Der Mittwoch ist immer ein besonderer Tag für die Dschungelcamp-Fangemeinde. Direkt vor der Live-Show um 22:15 Uhr läuft das offizielle Casting für die kommenden fünf Staffeln. RTL tarnt das Rekrutierungs-Programm für D-Promi-Nachwuchs seit vielen Jahren erfolgreich unter dem Label "Bachelor", aber TV-Insider und Trash-TV-Junkies wissen: Es handelt sich eigentlich um eine sendereigene Akademie, die den Kanonenfutter-Nachschub für die verschiedenen absolventenintensiven Bildungsformate sicherstellen soll.

Eine Kolumne
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Von der "Bachelor"-Resterampe wird man normalerweise je nach Qualifikation direkt weiterverteilt auf "Love Island", "Sommerhaus der Stars" und die diversen Sendungsmodelle, die nur per Stream auf RTL Plus laufen, weil die Kandidaten meistens nackt sind oder obszöne Dinge sagen. Oder wenn es schlecht läuft, beides. Und wer sich dort geländegängig genug zeigt, um für möglichst viel Beef, Erotik und Skandale zu sorgen, aber gleichzeitig auf Nazi-Parolen und rassistische Beleidigungen verzichtet, der wird dann früher oder später hochgelobt bis ins Dschungelcamp. Umetikettierung ist übrigens nichts Ungewöhnliches für einen TV-Sender. Beim ZDF läuft unter dem Namen "ZDF-Magazin Royale" beispielsweise sehr erfolgreich eine Wähler- und Wählerinnen-Aktivierungs-Offensive für Annalena Baerbock.

Dschungelcamp: Esoterik-Apokalypse und kein Filterkaffee

Unter der Sonne Südafrikas startet Tag 6 mit einem weiteren Kapitel des beliebten Lagerfeuer-Podcasts mit Bewegtbild "Esoterik-Apokalypse und kein Filterkaffee". Spirituell von seiner intellektuellen Nahtoderfahrung mit Zwischenwelt-Anchorman Harald Glööckler noch bis zur Unterkante seines Cowboyhutes aufgeladen, bekommt Eric Stehfest einen Melancholieschub und sinniert über sein zerrüttetes Elternhaus. Leider kann Tina Ruland nicht schnell genug in ihren Opel Manta steigen, das Gaspedal durchtreten und Vollgas in den Abendhimmel brettern und muss sich die gesamte Story anhören. So fühlt es sich vermutlich an, wenn man "Neun Tage wach" ist.

Eric jedenfalls verfällt in einen nicht enden wollenden Offenbarungs-Modus. Der medizinische Fachbegriff dafür lautet übrigens "Laberitis Mangiapanis". Er hat, anders als Harald, allerdings nie in 7.000 Jahre alten Blättern nach seiner Lebensgeschichte gesucht, sondern ein viel weltlicheres Problem. Seit drei Jahren hat er nicht mehr mit seiner Mutter gesprochen: "Ich bin hier, damit mich jemand hört und sieht. Jemand ganz bestimmtes. Meine Mama. Ich habe schon sehr lange keinen Kontakt mehr. Ich möchte ihr hier ein Signal senden". Dafür ist er sogar bereit, etwas zu tun, was im Dschungelcamp traditionell eher selten passiert: "Ich möchte mich entschuldigen, dass ich die Liebe von ihr zu mir angezweifelt habe".

Gut, man hätte natürlich auch zum Telefon greifen oder eine E-Mail schreiben können, anstatt das Thema vor einer wildfremden Manta-Braut vor 65 Kameras zur Late Prime Time der gesamten Nation auszubreiten. Aber andererseits: Wenn jeder immer das machen würde, was schlauer ist, hätten wir eine Impfquote von 98 Prozent bei den über 18-Jährigen. Naja.

Im Namen des Volkes

Fun-Fact: Eric hat drei Jahre nicht mit seiner Mutter gesprochen, Peter Althof drei Jahre nicht mit seinem Sohn. Wenn jetzt also Erics Mutter inzwischen mit dem Sohn von Peter Althof liiert wäre, würden weder Peter noch Eric wissen, dass sich ihre Stammbäume gerade zu einem Glücksrad vereint haben. Kurz bevor auch noch Manuel Flickinger ein Referat über intime Details aus seiner Familienchronik hält, greift RTL mit einer Strafmaßnahme ein. Nach imposanten 85 Regelverstößen in nur fünf Tagen muss jeder Kandidat einen seiner zwei erlaubten Luxusartikel abgeben.

Alle Camper kommen dieser Sanktion umgehend nach. Alle Camper? Nein, eine unbeugsame Anouschka Renzi vergisst kurz, dass sie Tag und Nacht von Kameras umstellt ist und verzählt sich versehentlich beim Einsammeln ihrer Ohrenstöpsel. In dieser Verwirrung verirren sich zwei ihrer acht Ohrenstöpsel in die neben ihrer Liege stehenden Stiefeln. Das Dschungelcamp aber, das ist ähnlich wie bei "Promi Big Brother", kennt keine Gnade, beobachtet jeden Fehltritt und fordert Anouschka unmissverständlich auf, ihren Luxusartikel vollständig abzugeben.

Anouschkas Hutschnur hat nach den verschiedenen Showdowns mit so ziemlich jedem ihrer Mitkandidaten aus den vergangenen Tagen etwa die Konsistenz einer 400 Stunden in kochendem Wasser ausgesetzten Röhrennudel und platzt noch beim Gang ins Sprechzimmer zur Abgabe ihrer Ohrenstöpsel. Sie hat eine Camp-Rivalin als Petze identifiziert und attackiert die vollkommen überraschte Tina Ruland mit Sätzen wie "Ich habe gedacht, du hättest Gefühle in Dir, aber iss nicht!" Anschließend grollt sie für den Rest des Tages ohrstöpselfrei auf ihrer Liege und bilanziert ihre bisherigen Erfahrungen im Dschungelcamp. Ich fasse kurz zusammen: Tina hält sie für eine "Blöde Fo**e!" und auch der Rest des Teams kommt nicht so richtig gut weg: "Was sind das hier für Scheiß-Menschen?"

Ich traf sie irgendwo, alleine am Plumpsklo - Aaaaaaanouschkaaaaa

Als Schauspiel-Ikone und feingeistige Künstlerin hätte man bei Anouschka womöglich ein anderes Sprachniveau vermutet, aber ich muss meiner Chronistinnenpflicht nachkommen und zitiere nur. Noch überraschter als ich ist eigentlich nur noch die vollkommen zu Unrecht beschuldigte Tina. Die denkt, sie steht im Wald. Obwohl – Dschungel und so. Wald. Naja. Egal. Selbst Only-Fans-Koryphäe Tara Tabitha kann es nicht fassen. Sie diagnostiziert bei Anouschka vermehrtes Divengehabe: "Starallüren sind da am Start."

Wobei die Wortwahl auch bei der österreichischen Filip-Pavlovic-Stalkerin nicht unbedingt als stubenrein bezeichnet werden kann. Als sie nach einer übermotivierten Zahnreinigung eine Krone verliert, fällt der Satz "Fuck mein Leben". Und dann noch etwa 357-mal die Vokabel "Scheiße". Mehr Fäkalsprache gibt es eigentlich nur in der WhatsApp-Gruppe der CDU-Bundestagsfraktion, wenn sich mal wieder jemand aus den eigenen Reihen von der AfD als Bundespräsidentschaftskandidat aufstellen lassen möchte.

Anouschkas unberechtigte Gossensprachen-Attacke auf Tina bleibt nicht folgenlos. "Playboy"-Covergirl und Janina-Youssefian-Terminatorin Linda Nobat legt der Berliner Starschauspielerin nahe: "Du hast sie zu Unrecht beschuldigt. Deswegen würde ich dir raten, dich zu entschuldigen." Anouschka bekommt ein wenig Angst, den Bannstrahl der Zuschauer zu spüren zu bekommen und macht sich postwendend auf, Tina ihre Entschuldigung zukommen zu lassen. Diese zeigt sich unnachgiebig, wodurch sich Anouschka zu einem finalen "Ja und du bist Mutter Theresa" hinreißen lässt. Die Entschuldigungsstrategie funktioniert also eher nur so mittel.

Fifty Shades of Blöd

Das ist Deutschlands erfolgreichstem Johnny-Depp-Double allerdings egal: "Ich weiß, dass die mich alle Scheiße finden, aber ich sie auch." Spätestens übermorgen ist sie dann bei "Immer dreimal blöder als wie du!" angelangt. Jedenfalls, wenn sie es so lange unter diesem Haufen unwürdiger Nervensägen aushält, die ihr nicht das Wasser reichen können und vermutlich noch nicht mal eine Theaterausbildung haben. Insgesamt unverständlich für Anouschka, dass die anderen nicht jeden Morgen vor ihr salutieren müssen. Da hat ihr Management den Vertrag aber wirklich ordentlich versemmelt. Da rollen Köpfe, wenn sie Dschungelkönigin ist.

Ansonsten bringt der Tag nicht viele Höhepunkte. Filip Pavlovic hat offensichtlich einige Englisch-Intensivkurse bei Lothar Matthäus absolviert und schickt Linda und Tara mit den Worten "I kiss your ages" in die Prüfung. Nachdem ich mein Sprachzentrum im Großhirn neu kalibriert habe, nehme ich an, er meinte "Ich küsse deine Augen" – seinen Lieblingsspruch. Geküsste Augen oder nicht, sein Motivationsversuch trägt keine Früchte. Linda und Tara schneiden beim "Schrotto Lotto" mit bescheidenen drei Sternen ab. Wobei ich den Namen "Ziehung der Lottoqualen" lustiger gefunden hätte, aber ich erfinde ja auch keine Spiele für Dschungelcamp-Wettbewerbe. Dr. Bob findet beide Namen nicht lustig, denn er spricht immer noch nicht verhandlungssicher deutsch. Dafür erklärt er Tara und Linda noch schnell über die technischen Parameter des Spiels auf und erläutert, dass die beiden während der Prüfung mit "Many dead things" in Kontakt kommen werden. Taras Gesichtsausdruck wirkt dabei ein bisschen so, als würde sie denken: "Nee, echt gar keinen Bock auf meinen Dad!"

Mehr Bock hat sie scheinbar auf etwas, das auf FSK-18-Webseiten gerne als "S/M" kategorisiert wird: "Also ich mag das schon, wenn ich so festgezurrt werde". Tara verkauft also nicht nur gebrauchte Socken, Slips und Fußnägel im Internet, sondern sehnt sich auch nach Züchtigung. Fifty Shades of Blöd. Am Donnerstag gibt es nach diesem eher lauen Tag zumindest in der Prüfung ein absolutes Highlight. Das legendäre Trio-Autofahren mit blindem Fahrer, taubem Beifahrer und stummen Beobachter. Teilnehmen werden Linda Nobat, Anouschka Renzi und Jasmin Herren, denen die Zuschauer per Voting ein paar weitere Fremdscham-Momente spendieren. Ich werde berichten! Bis morgen!

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