"Die Begründung des Verfassungsgerichtshofes liest sich wie eine Anklageschrift an die Wahlbehörde." Mit diesen Worten kommentierte ORF-Anchorman Armin Wolf in der ZiB-Sondersendung am Freitag die Annullierung der Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten.

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Zwar wurde kein einziger Hinweis auf eine tatsächliche Manipulation gefunden. Die formalen Verstöße waren in 14 Bezirken dermaßen eklatant, dass eine solche aber durchaus möglich gewesen wäre. "Müssten Sie jetzt nicht zurücktreten", fragte Wolf Innenminister Wolfgang Sobotka. "Nein, weil in 10.000 Sprengeln mit 50.000 Wahlhelfern gut gearbeitet wurde", antwortete dieser. Worauf der Moderator noch einmal nachhakte, woher er, Sobotka, das wisse.

Ein glattes "Nicht Genügend"

Die Wahlbehörde hatte vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Tag der Zeugnisverteilung in Ostösterreich ein glattes "Nicht Genügend" erhalten. Ganz ohne Kritik blieb das richterliche Urteil jedoch nicht. So zeigte sich etwa der Jurist Alfred Noll enttäuscht über die Entscheidung, die für ihn nicht zwingend notwendig gewesen wäre. Dass zukünftig jedoch jede Wahl wegen möglicher Formfehler angefochten wird, kann sich VfGH-Präsident Gerhart Holzinger nicht vorstellen. Eher wird der Spruch die Folge haben, dass auf Punkt und Beistrich darauf geachtet wird, dass derartiges nicht mehr vorkommt.

Die Konsequenzen des Entscheides sind weitreichend und wirken sich auch auf die Medien aus. Denn bisher war es üblich, dass Medienagenturen die Ergebnisse von ausgezählten Gemeinden – in ländlichen Regionen schließen die Wahllokale vielfach schon zu Mittag – erhielten, bevor sie öffentlich bekannt gemacht werden dürfen. Nur dadurch ist es möglich, dass Fernsehen, Radio oder Internetmedien bereits mit der Schließung des letzten Wahllokales über erste Hochrechnungen verfügen. Für den VfGH-Präsidenten ist das jedoch rechtswidrig. Was der renommierte Verfassungsjurist Heinz Mayer wiederum für maßlos übertrieben hält. Fakt ist, dass das Ergebnis der Neuwahlen definitiv erst am Montag bekannt gegeben wird, wenn auch die letzte Stimme ausgezählt ist.

Neuwahlen nicht vor Ende September

Vor Ende September, Anfang Oktober dieses Jahres scheint ein Neuwahltermin kaum möglich zu sein. Der Grund: sämtliche Wahlunterlagen müssen neu geordert und gedruckt werden. Hinzu müssen Vorbereitungen getroffen werden, dass am Tag X auch tatsächlich alles funktioniert. Denn niemand mehr wird sich angesichts der "unglaublichen Schlampereien" zu vorschnellen Handlungen hinreißen lassen. Keine Wahl wird so genau beobachtet werden wie diese. Eines scheint auch schon fix zu sein. Das Duell der beiden Präsidentschaftskandidaten Alexander van der Bellen und Norbert Hofer wird auch diesmal von hitzigen Gefechten geprägt sein. Das bekräftigt auch Günther Ogris vom Sora-Institut, der bisher die Hochrechnungen für den ORF durchführte. "Beide haben die Emotionen auf ihrer Seite", glaubt der Sozialforscher. Wer von den Neuwahlen mehr profitiert, kann noch nicht abgeschätzt werden.

Wahlkampf zehrt an den Nerven

Erste Wahlkampftöne gab es bei der gestrigen ZiB-Sondersendung und dem anschließenden Runden Tisch mit den Klubobleuten der Parteien bereits. So gaben die beiden Wahlkampfleiter Lothar Locke (Van der Bellen) und Herbert Kickl (Hofer) erste Statements ab. Locke ließ anklingen, dass wieder alles versucht werde, die Menschen (gegen Hofer) zu mobilisieren, während Kickl von einem Bundeskanzler (Kern) sprach, der den Vorgänger Werner Faymann links überholt hätte – und auch davon, dass für Hofer ein Referendum wie in England durchaus denkbar wäre. Der Wahlkampf zehrt bereits an den Nerven, ehe er begonnen hat.

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