Die dramatische Lage an Sammelstelle im Spielfeld hat es wieder gezeigt: In der Flüchtlingskrise fehlt es nicht nur an einer Strategie in der Asylpolitik, sondern auch an gegenseitigen Vertrauen.

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Es sah so aus, als würde die Reise für viele Flüchtlinge auf dieser Straße enden: auf der B67. Nahe der slowenisch-österreichischen Grenze irrten in der vergangenen Woche hunderte Asylsuchende umher, während Autos haarscharf an ihnen vorbeirauschten. Und am nahegelegenen Grenzübergang Spielfeld drängten tausende Flüchtlinge so lange gegen den Zaun, bis die Beamten die Grenze öffneten. Eine Krisensituation, die zu verhindern gewesen wäre, findet Christoph Riedl. Der Geschäftsführer der Diakonie-Flüchtlingshilfe in Österreich glaubt, dass es im Umgang mit Asylsuchenden vor allem an einem fehlt: an Vertrauen.

"Die Menschen sind völlig verunsichert", sagt der Experte, der rund 400 Mitarbeiter in ganz Österreich in der Flüchtlingshilfe koordiniert. Und er meint damit beide Seiten: die Sicherheitsbeamten, die der enorme Zustrom an Flüchtlingen überfordere. Aber auch die Flüchtlinge selbst, die kein Vertrauen in "Menschen in Uniformen" hätten - weder in Polizeibeamte noch in Grenzposten.

Zu wenig Kommunikation auf beiden Seiten

In Spielfeld sei die Situation eskaliert, weil beide Seiten zu wenig miteinander kommunizierten, findet Riedl. Statt auf die Flüchtlinge zuzugehen und sie über Hilfsangebote aufzuklären, hätten die Beamten nur "Dienst nach Vorschrift" gemacht. Vorgesehen war eigentlich, dass die Flüchtlinge in Bussen in Notunterkünfte gefahren werden. Doch die Busse kamen erst nicht - und als sie kamen, habe man den Menschen nicht richtig erklärt, warum sie in sie einsteigen sollten und wohin sie fuhren. Aus Angst, in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden, hätten sich die Flüchtlinge zu Fuß auf den Weg gemacht: Viele seien auf die Schnellstraße gelaufen in der Hoffnung, dort ein Auto in Richtung Deutschland zu erwischen. Andere wiederum kehrten zwar zum Grenzübergang zurück. Dort allerdings schliefen sie unter freiem Himmel. Weil ihnen niemand von den Notunterkünften erzählte, die längst bereit standen.

Die Macht der Straße

"Die dramatischen Szenen in Spielfeld zeigen die Macht der Straße", sagt der Flüchtlingsexperte. Die Flüchtlinge suchten sich in ihrer Verzweiflung neue, eigene Wege. Die Politik müsse unbedingt darauf eingehen: Dolmetscher bereitstellen, mehr informieren, mit den Menschen sprechen. Sonst dürfte auch die jüngste Idee der EU-Kommission kaum Abhilfe in der Flüchtlingsproblematik schaffen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will 100.000 neue Aufnahmeplätze entlang der Balkanroute einrichten. Damit diese auch genutzt würden, brauche es allerdings viel Vermittlungsarbeit, sagt Riedl: Den Flüchtlingen müsse zunächst einmal klar werden, dass diese Orte keine Sackgasse seien - sondern Drehkreuze nach Europa auf dem Weg zu einem fairen Asylverfahren. "So lange das nicht funktioniert, werden sie weiterhin den Landweg auf eigene Faust nutzen - und sich eher auf die Informationen anderer Flüchtlinge verlassen als auf die Informationen von Grenzbeamten oder Polizisten."

Flüchtlinge suchen andere Route

Wie aber ist es überhaupt dazu gekommen, dass sich ausgerechnet in Spielfeld so viele Flüchtlinge sammeln? Ist die Situation an anderen Grenzübergängen in Österreich ähnlich dramatisch? Riedl zufolge ist dem nicht so. Ungarn hat seine Grenzen geschlossen, daher führt die Flüchtlingsroute in Richtung Norden nun über Slowenien nach Österreich. Und führt dazu, dass sich immer mehr Menschen in der Steiermark sammeln - und eben in Spielfeld. Riedl glaubt nicht, dass in nächster Zeit andere Grenzposten ähnlich überlaufen sein werden.

In Spielfeld hat sich die Situation zwischenzeitlich entspannt. Die dortigen Notunterkünfte sind allerdings nur mit notdürftigen Sanitäranlagen und hastig aufgebauten Zelten ausgestattet und daher kaum dazu geeignet, Flüchtlinge länger als ein bis zwei Nächte aufzunehmen. "In der Realität bleiben viele Asylsuchende hier aber viel länger", sagt der Flüchtlingsexperte. An die 10.000 Plätze gebe es inzwischen in den Notunterkünften im ganzen Land. Aber noch immer kein Konzept, wie man Flüchtlinge nun fair verteilen will - in entsprechend dafür ausgelegten Aufnahmestellen. Das Lager in Traiskirchen, in dem Flüchtlinge auf eine Entscheidung in ihrem Asylverfahren warten, stoße jedenfalls an seine Kapazitätsgrenzen. Ein weiteres Lager sei noch immer nicht in Sicht. Und täglich kommen neue Menschen.

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