"Anti-Abschiebeindustrie", Herrschaft des Unrechts" - Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, nennt die Rhetorik vor allem von CSU-Politikern in der Asyldebatte "inakzeptabel". Auch wenn emotionalisierte Debatten nichts Neues seien, empfinde er die Diskussionen über Migration als "ziemlich schrill".

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Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat die Sprache von CSU-Politikern in der Asyldebatte gerügt. Ohne diese beim Namen zu nennen, bezeichnete er in der "Süddeutschen Zeitung" zum Beispiel den Begriff "Herrschaft des Unrechts" als "inakzeptabel".

Diesen Begriff hatte CSU-Chef Horst Seehofer verwendet. Diese Rhetorik "möchte Assoziationen zum NS-Unrechtsstaat wecken, die völlig abwegig sind", kritisierte Voßkuhle.

Zum Begriff "Anti-Abschiebeindustrie", den CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit Blick auf Asylanwälte und Flüchtlingshelfer benutzt hatte, sagte Voßkuhle: "Wer rechtsstaatliche Garantien in Anspruch nimmt, muss sich dafür nicht beschimpfen lassen."

Voßkuhle betonte aber auch: "Das Problem des Populismus ist nicht, dass mit harten Bandagen gestritten wird." Emotionalisierte Debatten seien nichts Neues.

Doch Populisten nähmen für sich auch eine Rolle als "unmittelbare Repräsentanten des Volkes" in Anspruch. "Wer sie kritisiert, ist daher ein Feind des Volkes und muss bekämpft werden."

Solche Vorstellungen fänden sich bei vielen der neuen identitären und illiberalen Bewegungen. Demokratische Parteien müssten den Populisten mit "konkreten Handlungsoptionen" Paroli bieten.

Fall Sami A.: Umstände nicht aufgeklärt

Zur möglicherweise rechtswidrigen Abschiebung von Sami A., der früher angeblich Leibwächter des inzwischen getöteten Al-Kaida-Terrorchefs Osama bin Laden gewesen sein soll, wollte Voßkuhle keine abschließende Bewertung abgeben, da die Umstände noch nicht ganz aufgeklärt seien.

Grundsätzlich sagte er aber: "Gerichtliche Entscheidungen, seien sie von erstinstanzlichen Gerichten oder vom Bundesverfassungsgericht, sind von anderen Hoheitsträgern zu akzeptieren und umzusetzen.

Andernfalls ist das ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Versprechen, das wir uns gegenseitig in der Bundesrepublik gegeben haben. Ein Verstoß, der nicht zu tolerieren ist."

Starke Zuwanderung als "Stresstest" für Rechtsstaat

Wenn der Rechtsstaat zum Beispiel durch Terroranschläge oder starke Zuwanderung unter Druck gerate, würden grundsätzliche Fragen gestellt, sagte Voßkuhle. "Das sind Stresstests unter Wirklichkeitsbedingungen."

Die Diskussionen über Migration wirkten auf ihn aber "teilweise ziemlich schrill und sind der Komplexität der Situation nicht angemessen". Dabei werde vom Rechtsstaat auch etwas erwartet, was dieser nicht leisten könne.

"Es ist eben keine Frage des Rechtsstaats, ob man es schafft, eine europäische Lösung der Flüchtlingsfrage zu formulieren. Das ist eine Frage der Politik!" (dh/dpa)

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