde und wie viel Potenzial noch da ist. Das geht nicht von heute auf morgen, wir alle haben Angst vor Veränderung. Aber mit gezielter Kommunikation muss man die positiven Seiten in den Vordergrund stellen. Zum Beispiel in Städten: Wenn die Autos verschwinden würden und die freigewordenen Flächen anders genutzt werden könnten, wäre das ein Gewinn an Lebensqualität. Jetzt fragen sich die Leute aber, wo soll ich dann mein Auto parken? So lange es da kein gutes Angebot gibt, wird man die Bevölkerung auch nicht für die Idee gewinnen.

Ein Klimabonus wäre eine Möglichkeit, das Thema Klimaschutz auch positiv zu besetzen. Klimaschutz verursacht nicht nur Kosten, ich kriege sogar was zurück.

Genau, aber da muss man aufpassen, dass man das nicht als „linke Tasche, rechte Tasche“ verkauft. Man muss den Leuten klarmachen, warum sie Geld zurückbekommen: Die Einnahmen aus klimaschädlichem Verhalten sollen an die Bevölkerung zurückgezahlt werden. Wir alle leiden unter klimaschädlichem Verhalten, also sollen auch alle entsprechend entschädigt werden. Dabei sollte man darauf hinweisen, das Geld klimafreundlich zu investieren, zum Beispiel in ein Fahrrad, die jährliche Fahrradreparatur oder einen klimafreundlichen Kühlschrank. Das ist dann ein doppelter Gewinn: Ich bekomme einen Klimabonus ausbezahlt und spare CO2 ein, was wiederum die Kosten reduziert. Man sollte den Leuten nicht vorschreiben, wofür sie das Geld benutzen, aber man könnte weitere Anreize schaffen. Wer den Klimabonus zum Beispiel für einen klimafreundlichen Kühlschrank ausgibt, der bekommt noch was dazu, dann wird der Kühlschrank noch günstiger.

In Österreich wird bereits ein Klimabonus ausgezahlt. Warum gibt es das noch nicht in Deutschland, wo liegen die Hürden?

Der deutsche Datenschutz ist sehr streng, das ist nicht so einfach. Der Staat hat nicht von jeder Person in Deutschland eine Kontonummer, das wurde so nie erhoben. Bei der aktuellen Diskussion um Entlastung beim Gaspreis zum Beispiel wissen wir eben auch nicht, wie viele Menschen in einem Haushalt wohnen und mit welchem Energieanschluss, das macht gezielte Entlastungen schwierig. Man kann es auch nicht über den Arbeitgeber abwickeln, denn nicht jeder arbeitet – wie werden dann Rentner oder Studierende entlastet? Es gibt Vorschläge, es ist nicht so, dass da nichts passiert. Aber es geht schleppend voran. Vielleicht fehlt es in Deutschland im Moment an Willen, das zügig durchzusetzen.

Welche Konsumanreize sind sinnvoll, welche nicht?

Generell sollten nicht nur Konsumanreize gesetzt werden, die nur eine Personengruppe fördern. Bei E-Autos sehe ich das kritisch. Die Förderung von E-Mobilität ist eine Förderung der Industrie und reicher Haushalte, denn der Normalverbraucher kann sich so ein Auto gar nicht leisten. Auch die Pendlerpauschale ist meistens eine Fördermaßnahme für Gutverdiener. Eigentlich wollen wir doch, dass die Menschen klimafreundliche Verkehrsmittel benutzen. Was animiert sie dazu? Eine Investition in günstigere ÖPNV-Tickets ist sicher sinnvoll. Wir haben es beim 9-Euro-Ticket gesehen, wie gut das angenommen wurde.

Österreich hat es vorgemacht, da gibt es inzwischen das sogenannte Klimaticket.

Ich bin begeistert vom Klimaticket in Österreich, aber man muss schauen, wie so etwas bei uns finanziert werden kann. Der öffentliche Verkehr in Deutschland ist stark unterfinanziert. Bei den Preisen muss man also auch die Kosten für einen besseren Nahverkehr miteinplanen – und die sind gewaltig. 9 Euro pro Ticket sind einfach zu wenig, um den ÖPNV zu finanzieren und neue Linien zu schaffen. Gerade auf dem Land fahren die Busse oft zu selten oder sind schlecht getaktet. Wenn sich das nicht verbessert, wird man die Leute sicher nicht zur Abkehr vom Auto bewegen, auch nicht, wenn das Ticket nur 9 Euro kostet.

Wenn wir über CO2-Einsparung sprechen, geht es immer um Individualverkehr oder Heizen. Welche Rolle spielen tierische Lebensmittel?

Bisher werden Lebensmittel bei der CO2 Bepreisung noch nicht berücksichtigt. Es ist schwer zu messen, wie viel Treibhausgase in der Produktion von Lebensmitteln erzeugt werden. Da fließt mit ein, ob die Tiere auf der Weide stehen, welches Futter sie bekommen, wie die Schlachtung abläuft – das ist hoch komplex. Für eine sinnvolle Bepreisung fehlen da momentan noch wissenschaftliche Erkenntnisse. Bei einer pauschalen Bepreisung, unabhängig vom konkreten Ausstoß, besteht die Gefahr, dass man nicht-nachhaltiges Verhalten fördert. Legt man auf alle Produkte eine Steuer obendrauf, steigen die Verbraucher vom ökologisch guten Fleisch zu billigerer Ware aus schlechterer Produktion um, da ändern Menschen ihr Einkaufsverhalten sehr schnell.

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Wie optimistisch sind Sie, dass wir 2-Grad-Ziel einhalten?

Es ist eine Herausforderung, aber als Wissenschaftlerin muss man optimistisch sein. In jüngeren Generationen ist die Unterstützung für den Klimaschutz sehr groß, da ist viel Potenzial an zukünftigen Klimaaktivisten. Ich glaube, durch bessere Kommunikation können wir noch mehr Menschen dafür gewinnen. Vor allem die Politik ist gefragt die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Menschen sich klimafreundlich verhalten können. Da ist noch Luft nach oben.

Über die Expertin:
Dr. Antonia Schwarz ist Klimaökonomin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Ihre Forschung konzentriert sich auf die CO2-Besteuerung und wie sich die Mehrbelastung durch steigende Energiepreise sozial abfedern lässt.

Verwendete Quellen:

  • Telefoninterview mit Dr. Antonia Schwarz
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