Mit dem Rücktritt von Energiestaatssekretär Patrick Graichen hat Wirtschaftsminister Robert Habeck die Reißleine gezogen. Bei "Markus Lanz" versuchte Grünen-Chefin Ricarda Lang, die Wogen zu glätten. Am Mittwochabend geriet sie dabei jedoch nicht nur mit dem ZDF-Moderator aneinander.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die sogenannte "Trauzeugen-Affäre" wirft aktuell ihren Schatten über die Grünen. Nach dem Rücktritt des Energiestaatssekretärs Patrick Graichen wird die Frage laut, wie viel Vetternwirtschaft im von Robert Habeck geleiteten Wirtschaftsministerium schon vorher bekannt war. Bei "Markus Lanz" versuchte Grünen-Chefin Ricarda Lang, die Entscheidungsmechanismen innerhalb ihrer Partei zu erklären und musste sich dabei den kritischen Fragen des ZDF-Moderators stellen.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Für die Grünen war der 17. Mai ein durchaus turbulenter Tag. Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor die Presse trat und die Entlassung seines Vertrauten und Energiestaatssekretärs Patrick Graichen verkündete, wählte er die vorsichtigen Worte: "Es ist der eine Fehler zu viel."

ZDF-Moderator Markus Lanz wollte deshalb am Mittwochabend von Grünen-Chefin Ricarda Lang wissen: "Wie konnte all das dermaßen entgleisen?" Die Politikerin tat im Polit-Talk alles, um Habecks Entscheidung zu erklären. Zudem sprach sie über die anhaltenden Spannungen innerhalb der Ampelkoalition und das drohende Heizungsgesetz, das in den vergangenen Wochen immer wieder für erhitzte Gemüter sorgte.

Das sind die Gäste

  • Ricarda Lang, Politikerin und Grünen-Chefin: "Wenn wir jetzt nichts verändern, gefährden wir auf der Strecke alles."
  • Kerstin Münstermann, Journalistin und Politik-Expertin der "Rheinischen Post": "Jetzt ist Klimaschutz ein Eliteprojekt."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung wollte Markus Lanz von Grünen-Chefin Ricarda Lang wissen, seit wann sie von der Entlassung Patrick Graichens wusste. Statt konkret zu antworten, antwortete die Politikerin eher schwammig: "Ich habe schon ein bisschen früher davon gewusst." Gleichzeitig stellte sie klar, dass Graichen "sich im letzten Jahr sehr verdient um dieses Land gemacht" habe. Dennoch gab Ricarda Lang zu: "Ich bin der Meinung, dass es eine richtige Entscheidung ist, die da getroffen wurde." Laut der Grünen-Chefin sei es "in der Gesamtschau ein Fehler zu viel" gewesen.

Aus diesem Grund begrüße sie die "konsequente Entscheidung von Robert Habeck". Eine Aussage, die ZDF-Moderator Markus Lanz stutzig machte. Er merkte an: "Das war alles, aber konsequent und schnell war das nicht." Journalistin Kerstin Münstermann ergänzte zustimmend: "Eigentlich ist doch die vorderste Aufgabe, den grünen Vizekanzler zu schützen und nicht den Staatssekretär. Deswegen finde ich, war es nicht konsequent, sondern überfällig. Denn am Ende bleibt es an Habeck hängen."

Markus Lanz merkte daraufhin mit kritischem Blick an: "Vergangene Woche haben Sie den Staatssekretär noch verteidigt." Diesen Kritikpunkt wollte Ricarda Lang offenbar nicht unkommentiert lassen. Sie sprach deshalb von "einer Frage von Fehlerkultur" und erklärte, dass der Anspruch natürlich sein sollte, "keine Fehler" zu machen, "aber das wird nicht funktionieren". Teil von Politik sei es auch, "zweite Chancen zu geben", intervenierte Lang. Die Grünen-Chefin weiter: "Am Ende muss man sich eine Gesamtschau anschauen (...) und dann die Reißleine ziehen."

Der ZDF-Moderator ließ dennoch nicht locker und hakte nach: "Haben Sie zu lange gewartet?" Die Grünen-Politikerin antwortete mit ruhiger Stimme: "Ich kann verstehen, dass viele Bürger denken: 'Warum nicht früher?' Aber ich finde es richtig, nicht willkürlich und überhastet eine Entscheidung zu treffen." Kerstin Münstermann stellte daraufhin klar, dass Patrick Graichen seinen Posten "nach politischen Maßstäben" selbst hätte räumen sollen." Darauf wollte Ricarda Lang nicht weiter eingehen und sagte prompt: "Jetzt ist doch der Moment, nach vorne zu schauen." Sie versprach in dem Zusammenhang bei "Markus Lanz", innerhalb der Partei zu erörtern, wie "unsere Kontrollmechanismen" verbessert werden können.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Ein Verspechen, bei dem Markus Lanz offenbar nur müde lächeln konnte. Er fällte daher das harsche Urteil: "Offenbar gibt es da ja gar kein Unrechtsbewusstsein." Gleichzeitig stellte er in der Sendung klar, dass der Skandal um Patrick Graichen die Grünen erneut "angreifbar" mache - und das kurz nach dem Eklat um das Heizungsgesetz. "Was auffällt, ist, dass die SPD und FDP Sie vollkommen im Regen stehen lassen", sagte der ZDF-Moderator mit Blick auf Ricarda Lang.

Die Grünen-Chefin ließ sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen und stichelte gegen ihre Kollegen in der Ampel-Regierung: "Wir hatten eine Einigung innerhalb des Koalitionsvertrags, wir hatten eine Einigung innerhalb des Koalitionsausschusses, wir hatten eine Einigung innerhalb des Kabinetts. Ich glaube, da gibt es einen verständlichen und richtigen Wunsch nach Verlässlichkeit auch bei den Bürgern, zu sagen 'Kommt das oder kommt das nicht?'. Und ja, es kommt." Ricarda Lang ergänzte selbstbewusst: "Wir haben uns auf was geeinigt, und mein Ziel ist, dass vor dem Sommer dieses Gesetz durch das Parlament geht."

Eine Aussage, die Markus Lanz sichtlich überraschte. Er fragte ungläubig: "Noch vor dem Sommer und mit Christian Lindner?" Lang entgegnete gereizt: "Ohne ihn wird's kaum gehen!" Der ZDF-Moderator hakte daraufhin nach, warum es die Grünen offenbar so eilig haben: "Hat das damit zu tun, dass 2025 eine Bundestagswahl kommt?" Lanz kritisierte die "Brechstangen"-Politik der Regierung und fügte hinzu: "Der verheerende Eindruck, der entstanden ist: Sie überfordern das Land."

Ein Vorwurf, gegen den sich Ricarda Lang innerhalb der Sendung wehrte und sagte, Deutschland habe eine "Vorbildfunktion" zu erfüllen: "Es geht darum, zu zeigen, dass ein Industrieland klimaneutral werden und seinen Wohlstand erhalten kann." Dem entgegnete Lanz prompt: "Ich finde das Argument, wir müssen Vorbild sein, ehrlich gesagt schwach. Da bin ich lieber in der Lage, meine Heizung zu bezahlen, als Vorbild zu sein!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es trotz der verkürzten Zeit am Mittwochabend, mehrere große Themenkomplexe im Detail zu besprechen. Besonders in der Debatte mit Grünen-Chefin Ricarda Lang ließ der ZDF-Moderator nicht locker und wollte ihr konkrete Aussagen zur Entlassung von Patrick Graichen entlocken - allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Konkreter wurde die Politikerin, als es um das viel diskutierte Thema des Heizungsgesetzes ging. Hier hakte Lanz immer wieder nach und brachte Lang an mehreren Stellen in Verlegenheit.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Der jüngste Skandal um Staatssekretär Patrick Graichen sorgte nicht nur in Berlin für ein politisches Beben. Auch bei "Markus Lanz" musste Grünen-Chefin Ricarda Lang am Mittwochabend Rede und Antwort stehen und versuchte im Gespräch mit Markus Lanz, zu erklären, warum die Entlassung von Graichen erst so spät vonstattenging.

Ähnlich hitzig war die Debatte rund um das Heizungsgesetz, denn auch hier mussten die Grünen in den vergangenen Wochen einige Kritikpunkte einstecken. Bei "Markus Lanz" stellte Ricarda Lang jedoch klar, dass das Gesetz trotz der vielen Unstimmigkeiten innerhalb der Ampelkoalition kommen werde.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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