Noch nie haben so viele US-Amerikaner per Brief abgestimmt wie in diesem Jahr. Das verzögert die Auszählung. Drei Bundesstaaten werden wohl den Ausgang der US-Wahl entscheiden – dort hängt alles von den per Post eingegangenen Stimmen ab.

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Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Drei Bundesstaaten, insgesamt 46 Wahlmänner. Ob Amtsinhaber Donald Trump oder Herausforderer Joe Biden: Wer zwei der drei Staaten im Norden des Landes gewinnt, wird wohl US-Präsident.

Dabei werden die Briefwahlstimmen die Entscheidung bringen. Doch deren Auszählung ist genau das Problem, dauert sie doch wesentlich länger als die der vor Ort abgegebenen Stimmen.

Hunderttausende Stimmen sind nach wie vor nicht ausgezählt. Aus großen Städten Pennsylvanias meldeten etwa Journalisten, dass erst am Morgen nach der Wahl, also am 4. November, (Ortszeit) weiter gezählt wurde. Beim Fernsehsender Fox sagte ein Statistiker, dass er nicht mehr in der Nacht mit einem Ergebnis aus Michigan, Wisconsin oder Pennsylvania rechne.

Auch wenn derzeit noch Trump in den kritischen Bundesstaaten vorne liegt, die Stimmen der Briefwähler könnten dennoch Biden am Ende nach vorne bringen. Große Umschwünge im Laufe der Wahlnacht und noch viel später sind möglich.

US-Wahl 2020: Viel mehr Demokraten wählen per Brief als Republikaner

Laut einer Umfrage der Universität Monmouth von August gaben etwa drei Viertel der Demokraten an, dass sie auf jeden Fall oder voraussichtlich per Brief abstimmen. Wähler von Präsident Trump wollten dagegen eher am Wahltag ihr Votum abgeben. Daten des US Elections Project der Universität von Florida scheinen diese Tendenz zu bestätigen.

Demnach gingen bis zum Wahltag mehr als 65 Millionen Briefwahlstimmen bei den Wahlbehörden ein – mehr als 92 Millionen Wähler hatten eine Briefwahl beantragt, mehr als jeder Dritte.

Für die drei Swing States veröffentlichte das US Elections Project folgende Daten:

  • In Wisconsin gingen bis zum Wahltag mehr als 1,3 Millionen Briefwahlstimmen ein (Rücklaufquote: 89,7 Prozent).
  • Die Behörden Michigan registrierten bis zum 3. November mehr als 2,8 Millionen Briefwahlstimmen (Rücklaufquote: 85,6 Prozent).
  • Für Pennsylvania gibt es noch detaillierte Daten: Dort gingen bis zum Wahltag 2,5 Millionen Briefwahlstimmen ein (Rücklaufquote: 80,9 Prozent). 1,6 Millionen dieser Stimmzettel stammten demnach von registrierten Demokraten, 586.000 von Republikanern. Die restlichen kamen von unabhängigen oder Drittwählern. Biden hat also vermutlich einen Briefwahlvorteil von etwa einer Million Stimmen!

Dazu kommt: In Pennsylvania sowie in Michigan werden die Briefwahlstimmen erst ganz am Ende ausgezählt. Und im besonders umkämpften Pennsylvania nehmen die Behörden Wahlunterlagen sogar noch Tage später an, wenn sie mit einem Poststempel vom 3. November oder früher eingehen.

Eine Klage von Trumps Republikanern dagegen scheiterte vor dem Obersten US-Gerichtshof. Für Wisconsin lehnten die Verfassungsrichter eine Fristverlängerung ab.

Trump diskreditiert Briefwahl

Obwohl gesetzlich festgeschrieben, rügt Trump das Prozedere. "Wir wollen nicht, dass sie um vier Uhr morgens noch Stimmzettel finden und sie zur Liste hinzufügen." Der US-Präsident versuchte damit, wie schon in den vergangenen Monaten die Briefwahl zu diskreditieren, am liebsten diese Stimmen annullieren zu lassen.

Der US-Präsident prangerte fortwährend den angeblichen Betrug mit dieser Art der Abstimmung ab. Für die Behauptung gibt es allerdings keine Belege, Experten und Behördenvertreter widersprachen Trump wiederholt entschieden.

Viele Bundesstaaten hatten wegen Corona die Möglichkeiten zur Briefwahl ausgeweitet. Für die Wahl-Organisatoren ist das eine gewaltige logistische Herausforderung: Sie mussten viel mehr Stimmzettel rechtzeitig verschicken und müssen jetzt viel mehr auszählen als sonst. Die Auszählung von Briefwahlstimmen ist besonders zeitaufwändig, etwa durch das Abgleichen von Unterschriften.

Die Auszählung aller Stimmen könnte in manchen Bundesstaaten Tage oder gar Wochen dauern. Ob Trump oder Biden das Rennen macht, könnte sich erst ganz am Ende entscheiden. Klar ist bis dahin nur: Den USA stehen unsichere Zeiten bevor. (mf/afp/dpa)

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