• Ägypten baut östlich von Kairo eine neue Hauptstadt und wird dabei finanziell vor allem von China gefördert.
  • Uneigennützig ist das Engagement von Peking dabei allerdings nicht, China verfolgt in der Region schon seit längerem mehrere Ziele.
  • China-Experte Moritz Rudolf erklärt, warum Peking sich an dem Prestige-Projekt beteiligt und was es sich davon erhofft.

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Es ist schon jetzt eine Stadt der Superlative: Sie wird Heimat des größten Parlamentsgebäudes im Nahen Osten, Standort für den höchsten Wolkenkratzer Afrikas und den höchsten Flaggenmast der Welt – Ägypten baut eine neue Hauptstadt für seine Regierung und Verwaltung.

Das Infrastrukturprojekt, das insgesamt knapp 50 Milliarden Euro kostet, soll die Wirtschaft Ägyptens ankurbeln, die jetzige Hauptstadt Kairo um knapp 6 Millionen Einwohner entlasten und das Land moderner machen. Soweit die ägyptischen Ziele.

China finanziert Pracht-Bau

Denn nicht nur Präsident Abdel Fattah al-Sisi verfolgt östlich von Kairo seine Interessen, auch China treibt seinen Einfluss im Nahen Osten voran. Peking finanziert die neue Hauptstadt zu großen Teilen, bis 2027 will Peking rund 9,3 Milliarden Euro investieren.

Beim Prestige-Bau "Iconic Tower", dem 385 Meter hohen Wolkenkratzer, ist das chinesische Unternehmen CSCEC federführend. Die größte Baufirma der Welt hat hunderte chinesische Arbeiter nach Ägypten geschickt. Das Herz der neuen Stadt, das drei Milliarden teure Business-Viertel, wird maßgeblich von China finanziert und in Rekordzeit hochgezogen.

Aufbau eines China-zentrierten Netzwerks

Al-Sisi spricht von der "Geburt eines neuen Staates". Es ist auch die Geburt eines Ägypten, das so enge Verbindungen nach Peking pflegt, wie nie zuvor. "Ägypten ist für China in der Region mit Blick auf Afrika und die arabische Welt ein Schlüssel- und Scharnierstaat", ist sich Moritz Rudolf von der Yale Law School sicher. Ägypten sei ein sehr wichtiger Partner - wirtschaftlich, politisch und strategisch betrachtet.

"Neben ökonomischen Interessen der involvierten Staatsunternehmen erhofft sich China, als guter und verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden", analysiert Rudolf. China setze auf die Karte, dass sich sein Engagement bei positiven Pilot-Projekten in der Region herumspreche. "Mittel- oder langfristig kann so ein neues china-zentriertes Netzwerk entstehen", erklärt Rudolf.

Nicht die einzige Aktivität in Afrika

Kein Wunder, dass der Hauptstadt-Bau nicht Pekings einzige Aktivität in der Region ist: Chinesische Staatsfirmen sind auch beim Aufbau der Infrastruktur involviert, die Exim Bank of China finanziert beispielsweise für 1,2 Milliarden Dollar eine Zug-Strecke zwischen Kairo und der neuen Hauptstadt. China ist zudem der größte Investor bei der Erweiterung des Suez-Kanals, ebenfalls Teil von al-Sisis Modernisierungsprogramm.

"China war in Ägypten auch im Rahmen der Impf-Kampagne aktiv, es gab Kooperationen beim Bau eines Impfstoff-Produktionszentrums", erinnert Rudolf. Dabei habe China das Narrativ verbreiten können, dass ein Staat in Afrika einen Technologie-Transfer erfahren habe. "Ein wichtiges Symbol auf der Soft-Power-Ebene", schätzt der Experte.

Massive Investitionen in der Region

Seit 2014, seitdem al-Sisi an der Macht ist, hat China seine Investitionen deutlich erhöht. Laut einer Studie des Afrika-Zentrums der "Johns Hopkins Universität" erhielt Ägypten zwischen 2015 und 2019 fast fünf Milliarden US-Dollar an chinesischen Geldern – in den zwölf Jahren davor waren es nur 280 Millionen Dollar.

"Solche Projekte erleichtern es Peking, den afrikanischen Markt zu erschließen und Investitionen zu tätigen", sagt Rudolf. Transportwege im Nahen Osten im Rahmen der "Neuen Seidenstraße" hätten für China außerdem eine strategische Bedeutung, wenn es um Exporte nach Europa gehe. "Außerdem will China natürlich seine eigene Energieversorgung sichern", sagt Rudolf. Die Region stellt die Hälfte der zehn größten Öl-Lieferanten Chinas.

Sicherheitspolitische Motive

Beobachter nehmen auch an, dass China sicherheitspolitische Motive verfolgt. 2016 errichtete Peking in Dschibuti die erste Militärbasis im Ausland. "China weiß, dass es Europa nicht gewinnen kann, aber die afrikanischen Länder orientieren sich sowohl Richtung Westen als auch in Richtung China – hier ist etwas zu holen", sagt Rudolf.

China versuche strategisch, die Interessen dieser Staaten zu bedienen. "Dabei geht es oft um Infrastrukturprojekte, an die sich der Westen nicht heranwagen würde", beobachtet er. Es handele sich allerdings nicht um transaktionale Geschäfte nach dem Motto "neuer Hafen" gegen "Stimme im UN-Menschenrechtsrat".

Wortführer für Entwicklungsstaaten

"Gemeinsame Interessen und Interpretationen sind bereits seit Jahrzehnten gewachsen, Kairo und Peking sind sich schon länger nah", sagt Rudolf. Bei Menschenrechtsfragen hätten China und Afrika ohnehin eine ähnliche Perspektive. In den Entwicklungsstaaten stünden traditionell nicht die individuellen Menschenrechte im Fokus, es gehe eher um wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, wie etwa auf Entwicklung oder Gesundheit.

"China ist hier Wortführer für die anderen Entwicklungsstaaten. Durch den wachsenden politischen Einfluss wird dieser Ansatz zementiert", erklärt Rudolf. Das Engagement in Ägypten als Entwicklungsfinanzierung zu münzen, hält der Experte allerdings für die falsche Lesart.

Kooperation auf Augenhöhe

"Ägypten ist nicht nur Teil einer Afrika-Strategie, bei der Peking seinen politischen Einfluss steigert ", sagt er. Die Strategie beschreibt die Entwicklung, dass immer mehr afrikanische Staaten sich für Geld und Investitionen in Chinas Hand begeben.

"Ägypten ist für China sowohl arabisch als auch afrikanisch. Im Nahen Osten baut China auch die Beziehungen zum Iran, zu Israel und zu Saudi-Arabien massiv aus – auf Augenhöhe", sagt Rudolf. Das gelte beispielsweise für Technologie-Kooperation und die Finanzindustrie.

"Es gibt eine Reihe an Beispielen für chinesisches Engagement in der Region: In Algerien hat China den Bau einer großen Moschee unterstützt, in Äthiopien Eisenbahnverbindungen mitfinanziert und in Saudi-Arabien Technologieparks gebaut", sagt Rudolf.

Auch mit dem Iran soll es ein Grundsatzabkommen geben, das in den kommenden 25 Jahren chinesische Investitionen von 400 Milliarden Dollar bringen soll. Welche Form der Gegenleistung Peking auch immer erwartet – sein Einfluss wächst in jedem Fall.

Über den Experten:
Dr. Moritz Rudolf ist Mitarbeiter am Paul Tsai China Center der Yale Law School und forscht zu Chinas wachsendem Einfluss in der internationalen Rechtsordnung. Rudolf studierte Jura, Wirtschaft und Chinesisch in Berlin, Heidelberg und Peking.

Verwendete Quellen:

  • Wirtschaftswoche.de: Hier baut Ägypten in Rekordzeit eine neue Hauptstadt – mit kräftiger Hilfe aus China. 08.05.2021
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