Jan Böhmermann ist dort angekommen, wo er immer hinwollte: im ZDF, auf der großen Bühne, mit eigener Band. Doch zum Auftakt von "Neo Magazin Royale" zeigt er sich ungewohnt zahm und lässt vor allem eines vermissen: die gnadenlose Schärfe, für die er gefürchtet ist.

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"Ich sag's wie's ist: Wir machen eine Late-Night-Show", erklärte Jan Böhmermann erst vor Kurzem dem Branchenmagazin "DWDL". Es ging natürlich um sein neues Format "Neo Magazin Royale", oder besser gesagt seine alte Show, die bereits seit 2013 auf ZDF Neo ausgestrahlt wird und ab 6. Februar auch im ZDF-Hauptprogramm läuft (nach der Ausstrahlung in der Mediathek und auf ZDF Neo). Den Begriff "Late-Night-Show" hatte Böhmermann bisher immer vermieden. Zu sehr ist der mit Scheitern verbunden: Thomas Gottschalk, Thomas Koschwitz, Harald Schmidt. Sie alle versuchten es, sie alle mussten irgendwann aufgeben. Wieso also der Sinneswandel? Die Antwort ist simpel: Bei der "royalen" Variante des "Neo Magazins" ist das Label "Late-Night-Show" nicht mehr zu übersehen.

Böhmermann tritt in einem wesentlich größeren Studio vor sein Publikum, größer noch als bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Harald Schmidt. 200 Leute passen in das Gebäude eines ehemaligen Teppichladens. Im Hintergrund bedeckt ein Vorhang die Bühne. Die Menge tobt, die Band um Rapper Dendemann spielt einen Tusch, dann ein paar Witzchen, der klassische Stand-up-Teil, eben alles so wie in einer US-Late-Night-Show. Böhmermann ist sichtlich nervös, endlich steht er da, wo er sich selbst und die versammelte Medienpresse ihn schon seit Jahren sieht. So richtig zünden wollen die Gags aber nicht. Für Böhmermanns Verhältnisse wirkt das alles recht zahm.

Bei Schmidt war es der "Letterman", bei Böhmermann der "Beefträger"

Das ändert sich auch nicht, als er nach dem Intro seinen Schreibtisch erreicht. Der "Beefträger" erscheint. Das kommt einem irgendwie bekannt vor, und ja, auch in der "Harald Schmidt Show" brachte die Briefe "nicht irgendwer", dort brachte die Post der "Letterman". Der "Beefträger" bei Böhmermann bringt aber keine Zuschriften von Zuschauern, sondern Beiträge von Promis, mit denen sich der Moderator angelegt hat. In diesem Fall sind es die Rapper Haftbefehl und Fler. Ersterer hatte Böhmermann auf Facebook als schlechten Abklatsch von Markus Lanz bezeichnet. Als Antwort latscht Böhmermann ganz einfach ins Studio von Lanz und klatscht ihn ab. Der erste gelungene Gag.

Doch das hat Seltenheitswert. Sprudelte das "Neo Magazin" nur so vor verrückten Ideen, bleibt die erste Ausgabe der royalen Variante vorsichtig. Offensichtlich will man das ZDF nicht schon mit der Premiere verschrecken, auch wenn die erst um Mitternacht an einem Freitagabend ausgestrahlt wird. Der denkbar schlechteste Zeitpunkt für Böhmermanns jugendliches Publikum.

"Erstmal nach vorne ficken"

Davon können auch Deichkind nicht ablenken, die ersten Studiogäste, die Böhmermanns neue Show "erst mal nach vorne ficken" wollen. Das bleibt Wunschdenken. Moderator und Band tauschen vor allem Höflichkeiten aus. Das kennt man aus der "Tonight Show" mit Jimmy Fallon, der es durch seinen geschickten Umgang mit den sozialen Medien zu Weltruhm brachte, aber ein schrecklicher Interviewer ist. Böhmermann hingegen hat bei seiner eigenen Talkshow mit Charlotte Roche bewiesen, dass er das kann. Oder er kann zumindest seine Gäste so gnadenlos in die Enge treiben, dass sie entweder pampig werden oder gleich das Studio verlassen. Bei Deichkind passiert das natürlich nicht. Sie gehören zu den "Guten".

Irgendwann meldet sich ein Mitarbeiter zu Wort: Der Abspann wartet, die erste Ausgabe des "Neo Magazin Royale" ist bereits vorbei. Und hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zehn bis zwölf Sendungen werde man brauchen, um richtig in Fahrt zu kommen, hatte Böhmermann vorsorglich schon im Vorhinein erklärt. So viel Zeit benötigte Harald Schmidt, um sich von seinem Vorbild David Letterman zu lösen. Böhmermann wird das auch gelingen. Wenn er das tut, was er am besten kann: wie ein Kampfhund mit Worten um sich zu geifern. Und wenn ihm das ZDF die Gelegenheit dazu gibt.

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