Rund drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung kann von einer allgemeinen Chancengleichheit zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands weiterhin keine Rede sein. Das zeigt der Jahresbericht der Bundesregierung. Zwar gibt es in einigen Bereichen Fortschritte, doch das strukturelle Grundproblem bleibt: Der Osten muss für Menschen und Unternehmen gleichermaßen attraktiver werden.

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Der Osten hole wirtschaftlich auf, schreibt die Regierung in ihrem neuen Einheitsbericht. Dann kommt ein Aber: Es gebe weiter deutliche Unterschiede zwischen Ost und West - "Und die Menschen im Osten spüren das."

Zwar hätten sich 28 Jahre nach der deutschen Einheit die Lebensverhältnisse im Osten weiter angenähert, heißt es im Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit. Allerdings liege der Osten etwa beim Lohnniveau und der Wirtschaftskraft im Vergleich zum Westen weiter zurück.

Außerdem mangele es an Konzernzentralen großer Unternehmen. Noch immer sei eine deutlich geringere Exportorientierung der ostdeutschen Wirtschaft festzustellen.

Geringere Produktivität, geringere Löhne und Gehälter

Der Bericht liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Das Kabinett befasst sich an diesem Mittwoch damit. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung vor, Wirtschafts-Staatssekretär Christian Hirte, stellt den Bericht am Mittag vor.

Der Strukturunterschied zum Westen schlage sich in den ostdeutschen Ländern etwa in geringeren Forschungs- und Innovationsaktivitäten sowie in einer weniger ausgeprägten Internationalisierung nieder, heißt es in dem Bericht. "Niedrigere Produktivität und fehlende Spitzengehälter treten hinzu."

Der Anfang der 1990er-Jahre erfolgte, teilweise "dramatische Rückgang" der Kinderzahl sowie die damals starke Abwanderung vor allem junger, gut qualifizierter Menschen habe langfristige Nachwirkungen, heißt es weiter.

Trotz eines Anstiegs der Geburtenrate nehme die Einwohnerzahl, insbesondere die Zahl der Erwerbsfähigen, weiter ab. Die Alterung schreite schneller voran als in den westdeutschen Ländern. "Das beeinflusst die Angleichung der Wirtschaftskraft und der Lebensverhältnisse auf vielfältige Weise."

Die Bundesregierung wolle weiter daran arbeiten, vorhandene Strukturschwächen im Osten abzubauen.

Ungünstige Altersstruktur in Ostdeutschland

Die im Vergleich zum Westen Deutschlands ungünstigere Altersstruktur und die in vielen ostdeutschen Gegenden geringere Siedlungsdichte begrenzten bereits heute die Zahl der Fachkräfte.

"In etwa zwei Dritteln aller Berufe hat sich die Situation in den letzten fünf Jahren weiter zugespitzt; dies gilt vor allem in Ostdeutschland."

Der Ostbeauftragte sieht in dem Bericht aber zugleich Fortschritte im Osten. So habe sich der Arbeitsmarkt positiv entwickelt.

Bei der Arbeitslosenquote betrug demnach die Differenz zum Westen Anfang der 2000er Jahre noch mehr als 10 Prozentpunkte, 2017 nur noch 2,3 Prozentpunkte. Außerdem heißt es, Ostdeutschland sei vor allem stark bei der Erforschung von Schlüsseltechnologien.

Nahezu die Hälfte aller Beschäftigten in Ostdeutschland seien Frauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei im Osten deutlich einfacher möglich.

Es bestünden weiterhin Lohnunterschiede, die Durchschnittseinkommen seien niedriger als in Westdeutschland. Die Nettoeinkommen in den neuen Ländern seien jedoch weniger ungleich verteilt als in den alten Ländern.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Hirte, kritisiert, die ostdeutschen Bundesländer würden ausschließlich als Problemfall betrachtet.

"Das ist ärgerlich, weil es den Alltag und die Lebenswirklichkeit der Menschen verzerrt widerspiegelt", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). (mwo/dpa)

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