• Der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates zeigt, wie katastrophal die Auswirkungen der Zivilisation auf das Klima sind.
  • Doch viele Forscher sind weiterhin optimistisch, dass wir eine Trendwende schaffen können.
  • Wir zeigen, welche Chancen bestehen, den Klimawandel nun konkret zu bekämpfen.

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“The time for action is now.“ So steht es auf der Website des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), umgangssprachlich auch Weltklimarat genannt. Am 4. April 2022 hatten die Forscher ihren sechsten Sachstandsbericht veröffentlicht. Darin warnen sie, dass die Treibhausgasemissionen weiterhin ansteigen.

Um das Pariser Ziel von 1,5 Grad Celsius zu erreichen, wäre eine sofortige globale Trendwende notwendig. Dafür braucht es mehr Geld, mehr Ambition und vor allem politischen Willen. Doch unter dem Strich steht auch eine positive Nachricht, denn die Ziele seien weiterhin zu erreichen.

"Das 1,5-Grad-Ziel ist aus meiner Sicht noch erreichbar", sagt auch Hermann Held von der Universität Hamburg. Allerdings schätzt er es bei der derzeitigen Entwicklung "als eher nicht plausibel" ein, dass dies gelingen wird. Dabei verweist er auf den ersten "Hamburg Climate Futures Outlook", einen Bericht, in dem sich Forscher der Universität Hamburg mit plausiblen Klimaszenarien auseinandersetzen.

IPCC-Bericht zeigt: Klimaschutz ist oft sehr kostengünstig

Das 2-Grad-Ziel schätzt Held als "um eine Größenordnung realistischer" ein. Klar sei jedoch, dass dieses Ziel nicht ohne Politikmaßnahmen erreichbar sei, sagt Held mit Bezug auf die Untersuchungen des IPCC.

Welches sind aber nun die konkreten Ansätze, die besonders vielversprechend sind? Denn auch das zeigt der IPCC-Bericht: Die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen sind durchaus unterschiedlich. Das gilt ebenso für die Resultate, wie auch Hermann Held aufzeigt: "Der IPCC-Bericht weist aus, dass Mitigation (Verringerung der Treibhausgasemissionen Anm. d. Redaktion) global gesehen ökonomisch Zugewinne an Gesundheit bringen kann, die die Klimaschutz-Kosten aufwiegen."

Der IPCC-Bericht sieht fünf wesentliche Felder, die Ansätze zur Mitigation bieten: Energie, Land- und Forstwirtschaft, Bau, Transport und Industrie. Vor allem bei Energie und Landwirtschaft sehen die Forscher extreme Potenziale. Nur ein paar Beispiele: Mit einem konsequenten Einsatz von Wind- und Sonnenenergie ergäben sich bis 2030 Einsparpotenziale von ca. 4 Gigatonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr. Das Faszinierende dabei: Diese Einsparungen wären extrem kostengünstig zu erreichen.

Was der Einzelne tun kann, um den Klimawandel aufzuhalten

Ähnlich hohe Potenziale sieht der Bericht in der Landwirtschaft, etwa durch den Verzicht auf Rodungen und verstärkte Bindung von Kohlenstoffemissionen. Die Kosten wären in diesem Bereich allerdings etwas höher.

Denn auch das zeigt der Bericht: CO2-Einsparpotenziale gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist allerdings nicht immer gleich. Vieldiskutierte technische Lösungen, wie etwa die Speicherung und Weiterverwendung von CO2-Abgasen (CCU) bewertet der Bericht eher kritisch. Während im Bereich Transport auch der Einzelne beitragen kann, und das durch relativ wenig Aufwand und mit geringen Kosten. Zum Beispiel, indem man auf kraftstoffsparende Autos umsteigt oder gleich auf öffentliche Verkehrsmittel.

"Neu ist im letzten IPCC-Bericht u.a., welchen Raum die Rolle der Nachfrageseite unseres Konsums einnimmt", so Held. "Möglicherweise wurde dies bislang unterschätzt."

Es ist auffällig, dass sowohl im Bericht des Weltklimarates als auch im Hamburg Climate Futures Outlook nicht allein technische oder politische Lösungen im Fokus stehen. Gesellschaftliche Treiber wie Klimabewegungen oder auch der Journalismus werden ebenso als wichtige Faktoren genannt. Und zumindest in liberalen Demokratien ständen den Bürgern diverse Möglichkeiten offen, auf die Politik einzuwirken, sagt Hermann Held, z.B. Briefe an Abgeordnete zu schreiben.

Könnte Deutschland Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel sein?

Mögliche politische Maßnahmen bilden jedoch weiterhin den Schwerpunkt. Und dabei könnte Deutschland gar eine Vorreiterrolle einnehmen. “Eine gelingende Energiewende könnte eine Signalwirkung auf Entwicklungsländer haben, unsere historisch manifestierte Entwicklungsstufe über die fossilen Energieträger zu überspringen und gleich mit Niedrigemissionstechnologien zu arbeiten“, sagt Held.

Held weist auf die Möglichkeit hin, klimaschutzbremsende Mechanismen durch gezielte Politikmaßnahmen zu adressieren und so “aufzulösen“, und fügt gleich ein Beispiel hinzu: “Auf zivilgesellschaftlichen Veranstaltungen nehme ich wahr, dass eine große Desorientierung darüber herrscht, was eine gut gemanagte Energiewende kosten würde und welche konkreten Optionen wir haben. Der jüngste IPCC-Bericht gibt einen Verlust beim Bruttoinlandprodukt von 1,3 bis 2,7 Prozent im Jahr 2050 an. Der Konsumverlust würde dann in derselben Größenordnung liegen. Wären wir bereit, auf Nettogehalt im 1-Prozent-Bereich zu verzichten?“

Experte: Umsetzung des 2-Grad-Ziels wäre kaum noch aufzuhalten

Meist seien Diskussionsteilnehmer überrascht, dass diese Zahl so niedrig sei, sagt Held. Zugleich seien weite Bevölkerungskreise der globalen Gesellschaft ahnungslos in Bezug auf das, was uns bei ungebremstem Klimawandel erwarte. “Es geht also sehr wohl auch um ein Bildungsproblem.“

“Eines zeigt die klimaökonomische Forschung jedoch“ sagt Held und gibt einen positiven Ausblick: “Der Konsens darüber, dass wenigstens ein 2-Grad-Ziel wünschenswert wäre, breitet sich aus. Und sollte nun hierüber weitgehend Einigkeit bestehen, wäre seine Umsetzung 'nur noch' eine Koordinationsaufgabe. Gelänge es der ökonomischen Zunft, eine geeignete Verbindung mit sozialwissenschaftlicher Expertise einzugehen, wäre aus meiner Sicht die Umsetzung des 2-Grad-Ziels kaum noch aufzuhalten.“

Über den Experten:
Prof. Dr. Hermann Held forscht an der Universität Hamburg zum Thema “Nachhaltige Umweltentwicklung“. Er ist IPCC-Delegierter der Bundesregierung.

Verwendete Quellen:

  • Pressemitteilung IPCC: The evidence is clear: the time for action is now. We can halve emissions by 2030. (4. April 2022)
  • Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC): Climate Change 2022, Mitigation of Climate Change, Summary for Policymakers (https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_SummaryForPolicymakers.pdf)
  • umweltbundesamt.de: IPCC-Bericht: Sofortige globale Trendwende nötig (https://www.umweltbundesamt.de/themen/ipcc-bericht-sofortige-globale-trendwende-noetig)
  • Universität Hamburg: Hamburg Climate Futures Outlook 2021 (https://www.cliccs.uni-hamburg.de/de/results/hamburg-climate-futures-outlook/documents/hamburg-climate-futures-outlook-hauptaussagen-de.pdf)
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