In ihrer Netflix-Serie erhoben Prinz Harry und seine Frau Meghan jüngst schwere Vorwürfe gegen das Königshaus und die britische Boulevard-Presse. Mit "Prinz und Rebell - Harry gegen das Königshaus" mischte das ZDF am Dienstagabend nun beim Dokumentationen-Wettstreit um den königlichen Knatsch mit. Mit einem bescheidenen, weil einseitigen Ergebnis.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dass es in jeder Familie einmal rumpelt, ist normal. Entweder klärt man das dann ganz schnell untereinander oder man kehrt die Sache einfach unter den Teppich und wartet, bis sie spätestens unter dem Weihnachtsbaum umso heftiger zur Wiedervorlage kommt. So weit, so allen bekannt. Rumpelt es dagegen in einem Königshaus, herrschen andere Konfliktlösungsstrategien: ein Besuch bei Oprah Winfrey, eine Netflix-Serie und zuletzt eine Bestseller-Biografie.

Mehr News zum Thema Adel

Ja, Prinz Harry und seine Frau Meghan greifen auf Möglichkeiten zurück, die man beim Streit mit Tante Inge in der Form nicht hat. Damit ziehen sie aber auch Dritte mit hinein, denn den Schlagzeilen über den Streit innerhalb der Königsfamilie kann man sich kaum entziehen. Die Boulevardpresse selbst freut sich nicht nur über den Streit, sondern scheint auch einseitig Position bezogen zu haben - gegen Harry und Meghan.

Liest man den Begleittext der ZDF-Dokumentation "Prinz und Rebell - Harry gegen das Königshaus", die am Dienstagabend zu sehen war, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich auch Filmemacherin Ulrike Grunewald bereits auf eine Seite geschlagen hat: "Seitdem der zweite Sohn von König Charles III. und seine Frau Meghan Großbritannien 2020 im Streit verlassen haben, lassen die beiden keine Gelegenheit aus, Kritik an der Royal Family zu äußern", heißt es dort zum Beispiel.

"Prinz und Rebell": Der Grundtenor steht von Anfang an

Das ist natürlich ebenso übertrieben wie einseitig. Denn selbst wenn man Rassismusvorwürfe überhaupt lapidar als "Kritik" bezeichnen möchte, berücksichtigt so ein Satz doch in keiner Weise die Gründe für diese "Kritik". Die Rolle des Querulanten ist also von Anfang an vergeben und so wundert es auch nicht, dass die Dokumentation "Harry gegen das Königshaus" und nicht "Das Königshaus gegen Harry" heißt - oder zumindest einen neutralen Titel trägt.

Und die ersten Sekunden der Dokumentation lassen auch nicht darauf schließen, dass sich diese Einseitigkeit in eine Ausgewogenheit wandeln könnte. Dort sind nämlich Bilder von Harry und Meghan bei einer Preisverleihung in New York Ende 2022 zu sehen. Das übliche Prozedere, Fotografen machen Fotos der Gäste am Eingang, es werden von den anwesenden Journalisten Fragen herein gerufen. So weit, so normal, doch die einzige Frage an Harry, die sich die Doku herauspickt, ist: "Ist Geld wichtiger als ihre Familie?"

Der Grundtenor der Dokumentation steht also von Anfang an und im Detail wird in den knapp 45 Minuten der Herzog von Sussex als eifersüchtiger, zu sensibler, machtversessener, überängstlicher, geldgieriger und egozentrischer Querulant dargestellt. Das wird nie so direkt gesagt, aber für dieses Bild wird eine Reihe von Leuten aufgefahren, die als seriöse Quellen dienen sollen. Doch seriös wirkt das alles, vor allem die Kommentare des Off-Sprechers, nicht wirklich.

Lesen Sie auch: Prinz Harrys erstes Mal: Jetzt spricht die "ältere Frau"

Hörbuch-Diagnose, Hobbypsychologie und ein Klatsch-Reporter

Da ist zum Beispiel die Psychotherapeutin Lucy Beresford, die sich die Hörbuch-Version von Harrys Buch anhört und an der Stelle, in der er über den Unfalltod seiner Mutter spricht, sagt: "Das ist Harrys Versuch, seine Geschichte und sein Leben unter Kontrolle zu bringen." Ob die Therapeutin über ihre Hörbuch-Diagnose hinaus selbst mit Prinz Harry gesprochen hat, woher sie seine Motive, Absichten und Gedanken dazu kennt, sagt die Doku nicht. Am Ende der 45 Minuten wird die Therapeutin noch anmaßender, als sie über Harrys Leben im Mittelpunkt sagt: "Das nicht zu haben, wird ihm Angst machen. Er mag sich dagegen auflehnen, aber ich glaube nicht, dass er das für immer aufgeben will."

In diesem Stil geht es weiter, zum Beispiel mit der Journalistin Emily Andrews, die unter anderem über den Umgang des Königshauses mit der Presse spricht: "Sie sehen das pragmatisch. Es ist Teil des Jobs. Harry kann das nicht akzeptieren. Vielleicht weil er nie den Top-Job haben wird. Dennoch musste er die Fesseln seines unerhörten Schicksals als Ersatzmann ertragen, ohne am Ende dafür belohnt zu werden", hobbypsychologisiert da Andrews. Aber vielleicht ist es ja auch nicht das ungerechte Preis-Leistungs-Verhältnis, das Harry stört. Vielleicht kommen seine Vorwürfe, nämlich die Lügen und der Rassismus der Boulevardpresse und die Untätigkeit des Königshauses, seine Frau und ihn zu schützen, ja auch von Herzen.

Russell Myers, ein Vertreter der britischen Klatschpresse, darf in der Doku Folgendes über Prinz Harry und seine Frau Meghan von sich geben: "Sie haben von Beginn an Unruhe verbreitet. Harry und Meghan haben nicht begriffen, wie die Hierarchie der Königsfamilie funktioniert. Alle müssen zusammenarbeiten. Niemand macht nur sein eigenes Ding. Sie aber wollten, dass es nach ihrem Kopf geht. Vielleicht schon von Anfang an." Das ist insofern interessant, da Prinz Harry etwa in der Netflix-Doku ja gerade die fehlende Zusammenarbeit beklagt hat.

Einspruch, Hören-Sagen!

Historiker Robert Lacey wird als weiterer Zeuge dafür angeführt, wer hier in dem Brüder-Streit der Böse ist: "Nicht nur William riet Harry zu mehr Bedenkzeit, das tat auch ihr Onkel, Dianas Bruder Earl Spencer, der immer als eine Art Patenonkel agierte. Aber der Streit brach aus, als William mahnte, nichts zu überstürzen. So wie er es getan hatte. Doch für Harry stand die Liebe an erster Stelle und er geriet außer sich. Ich denke: Im Grunde genommen hatte William mit seinem Einwand Recht." Es ist also William, der alles richtig gemacht hat. Sagt zumindest ein Historiker.

Der Off-Sprecher ordnet die Aussagen nicht etwa ein, sondern haut, nein er hämmert, in genau diese Kerbe mit Beweisen aus dem Bereich Hören-Sagen: "Schon bald nach der Hochzeit sieht sich William bestätigt. Meghan hat Probleme im Umgang mit Palast-Angestellten, die von ihrer fordernden Art zunehmend irritiert sind. Meghan sei anstrengend am Hof", erzählt der Off-Sprecher und entlarvt seine Wort danach selbst: "Die Gerüchte erreichen schließlich die Presse." Eben. Gerüchte.

Solche Sätze sind kein Einzelfall. Als Andrews behauptet, dass die britische Presse ja gar nicht mehr so schlimm sei, darf der Off-Sprecher sagen: "Doch Harry sieht Meghan denselben Gefahren ausgesetzt wie seine Mutter Diana. Seit deren Tod wird die britische Presse strengeren Regeln unterzogen. Unkontrollierte Hetzjagden gehören der Vergangenheit an. Dennoch fühlt sich Meghan ausgeliefert und eingeengt." Was will der Sprecher damit sagen? Dass es nun nur noch kontrollierte Hetzjagden gibt? Dass eine Dokumentation besser als Meghan selbst weiß, ob es angemessen ist, was sie fühlt?

Einseitiges Bild: Nestbeschmutzer gegen Vorzeige-Familie

Fehlt noch die Unterstellung, Geld sei die treibende Kraft hinter Harry und Meghans Handeln. Die darf Camilla Tominey vom konservativen "Daily Telegraph" aussprechen: "Sie haben mehr Publicity in Amerika erzielt, als sie je in Windsor erreicht hätten. Man kann sagen, es gab 100 Millionen Gründe für das Verhalten des Paares seit sie in L.A. sind. Wenn man eine Summe von 30 Millionen Euro für ein Buch bezahlt bekommt, ist das ein überzeugender Grund, es zu schreiben." Ja, ist es. Kann es sein. Vielleicht aber auch nicht. Und genau das ist das Problem an der ZDF-Doku.

Sie basiert auf Einschätzungen, Vermutungen, Unterstellungen. Von Vertretern der Klatschpresse, einer Ferndiagnose-Psychotherapeutin oder eines ehemaligen Bodyguards, der vom kleinen Harry erzählt. Sie unterstellt Motive, die so sein können - oder aber auch nicht. Dieses Problem liegt in der Natur der Sache und hat jede Dokumentation über die Royals. Denn deren Vertreter werden sicher nicht für Interviews zur Verfügung gestanden haben, so dass der Griff zu Sekundärquellen naheliegend und nötig ist.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass sich die Dokumentation nicht zum Ziel gesetzt hat, ein objektives Bild der Lage bei Familie König zu zeichnen. Stattdessen erinnert sie in manchen Passagen eher an eine Gegenoffensive, um die Angriffe der Netflix-Doku und des Buches gegen William, Charles und Co. ins Gegenteil zu kehren, mindestens aber zu entkräften. Hier die unschuldig angegriffenen Royals, dort der mit Dreck werfende Prinz. Und so wundert es nicht, wenn der Off-Sprecher zum Abschluss ein letztes Mal Partei ergreift: "Die Hoffnung der königstreuen Briten, und das ist mit Abstand die Mehrheit, liegt auf der Vorzeige-Familie von Thronfolger William und seiner Frau Kate."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.