Immer wieder bezichtigt Donald Trump Journalisten der Lüge. Er beleidigt sie, verkauft sie für dumm. Medienwissenschaftler Stephan Weichert ist überzeugt: Langfristig wird der Präsident damit vor allem sich selbst schaden.

Ein Interview

Herr Weichert, in seiner jüngsten Pressekonferenz hat Trump damit geprahlt, bei seinem Sieg die meisten Wahlmänner seit Ronald Reagan geholt zu haben. Das ist schlicht falsch und denkbar leicht zu widerlegen. Warum redet er so offenkundig Unsinn?

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Stephan Weichert: "Trump leidet offenkundig an Realitätsverlust. Er ist so von sich selbst eingenommen, dass er inzwischen selbst an diese Halbwahrheiten und Lügen glaubt. Dass er die Journalisten damit ärgert, indem er sie für dumm verkauft, mag für ihn ein angenehmer Nebeneffekt sein."

Die jüngste Medienschelte ließ selbst Shepard Smith von Fox-News die Galle hochkommen. Es kann doch nicht in Trumps Sinn sein, selbst einen erzkonservativen und bis dato Trump-ergebenen Sender wie Fox-News gegen sich aufzubringen.

Weichert: "Journalisten behandelt Trump wie eine niedere Paria-Kaste. Er glaubt, sie nach Belieben beleidigen und bevormunden zu dürfen, egal von welchem Medium. Er verhält sich wie ein Diktator, der schlicht und direkt seine Macht demonstrieren will. In seiner Grundaggressivität erinnert mich Trump an einen Bullterrier: Wenn man ihn ärgert, beißt er einem die Hand ab."

Es scheint aber, als würden sich die amerikanischen Medien nicht so leicht ärgern lassen. In den vergangenen Wochen hat man den Eindruck gewonnen, dass zumindest seriöse Medien wie die New York Times oder die Washington Post gerade jetzt extrem ruhig und gewissenhaft arbeiten.

Weichert: "Sich intensiv und gewissenhaft mit Trump zu beschäftigen, ist genau die richtige Waffe. Im Wahlkampf haben viele Journalisten Trump nicht erst genommen und gegen ihn angeschrieben. Damit sind sie gescheitert. Und sie haben aus diesem Fehler gelernt. Jetzt versachlichen sie die Debatte, sind zurück in der Rolle des Rechercheurs, der im Mist wühlt, um Verfehlungen aufzudecken. Sie beweisen, dass dieser Präsident des Amtes nicht würdig ist - und hoffen dabei wahrscheinlich, dass Trump irgendwann über eine Affäre stolpert und abdanken muss."

Die Frage ist nur: Erreichen diese seriösen Informationen alle? Geht Trump nicht auch deshalb so respektlos mit Journalisten um, weil er überzeugt ist, nicht auf sie angewiesen zu sein?

Weichert: "Das Dilemma, dass etablierte Medien breite Teile der Bevölkerung gar nicht mehr erreichen, bleibt. Und natürlich bringt guter Recherchejournalismus wenig, wenn ihn keiner mehr wahrnimmt. Donald Trump erreicht dank seiner gigantischen Zahl an Anhängern in den sozialen Netzwerken so viele Wähler auf direktem Weg wie kein Präsident vor ihm. Dass die klassischen Medien damit übergangen werden, kann für eine Demokratie gefährlich werden. Etablierte Medien müssen deshalb dafür sorgen, dass auch sie ihre Nachrichten über Facebook, Twitter, YouTube, Snapchat und Co. ans Wahlvolk bringen."

Trump bezichtigt die Medien am laufenden Band der Lüge. Zerstört er damit nicht nach und nach ihre Glaubwürdigkeit - auch in Deutschland?

Weichert: "Trump ist wahrscheinlich das Beste, was dem Journalismus passieren konnte, weil er die Relevanz professioneller Berichterstattung bestätigt. Je mehr Fake News auf die Menschen einprasseln und je schwieriger es wird, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, desto wichtiger werden die etablierten Medien als Anlaufstelle für seriöse Informationen werden. Trump wird am Ende eher seine eigene Glaubwürdigkeit und die seines Amtes beschädigen, als die der Zeitungen und Fernsehsender. Weil die Politik in Deutschland nicht so stark personalisiert und das Bildungsniveau in der breiten Bevölkerung höher ist als in den USA, ist das Erfolgsrisiko für Populisten hier nicht so hoch. Aber Skepsis ist durchaus angebracht."

Stephan Weichert ist Professor für Journalismus und Kommunikationswissenschaft und lehrt an der Hamburg Media School sowie an der Macromedia University. Er ist Mitbegründer des Thinktanks vocer.org und der Kampagne #netzwende, die eine nachhaltige Produktion und Distribution journalistischer Inhalte erreichen will.
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