Die neue Kriminalstudie zu jungen Flüchtlingen überrascht viele Experten in den Ergebnissen kaum – wohl aber die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Prävention von Gewalt. Diese kritisiert Ulf Küch scharf. Der Vizevorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter fordert ein konsequenteres Vorgehen.

Ein Interview
von Fabienne Rzitki

Herr Küch, Sie haben Anfang 2016 Ihr Buch "Soko Asyl" veröffentlicht – und darin über die Flüchtlingskriminalität Klartext gesprochen. Überraschen Sie die Ergebnisse der neuen Studie?

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Ulf Küch: Nein, das sind genau die Ergebnisse, die wir schon 2015 prognostiziert haben. Wir haben es damals wie heute mit drei sehr auffälligen Personengruppen zu tun: Die Nordafrikaner, die seit vielen Jahren in der Kriminalstatistik besonders auffällig sind; die Zentralafrikaner, die vor allem mit Drogenhandel zu tun haben sowie kriminelle Einbruchsbanden vom Balkan. Erst dann kommen die Flüchtlinge als vierte Gruppe dazu.

Aber Professor Pfeiffer hat zusätzlich etwas herausgefunden: Mit dem Zuzug junger Flüchtlinge ist die Zahl der Gewalttaten gestiegen. Wir hatten das schon 2015 kommen sehen und darauf gedrängt, genauer hinzusehen – also ob es sich wirklich um Kinder oder Jugendliche handelt. Oft haben das die Sozialbehörden aber abgelehnt.

Um den Trend aufzuhalten, müsse man auf Maßnahmen setzen wie Sprachkurse, Sport und Betreuungskonzepte, meinen die Autoren der Studie. Kann dies der Prävention dienen oder greift das zu kurz?

Bei den Nordafrikanern ist der Zug abgefahren – aus zweierlei Gründen: Zum einen werden sie nie einen Status als Flüchtling erhalten. Zum anderen sind sie seit Jahren in Deutschland und verhalten sich kriminell. Und wir werden sie auch nicht wieder los, weil uns die Instrumentarien dazu fehlen. Es gibt keine Absprachen mit den Heimatländern, um sie zurückzuführen.

Für junge Flüchtlinge mit anerkanntem Status aber machen solche Maßnahmen absolut Sinn. Wir haben in Braunschweig sehr positive Erfahrungen damit gemacht. Dort wurde ein Sprach- und Integrationsprojekt für junge Flüchtlinge eingeführt. Das ist ein Weg, der konsequent gegangen werden muss. Wenn sich Jugendliche aber sich selbst überlassen werden, ist es kein Wunder, wenn sie auf dumme Gedanken kommen.

Kann Familiennachzug – wie es die Studie vermuten lässt – dazu beitragen, dass Flüchtlinge weniger kriminell werden?

Das ist von Fall zu Fall verschieden. Und der Vorschlag von Professor Pfeiffer greift auch viel zu kurz. Familiennachzug bei bereits kriminell gewordenen Flüchtlinge halte ich für verhängnisvoll, weil wir uns dadurch noch mehr Probleme ins Land holen. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Flüchtlingen, die keine Probleme bereiten, wo der Nachzug gut wäre. Die Studie vergisst zudem die Flüchtlinge, bei denen kein Asylgrund mehr vorliegt. Macht in diesem Fall eine Familienzusammenführung im Heimatland des jungen Mannes nicht viel eher Sinn?

Die Studie behauptet, "Frauenmangel" wirkt sich negativ aus. Er erhöhe die Gefahr, dass sich junge Männer "an Gewalt legitimierenden Männlichkeitsnormen orientieren" …

Das ist eine sehr unglückliche Formulierung und aus kriminalistischer Sicht Unsinn. Frauen in Nordafrika sexuell zu belästigen wird dort genauso geächtet wie in China oder bei uns. Das ist ein absolutes No-Go. Ich halte diese Diskussion für brandgefährlich, weil sie suggeriert, dass man kriminelle Handlungen jetzt entschuldigen will.

Inwiefern kann es helfen, die europäischen Außengrenzen sicherer zu machen – so wie es die Wissenschaftler der Studie fordern?

Einfach die Außengrenzen dicht zu machen, löst das Problem nicht. Da irrt Herr Pfeiffer, da irrt auch die Politik. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn die Nordafrikaner reisen nicht einfach von Tunis oder Marrakesch nach Frankfurt. Da gibt es traditionelle Kontakte in die Communitys nach Spanien oder Frankreich. Europas Freizügigkeit ermöglicht die Einreise nach Deutschland. Und die Kriminellen bleiben hier, die werden wir nicht los.

Professor Pfeiffer spricht sich für ein Rückkehrprogramm aus, in dem Länder finanziell belohnt werden, ihre Landsleute zurückzunehmen. Außerdem sollen nicht anerkannte Flüchtlinge mit Sprachkursen und Lehrgängen unterstützt werden. Kann das funktionieren?

Nein, das ist fern jeder Realität. Die Menschen, die hier sind, werden alles versuchen, zu bleiben. In ihren Heimatländern gibt es keinerlei Perspektiven. Staaten wie Algerien und Tunesien taumeln. Was will man denn da Geld reinpumpen? Damit sich einige Ortsansässige die Taschen vollhauen? Das erweitert die Perspektiven für die Jugendlichen nicht. Dieser Prozess ist von der Politik verschlafen worden. Deutschland hat die Fluchtanreize durch seine hohe wirtschaftliche Prospektivität erst geweckt.

Wenn kriminelle Nordafrikaner bleiben dürften, ließen die sich dann irgendwann integrieren?

Das wird nicht funktionieren – zumindest nicht mit gutem Willen. Denen muss man ganz klar sagen, dass sie sich an die Gesetze zu halten haben. Wer Straftaten begeht, muss dafür geradestehen. Handeln muss Konsequenzen haben. Kriminelle müssen wir abschieben und dafür sorgen, dass sie nicht zurückkommen.

Ulf Küch ist Kripochef von Braunschweig und Stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.
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