Nach dem Tod des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny hat sich seine Frau zu Wort gemeldet und dem Kreml vorgeworfen, ihren Mann getötet zu haben. Sie könnte nun eine wichtige Rolle in der russischen Politik einnehmen.

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"Putin hat meinen Ehemann getötet, den Vater meiner Kinder, das Wertvollste, was ich hatte", mit diesen dramatischen Worten richtete sich Julija Nawalnaja in einer Videobotschaft am vergangenen Montag an ihre Landsleute – und die gesamte Welt. Sie wisse, "warum genau Putin Alexej getötet hat" und kündigte an, die Täter in den kommenden Tagen zu identifizieren: "Wir werden Namen nennen, und wir werden Gesichter zeigen."

Die Witwe des Oppositionellen erklärte, ihr Mann sei abermals mit dem Nervengiftstoff Nowitschok vergiftet worden und dass die russische Regierung seinen Leichnam daher unter Verschluss halte, um die Spuren zu verwischen. Sie werde die Arbeit Nawalnys weiterführen, "weiter für unser Land kämpfen", erklärte Nawalnaja. "Ich rufe euch auf, an meiner Seite zu stehen."

"Julija hat mein Leben gerettet"

Der damalige Anwalt Alexei Nawalny lernte die gebürtige Julija Abrossimowa vor rund 25 Jahren bei einem Urlaub in der Türkei kennen. Die beiden verliebten sich, heirateten und bekamen zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Die politische Karriere ihres Mannes unterstützte die Moskauerin als treue Partnerin an seiner Seite. Selbst trat sie zu Beginn hingegen kaum in Erscheinung.

Das änderte sich ein Stück weit als Alexei Nawalny 2020 mit dem Nervengiftstoff Nowitschok vergiftet wurde. Die russischen Ärzte behandelten ihn trotz klarer Anzeichen auf eine Vergiftung nicht entsprechend. Es entstand der Verdacht, der Kreml verhindere lebensrettende Maßnahmen. Nawalnaja ließ ihren Mann, der nun bereits im Koma lag, von Omsk nach Berlin transportieren, um ihn dort in der Charité behandeln zu lassen. Damals wurde sie zu seiner Stimme in der Zeit, in der er selbst nicht sprechen konnte.

Als Nawalny sich auf dem Weg der Besserung in der Reha befand, erklärte er, wie wichtig seine Frau für ihn als mentale Unterstützung war und sagte: "Julija hat mein Leben gerettet." Spätestens jetzt wurde Nawalnaja als "First Lady" der Opposition gehandelt und sogar als mögliche "First Lady Russlands".

Bald wichtige politische Figur?

Nach dem Tod des wichtigsten russischen Oppositionellen ist seine Frau besonders in den Fokus geraten. "Ihr Wort erhält nun eine besondere Bedeutung und ein besonderes Gewicht im Umfeld der Opposition", erklärte die Politikwissenschaftlerin Tatiana Stanovaya auf X (vormals Twitter). Sie habe mit ihrer Ansprache einen klaren Schritt in Richtung einer eigenständigen Rolle in der russischen Politik gemacht.

Auch Sarah Pagung von der Körber-Stiftung sieht das Video als starkes Zeichen von Nawalnaja. Gegenüber unserer Redaktion erklärt die Russland-Expertin: "Sie macht deutlich, dass sie für die russische Opposition und für einen Wandel eine Rolle spielen möchte. Vorher hat sie eher eine Rolle hinter den Kulissen gespielt." Bisher habe sie als seine Partnerin Nawalny während seiner Haft eher vertreten. Nun ist das Video laut Pagung ein Schritt zu einer eigenständigen politischen Figur.

"Den Vorteil, den sie geerbt hat von ihrem Mann, ist die Tatsache, dass sie nicht nur im Westen sehr bekannt ist, sondern auch in Russland selbst", so die Russland-Expertin. Viele Oppositionsfiguren seien in Russland weniger bekannt, da sie im Westen im Exil leben und in ihrer Heimat kaum Einfluss ausüben können. "Sie sind häufig entweder tot, im Ausland oder im Gefängnis." Nawalnaja könnte hingegen nach Russland zurückkehren und dann eine zentrale Rolle spielen.

Nawalnajas Rolle für die Präsidentschaftswahlen in Russland

Auch aktuell sei Nawalnaja noch häufig in Russland, obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt im Ausland hat. Das treffe auf viele andere Oppositionelle nicht zu, sagt Pagung. Für die kommende Präsidentschaftswahl spiele Nawalnajas Auftreten allerdings keine Rolle. Da kandidiere lediglich eine "Fake-Opposition", so die Russland-Expertin. Echte Gegenkandidaten wurden nicht zugelassen. Der einzige Kandidat, der sich wirklich gegen Putin positioniert hatte, Boris Nadeschdin, durfte nach Urteil der russischen Justiz nicht antreten.

"Selbst Trauerbekundungen für Nawalny wurden als oppositionelle Kundgebungen verboten und die Teilnehmer Repressionen ausgesetzt." So gesehen sei kein überraschendes Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl in Russland am 17. März zu erwarten.

Verwendete Quellen:

Über den Gesprächspartner:

  • Dr. Sarah Pagung ist Programmleiterin im Berliner Forum Außenpolitik der Körber-Stiftung.
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