"Wenn Sie wüssten, was wir uns für Gedanken gemacht haben der beiden wegen", erklärt Andrea Kiewel am Sonntagnachmittag vor dem zweiten Auftritt von DJ Robin & Schürze mit ihrem Song "Layla" im "ZDF-Fernsehgarten". Das Problem: wissen die Zuschauer eben nicht. Weil Kiewel die Kritik an dem Lied totschweigt.

Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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"Layla erst in zwei Wochen", stellte Andrea Kiewel in der vorletzten Ausgabe des "ZDF-Fernsehgarten" fest, als eine Zuschauerin bei einem Song-Rate-Wettbewerb fälschlicherweise den aktuellen Malle-Hit von DJ Robin & Schürze erkannt zu haben glaubte. Eigentlich ein harmloser Fehler, aber mit ein bisschen gutem Willen kann man da eine gewisse Vorfreude auf den bisher wohl umstrittensten Song des Jahres hineininterpretieren.

Zur Erinnerung: Der Ballermann-Song "Layla" sorgt seit ein paar Wochen für Wirbel, weil ihm Sexismus, mindestens aber Geschmacklosigkeit vorgeworfen werden. Unter anderem geht es um Zeilen wie diese: "Ich hab’ ’n Puff - und meine Puffmama heißt Layla - sie ist schöner, jünger, geiler." Was folgte, waren Volksfeste, auf denen das Lied nicht gespielt werden sollte, die Schlagzeilen überschlugen sich, Kampagnen wurden gestartet, am Ende konnte sich die Plattenfirma nicht über zu wenig Marketing beklagen und sich gleichzeitig als vermeintliche Verteidigerin der Kunst- und Meinungsfreiheit feiern lassen.

Eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text und der Kritik daran blieb weitgehend auf der Strecke, übrig blieb eine schlichte Zweiteilung in ein Dafür und ein Dagegen und ein Trotz-Verhalten nach dem Motto "Wir lassen uns nichts vorschreiben". Und in dieser Gemengelage sollen also nun DJ Robin & Schürze mit ihrem umstrittenen Song beim "ZDF-Fernsehgarten" auftreten. Damit holt sich das ZDF zwangsläufig die Diskussionen ins Haus und auch die Kritik – ob nun berechtigt oder nicht.

"ZDF-Fernsehgarten": Mallorca gegen Oktoberfest

Das Problem ist auch ein bisschen hausgemacht, denn für die Ausgabe am 31. Juli hat man sich für das Motto "Mallorca gegen Oktoberfest" entschieden und in diese Kategorie fällt "Layla" nun einmal. Der "Fernsehgarten" steckt also in einem gewissen Dilemma: Treten DJ Robin & Schürze nicht auf, jubelt das eine Lager, treten sie auf, das andere. Nun also treten sie auf und daher ist nicht die Frage, ob der Song gespielt wird, sondern wie Kiewel und das ZDF mit dem Auftritt in der Show umgehen. Kleiner Spoiler: gar nicht.

Und als ob man noch ein bisschen Spannung aufbauen wollte, dauert es mehr als 90 Minuten, bis DJ Robin & Schürze dann von ihrer schöneren, jüngeren und geileren Layla singen. Zuvor wird Kiewel dem Motto des Tages gerecht und macht aus dem "Fernsehgarten" einen Wettbewerb zwischen Mallorca und Oktoberfest – als ob es einen Unterschied macht, wo man sich zu düp, düp, düp und la, la, la die Lampen anzündet.

Trotzdem hat man das Publikum ebenso in einen Malle- und einen Oktoberfestblock unterteilt wie die Künstler. Und so singen und spielen unter anderem Voxxclub, die Draufgänger, Königlich Bayrisches Vollgas Orchester und die Dorfrocker gegen Mickie Krause, Tim Toupet, Lorenz Büffel oder Marry. Die haben ihre obligatorischen Auftritte, spielen aber auch in Spielchen gegeneinander, dem Siegerteam winken in der letzten "Fernsehgarten"-Ausgabe am 25. September 30 Minuten Sendezeit.

"Layla" im "Fernsehgarten": Wie reagiert Andrea Kiewel?

Damit das in einigermaßen geordneten Bahnen abläuft, hat man Sport-Kommentator Elmar Paulke gebucht, doch der gesteht, dass er zwar Mallorca liebe, dort aber noch keine einzige Party gefeiert habe. Als dann auch noch Andrea Kiewel erklärt, dass das auch bei ihr zutrifft, kommen Buhrufe aus dem Publikum. Doch so schnell lässt sich ein Malle-Urlauber die Stimmung nicht vermiesen, was aber auch daran liegen mag, dass Kiewel dem Publikum ansonsten gibt, was es verlangt: Remmidemmi und Lieder zum Mitklatschen und Mitgrölen. "Das ist für eine Moderatorin der leichteste Job ever", erklärt Kiewel zwischendrin neben all den Partysong-Interpreten.

Hauptsache knallig: Andrea Kiewels Looks aus 20 Jahren ZDF-Fernsehgarten

Seit 20 Jahren lädt Andrea Kiewel Musik-Acts in den ZDF-Fernsehgarten ein. Auch wenn die Auftritte wohlklingend für die Ohren sind, ist es oft die Moderatorin selbst, die mit ihren Looks zum Star der Sendung wird. © ProSiebenSat.1

"Der leichteste Job ever" ist es aber vielleicht auch deshalb, weil ihn sich Kiewel auch leicht macht und damit wären wir dann auch schon beim Auftritt von DJ Robin & Schürze. Was könnte Kiewel vor dem Auftritt der beiden sagen? Welche Erklärung gibt sie nach all den Diskussionen im Vorfeld ab? Inwiefern nimmt sie inhaltlich Stellung zum Text? Spricht sie vielleicht mit den beiden Interpreten über deren Lied? Berichtet sie über die Abwägungen innerhalb ihres Teams, wie man mit der Situation umgehen soll?

Andrea Kiewel beantwortet all diese Fragen so: "Ich moderiere diese Show seit 22 Jahren und noch niemals hat ein Song im Vorfeld so für Aufregung gesorgt wie dieser", beginnt Kiewel und man wartet, welche Erklärung Kiewel nun abgeben wird. Doch es kommt nichts dergleichen. Stattdessen kündigt Kiewel den Auftritt lediglich als "die aktuelle Nummer eins der deutschen Charts und das seit sechs Wochen" an und erklärt ihn zu "unserem Sommer-Hit 2022". Kritik, Begründung, Erklärung, Klarstellung – Fehlanzeige.

"ZDF-Fernsehgarten" und "Layla": Nicht einfach nichts sagen

Und so "singen" DJ Robin & Schulze von ihrer jüngeren, schöneren und geileren Puff-Mama Layla und das Publikum grölt mit. Als die beiden fertig sind, die Zuschauer aber eine Zugabe fordern, ist Kiewel sofort einverstanden: "Machen wir: Weil wir’s können!" Genau. Weil sie’s können. Und weil sie’s können, dürfen DJ Robin & Schulze am Ende noch einmal mit "Layla" auftreten und den Fernsehgarten beenden. Doch bevor sie das tun, findet Kiewel doch noch ein paar Worte: "Wenn Sie wüssten, was wir uns für Gedanken gemacht haben der beiden wegen – alles cool, ganz viel Liebe geht raus zu Ihnen!" kommentiert Kiewel und genau das ist das Problem.

Denn wir wissen es eben nicht. Weil Kiewel eben nichts dazu sagt. Nun ist der "ZDF-Fernsehgarten" an sich eine ziemlich stumpfe Angelegenheit, in der man keine intellektuellen Diskussionen erwartet, sondern Stampfen und Klatschen im Viervierteltakt. Aber: Sexismus ist keine Sache für theoretische Diskussionen, sondern eine Frage von Haltung und Werten. Und wenn man einem Lied, das so in der Kritik stand wie dieses, eine Bühne bietet, dann gehört es sich, dass man sich auch öffentlich dazu in der Show äußert, egal, ob man diese Kritik nun teilt oder nicht.

Nur zu behaupten, man habe sich Gedanken gemacht, aber nicht zu verraten, welche das waren, ist ein bisschen dünn. Und da das ZDF selbst nicht auf die Idee gekommen ist, darauf in der Show hinzuweisen: In der eigenen Mediathek gibt es die interessante Dokumentation "Deutschlands Sex-Industrie. Das Milliardengeschäft mit der Prostitution". Kann man ja mal angucken, bevor man die Zeilen mit der jüngeren, geileren Puff-Mama Layla mitgrölt – oder deren Interpreten in den "Fernsehgarten" einlädt.

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Verwendete Quellen:

  • ZDF-Mediathek: Dokumentation "Deutschlands Sex-Industrie. Das Milliardengeschäft mit der Prostitution"
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