Am Ende vergeht Robert Habeck das Lachen: Im ZDF-Sommerinterview fordert der Grüne einen früheren Kohleausstieg und eine Kerosinsteuer auf Inlandsflüge. Doch bei den Plänen für die Zukunft ohne Kohle wird es wolkig.

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Wenn sich Shakuntala Banerjee vorgenommen hat, den Ruf ihres Berufsstandes als Grünen-Groupies zu korrigieren, hat sie ihre Mission am Sonntagabend übererfüllt. Als die ZDF-Moderatorin am Flensburger Hafen den grünen Co-Vorsitzenden Robert Habeck zum Sommerinterview begrüßte, lächelte der Überflieger der deutschen Politik noch. 18 Minuten später nicht mehr.

Habeck darf sich noch immer im stabilen Umfragehoch seiner Partei sonnen, aber bislang, um im maritimen Umfeld des Gesprächs zu bleiben, hat der grüne Kutter den Hafen auch nicht verlassen müssen – erst wenn er zu den Landtagswahlen im Osten im Herbst ausläuft, wird sich zeigen, ob die freundliche Großwetterlage anhält.

Denn die Menschen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen wollen Antworten, besonders auf eine Frage, die Banerjee stellvertretend stellt: Wo soll das Geld herkommen, woher die Arbeitsplätze, wenn der Braunkohle-Bergbau abgewickelt wird?

Da wurde es schnell wolkig. Und aus dem klaren Kurs von Habeck, der "reinen Wein einschenken" und den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen will, ein schlingernder Aufbruch ins Ungewisse: "Die neuen Arbeitsplätze werden entlang der neuen industriellen Fertigung entstehen." Ist das ein Gewinner-Slogan? Einer, mit dem Robert Habeck Bundeskanzler werden kann?

Kohleausstieg? Laut Habeck spätestens 2030

Die K-Frage stellt Banerjee sofort, im harmlosen Aufgalopp zum Gespräch, arglos lächelnd reicht sie ihrem Gast einen grünen Ball, darauf ein schwarzes "K" für "Kanzler", Habeck pariert mühelos. "Den Ball gebe ich gleich weiter", und zwar an die Bevölkerung, die werde das "in ihrer Weisheit entscheiden". Wie bei einem Heimspiel üblich, bekommt Habeck auch gleich Gelegenheit, sich von seiner besten Seite zu präsentieren.

Mit dem Fischerverein Flensburg, erzählt der Norddeutsche, habe es am Anfang Zoff gegeben, weil immer wieder Schweinswale als Beifang in den Netzen landeten. Schließlich zahlte die Politik Geräte, die die Schweinswale abschrecken. Das sei zwar immer noch umständlich für die Fischer, aber ein Kompromiss.

Eine schöne Geschichte, die signalisieren soll: Seht her, liebe Wählerinnen und Wähler, so kann es laufen im Kampf gegen den Klimawandel - pragmatische Lösungen trotz ideologischer Gegensätze.

Aber wenn schon bei Partikularinteressen wie denen der Fischer in Flensburg ein dickes Brett zu bohren ist, liegt mit dem Kohleausstieg die Mutter aller Bretterhaufen vor den deutschen Politikern. Und Habeck will ihn noch ein bisschen größer machen.

2038 sei einfach zu spät, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, sagt der Grüne. "Unser Wunsch wäre es, die Kohleverstromung 2030 zu beenden." In die Gänge kommen wolle Habeck, statt wie die Bundesregierung "hinterherzuhumpeln" hinter den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die er auf seiner Wellenlänge ortet.

Habeck mit Breitseite gegen Seehofer

Nicht überall dürfte die Idee eines schneller Kohleausstiegs auf Zuspruch stoßen, vor allem nicht dort, wo im Herbst gewählt wird. "Wie wollen Sie das den Leuten in Ostdeutschland erklären", fragt Banerjee. Und Habeck redet über die Zukunft. Über die Zeit, wenn Ende der 2020er-Jahre, die Unternehmen "vielleicht selbst rauswollen aus der Braunkohle".

Über die Zeit, wenn die Energieversorger auf Erneuerbare umgestellt haben und die "neuen Arbeitswelten entstehen". Ein schönes Szenario, aber wie viel Zuversicht es wohl aufkeimen lässt bei den Menschen in Ostdeutschland, die sich noch an die "blühenden Landschaften" erinnern können, die ihnen mal versprochen wurden?

"Das Prinzip Hoffnung", kommentiert Banerjee durchaus spitz, und sie bleibt im Osten, wo sie die Grünen noch auf einem weiteren Feld im Gegensatz zur Mehrheitsmeinung sieht – in der Migrationspolitik.

Da positioniert sich Habeck allerdings plötzlich als Realo: "Menschen, die keinen Aufenthaltstitel bekommen, müssen abgeschoben werden." Das sei keine Antwort, die den Grünen leicht falle oder sie mit Stolz erfülle, setzt er hinzu, und sendet gleich noch unfreundliche Grüße Richtung Innenminister Horst Seehofer: "Das unterscheidet uns von der Union, wir sagen nicht: An meinem 69. Geburtstag schieben wir 69 Menschen nach Afghanistan ab, was bin ich für ein toller Typ."

Sommerinterview: Nicht einmal Habeck gibt messianische Versprechen ab

Erst gegen Ende des Gesprächs lotste Banerjee ihren Gast noch einmal in vertraute Gewässer, zum Thema Klima, bei dem Habeck endlich volle Kraft voraus fahren durfte. Ob es ohne Co2-Steuer gehe, fragte Banerjee. "Nein", sagte Habeck vehement, fossile Energien müssten teurer werden, die Menschen das Geld über Rückzahlungen und günstigere Strompreise zurückerhalten.

"Sie können also heute garantieren, dass keiner draufzahlen muss?", fragte Banerjee, und Habeck wiegelte ab – präsentierte aber immerhin eine konkrete Idee: Er will eine Kerosinsteuer für Inlandsflüge einführen und mit den Einnahmen die Mehrwertsteuer auf Bahntickets senken. Das würden also am Ende diejenigen zahlen, die innerhalb Deutschlands lieber in den Flieger steigen statt in die Deutsche Bahn.

"Dass niemand betroffen wird, das wäre ein messianisches Versprechen", sagt Habeck, und Banerjee geriet ins Frotzeln: "Das trauen sich nicht einmal sie." Ein launiger, durchaus gewitzter Abschluss des Gesprächs. Aber Robert Habeck lächelte nicht mehr.

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