Kennen Sie Daniel Wirtz? Genau, das ist der bärtige Typ, der jeden Dienstagabend zwischen den Stars Catterfeld, Naidoo und Co. auf dem Tauschkonzert-Sofa sitzt und deren Lieder singt. Dass er dort völlig zu Recht sitzt, zeigen aber seine eigenen Songs. Denn die konnten gestern Abend noch nicht einmal die Prinzen kaputt machen. Ganz im Gegenteil.

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Daniel Wirtz, der große Unbekannte. Dass den Rocker aus Heinsberg bei Köln selbst seine Couch-Kollegen vorher nicht kannten, kann man ihnen vielleicht sogar verzeihen. Schließlich ist der 39-Jährige mit seinen beiden bisherigen Alben in Deutschland bisher eher unter dem Radar geflogen. Die Plätze 98 und 44 in den Charts - das sind Kategorien, die Leute wie Xavier Naidoo oder Hartmut Engler schon lange nur noch vom Hörensagen kennen.

Und doch war jedem dieser deutschen Superstars am Wirtz-Abend anzumerken, welchen Respekt sie vor diesem Künstler und welche Furcht sie vor der Neuinterpretation seiner Lieder hatten. Denn ein typischer Wirtz-Song, das ist keine Fahrstuhlmusik, sondern harter Independent-Rock mit Texten, die sich das Wort explizit redlich verdienen. Kann so etwas mit Hartmut Engler und den Prinzen gutgehen? Um es vorwegzunehmen: Es kann. Und wie. Der gestrige Abend war das Beste, was die aktuelle Tauschkonzert-Staffel zu bieten hatte.

Meckern auf hohem Niveau

Die Darbietungen des gestrigen Abends zu kritisieren, ist das berühmte Meckern auf hohem Niveau. Dass Hartmut Engler nicht aus seiner Pur-Haut kann, ist inzwischen bekannt. Dementsprechend machte er aus Wirtz' "Overkill" eine leicht verdauliche Schunkel-Nummer im typischen Engler-Gute-Nacht-Geschichten-Stil, zu der man sich auch gerne mal ein Gläschen Rotwein einschenkt.

Das war dann am Ende so viel Pur in einem Lied, das die Seichtheit der TV- und Medienwelt kritisiert, dass sich Hartmut Engler zu der kühnen Behauptung hinreißen ließ: "Wenn mir das eingefallen wäre, hätte ich das bei Pur auch gesungen, ohne Probleme." Ob die Hausfrau aus Bietigheim-Bissingen allerdings Worte wie "inhaltsloser Kack" und "kotzen" gerne auf einem Pur-Konzert hört, sei einmal dahin gestellt. Dass die Englersche Version jetzt nicht ganz Champions League war, muss sich wohl auch Daniel Wirtz gedacht haben: "Du hast es auf jedem Fall komplett zu deinem Song gemacht." Ein echtes Kompliment klingt irgendwie anders.

Für Andreas Bourani hatte Wirtz sogar nur ein "Schön" und ein "Finde es mutig, dass" übrig. In der Tat war die Version von Wirtz' "Ne Weile her" zwar musikalisch eine wahre Freude für alle, die gerne Grunge-Musik in ihrer gedämpfteren Machart lieben. Aber Bouranis Stimme machte die melancholische Düsternis des Songs nur bedingt mit. Es fehlte einfach der Zorn in den Stimmbändern. Man muss wissen, was man kann. Mit enden wollendem Applaus wurde Bourani von der Bühne applaudiert.

Xavier "Butterknie" Naidoo

Das war aber dann auch schon alles, was man an diesem Abend kritisieren könnte. Denn was die anderen Künstler ablieferten, war wirklich erste Sahne. Christina Stürmer legte los wie die Feuerwehr und fing mit ihrer Version von "Mon Amour", in dem Wirtz "eine Liebe begrub, von der er dachte, das sei sie gewesen", genau die Energie dieses Liedes mit all ihrer Wucht auf. Für die gelernte Rockerin eine Leichtigkeit.

Apropos Leichtigkeit: Xavier Naidoo ist ja niemand, der rein stimmlich vor irgendetwas Angst haben müsste. Dass Naidoo vor seinem Auftritt die Beine schlotterten ("Ich war unglaublich nervös"), zeugt also nur vom Respekt, den die Wunderstimme vor dem Rock-Künstler hat. Ob aus Ehrfurcht oder aus Sicherheit, Naidoo blieb nah an Wirtz' Version und die stand ihm exzellent. Es brauchte gar nicht die Wirtzsche Reibeisenstimme, das Lied brachte schon genug Druck mit, um Naidoo in einen glaubwürdigen Alternative-Sänger zu verwandeln. Wenn einmal ein Lied Xavier Naidoo trägt und nicht umgekehrt, dann muss schon einiges an Kompositionskunst dahinter stecken.

Catterfeld und das A-Wort

Wer das schon für eine Überraschung hält, der hätte sich gestern die Prinzen anhören sollen. Die beiden Leipziger in Vertretung ihrer Kollegen hatten ja bis dahin schon das ein oder andere Lied zu Boden gesungen. Die Fallhöhe war also recht niedrig. Dass sie diesmal nicht nur nicht schlecht, sondern sogar richtig gut waren, lag schon an der Songauswahl. Die beiden suchten sich "Hier" aus, ein Lied, das Wirtz für seine Mutter geschrieben hatte und das er als "sehr nah an süß" bezeichnete. Krumbiegel und Künzel machten aus der Ballade eine Version mit Elektro-Spielereien und Duett-Harmonien und das Ganze so authentisch, dass man, als sich die beiden am Ende bei den Händen fassten, sich richtig den kleinen Sebastian und den kleinen Tobias vorstellen konnten. Besser konnten die Prinzen einen Nicht-Prinzen-Song nicht singen.

Den Vogel abgeschossen, im positivsten Sinne des Wortes, hat dann aber wieder einmal Yvonne Catterfeld. Sie versuchte gar nicht erst ein Lied wie L.M.A.A. als die schnelle Rock-Nummer, die es ist, zu singen. "Ich mache es auf meine charmante, kühle Art", erklärte Catterfeld ihr Unterfangen. Wer aber jetzt auf "Hihi, die Catterfeld hat Arsch gesagt"-Momente hoffte, der musste sich eines Besseren belehren lassen. Die Erfurterin verwandelte den Rache-Song mit seiner expliziten Wortwahl in eine kluge, süß beschwingte Mitklatschnummer. Seit Annett Louisan hat niemand mehr so charmant das Wort "Arsch" gesungen. Oder wie es Christina Stürmer zusammenfasste: "Yvonne war heute Abend mein Highlight." Das kann man jetzt einfach mal so stehen lassen.

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