Schon die erste Folge der "Bachelorette" ist eine Leistungsschau dessen, was deutsche Fitnessstudios an Schauerlichkeiten hervorbringen. Melissa Damilia kichert alles professionell weg - bis ihr bei der Rosenvergabe das Lachen einfriert.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dating in Corona-Zeiten muss ganz schön schwierig sein. Alle tragen Masken, Tinder ist längst eine Selbstvergewisserungsplattform für glücklich bis gar nicht so glücklich Liierte, das nächste Date kann morgen schon in Quarantäne sein. Was bleibt einem da noch? Stichwort für Melissa Damilia, die neue Bachelorette 2020, die so etwas wie eine Vorreiterin der modernen Anbahnung von romantischen Liaisonen ist. Wenn weder im echten noch im virtuellen Leben etwas geht, muss es eben das Fernsehen richten.

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2019 suchte sie auf "Love Island" die große Liebe für die nächsten zehn Instagram-Posts, in diesem Jahr lieferte sie sich den "Kampf der Realitystars", dazwischen turtelte sie mit dem ehemaligen "Deutschland sucht den Superstar"-Gewinner Pietro Lombardi und Richard Heinze aus der Trash-TV-Soap "Köln 50667".

Rouven: "Arsch zeigen ist mein Markenzeichen"

Sie ist also einiges Leid gewohnt, was ihr bei ihrem neuen Job als Bachelorette zugutekommt. Denn RTL hat wie gewohnt beim Casting der 20 Männer alle Kosten und Mühen gescheut. Schon auf dem Schiff nach Kreta bringt sich die Truppe mit zahllosen Ouzo-Runden in Stimmung für das, was sie in den nächsten Wochen erwartet. Rouven beispielsweise, 31 und Friseur aus Stuttgart, lässt direkt die Hosen fallen. "Arsch zeigen ist mein Markenzeichen", erklärt er.

Was immerhin mehr ist, als der Rest zu bieten hat. Leander gibt an, er könne natürlich Model sein, "es habe sich eben nur nicht ergeben". Manuel, Deutsch-Kubaner, verkündet: "Für mich sind alle Traumfrauen." Was anspruchslos genug für die Bachelorette ist, denn die wünscht sich vor allem einen Mann, der ihr die Tür aufhält und den Stuhl heranrückt. Was aber selbst von den 20 Kandidaten in diesem Jahr zu viel verlangt sein dürfte.

Daniel gibt der Bachelorette Stöckchen

Denen geht es bei "Die Bachelorette" wie in jedem Jahr vor allem um sich selbst. Fremdsprachenkorrespondent Alex hat für den besonderen Anlass seine langen Haare kunstvoll zu einem Dutt verdreht und sich in das beste T-Shirt und die schönste Hose seines elfjährigen Bruders gezwängt.

Emre, der "Johnny Depp von München" versucht seit einigen Jahren, ins Fernsehen zu gelangen, wie seine diversen Social-Media-Kanäle beweisen. Schon 2013 forderte er in einem YouTube-Clip: "Entdeckts mich endlich, holts mich endlich raus!" Jetzt ist es passiert, die dringend nötigen Logopädie-Einheiten, um ihm die Unart abzutrainieren, an jedes Wort ein "s" anzuhängen hat ihm RTL nicht spendiert. Stattdessen untertitelt der Sender sein unverständliches Genuschel, als er das erste Mal vor der Bachelorette steht. Der Erkenntnisgewinn hält sich in Grenzen.

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Zu viele Alpha-Männer

Dieses Dauer-Gaga lässt sich ausnahmslos auf alle 20 Teilnehmer der diesjährigen Staffel der "Bachelorette" ausweiten. Manuel tanzt Salsa zur Begrüßung, Alex überreicht einen Stoffaffen, Esoterik-Fasler Daniel präsentiert ein Stöckchen mit nicht näher definierten Fähigkeiten, Adriano gibt den Macho-Italiener mit Catcall-Blick, solange er noch darf - eine Fuldaer Studentin hat gegen diese offensiven Flirtversuche nah an der sexuellen Belästigung gerade eine Petition gestartet.

Nur was sollen die Teilnehmer der "Bachelorette" dann noch in der Sendung machen, wenn sie nicht einmal mehr das Alpha-Männchen geben dürfen? Sich unterhalten vielleicht? Eine beängstigende Vorstellung. "Bist du das, der so strahlt, oder die Sonne?", fragt Florian zur Begrüßung. Vielleicht ist nicht reden im Zweifelsfall besser.

Ein alter Bekannter bei der "Bachelorette"

Bei so einer Leistungsschau der Oberflächligkeiten ist es schwer, noch einen draufzusetzen. Doch RTL hat vorgesorgt. Leander ist ein "sehr guter Freund" von Schauspieler Richard Heinze, einem der prominenten Verflossenen der Bachelorette. Melissa und Leander kennen sich bis dato zwar nicht persönlich, optimal ist das aber natürlich nicht für weitere laienhaft gespielte Liebesszenen im Fernsehen. Glücklicherweise wird das Hindernis, sprich der "sehr gute Freund", schnell aus dem Weg geräumt und von Leander zum "Bekannten" degradiert. Was ist schon eine lebenslange Freundschaft im Vergleich zu einer potenziellen TV-Romanze? Zumindest in Likes gerechnet.

Melissa vergibt Rosen: Trotziger Abschied eines Kandidaten

Bachelorette Melissa Damilia kichert das alles auf Knopfdruck weg. Wenn sie nicht gerade weint, das erste Mal schon beim Anblick der Villa, in der sie die nächsten Wochen verbringen wird. Sie ist Profi und hat ihre Show-Fassade schon in anderen Formaten perfektioniert. Einmal entgleitet ihr aber doch das Zahnpasta-Lächeln in der ersten Folge der "Bachelorette".

Adriano muss als einziger nach der Rosenvergabe die Show verlassen. Ob er sich noch verabschieden möchte, fragt sie ihn. Grimmig blökt er aus der letzten Reihe zurück: "Auf gar keinen Fall!" Dreht sich um, reißt das Klebeband mit dem Mikro unter dem Hemd hervor, wirft es auf den Boden und verlässt so breitbeinig die Villa, als reite er ein imaginäres Wildpferd. Der einzige Kandidat, der offensichtlich bei vollem Verstand ist, hat gerade "Die Bachelorette" verlassen. Der Rest hat noch ein paar Wochen, die Zuschauer vom Gegenteil zu überzeugen.

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