Ein breites Bündnis von 28 Verbänden wirft der Bundesregierung Untätigkeit im Kampf gegen Kinderarmut vor. Sozial-, Wohlfahrts-, Verbraucher- und Kinderschutzverbände sowie Jugendorganisationen und Gewerkschaften kritisierten in einem am Mittwoch veröffentlichten Aufruf den "Stillstand bei der Ausarbeitung einer armutsfesten Kindergrundsicherung".

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Sie forderten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf, "die im Koalitionsvertrag vereinbarte Neudefinition des kindlichen Existenzminimums endlich anzugehen und so den Weg freizumachen für eine Kindergrundsicherung, die vor Armut schützt".

Die Kindergrundsicherung werde sich "schlussendlich daran messen lassen müssen, ob sie in der Leistungshöhe das soziokulturelle Existenzminimum der Kinder tatsächlich abdeckt und sie damit vor Armut schützt", heißt es in dem Aufruf. Mit Ausnahme einiger unverbindlicher Papiere seien jedoch keinerlei Bemühungen des Arbeitsministeriums erkennbar, das kindliche Existenzminimum neu zu definieren.

"Die Kindergrundsicherung muss jetzt, und nicht erst irgendwann, auf den Weg gebracht werden und so ausgestaltet sein, dass sie die Armutszahlen spürbar senkt und sich damit an den tatsächlichen Bedarfen der Kinder und Jugendlichen orientiert", forderte das Bündnis. "Dazu gehört es einerseits, die materielle Absicherung von Kindern und ihren Familien in den Blick zu nehmen, andererseits aber auch, ihre ausreichende Versorgung in den Bereichen Gesundheit, Mobilität, Freizeit und soziale Teilhabe sicherzustellen."

Entsprechend dringend müsse nun auch eine an den tatsächlichen Bedarfen von Kindern ausgerichtete Neubemessung des kindlichen Existenzminimums erfolgen, hieß es in dem Aufruf. "Immer neue Höchststände bei den Kinderarmutszahlen zeigen den dringenden Handlungsbedarf und auch die Notwendigkeit, hier zügig mehr finanzielle Mittel als bisher zur Verfügung zu stellen."

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, betonte: "Mit einer reinen Zusammenfassung der bisherigen Unterstützungsleistungen kommen wir bei der Bekämpfung der Kinderarmut nicht den entscheidenden Schritt voran, den es dringend braucht."

Die Sozialvorständin der Diakonie, Maria Loheide, erklärte mit Blick auf die geplante Kindergrundsicherung, es reiche nicht aus, "Leistungen schlanker und unbürokratischer zu machen". Das Existenzminimum müsse "sauber und realistisch ermittelt werden". So reichten die bisherigen Ansätze für die Ernährung bei weitem nicht aus.

Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch bemängelte, der Regelsatz reiche "nachweislich nicht aus, um sich ausgewogen zu ernähren". Die tatsächlichen Kosten einer gesunden Ernährung müssten "endlich berechnet und in die Kindergrundsicherung eingepreist werden, um allen Kindern die gleichen Chancen für ein gesundes Aufwachsen zu geben".

Die Kindergrundsicherung sorgt seit Monaten für Streit innerhalb der Ampel-Koalition. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) meldete dafür einen Finanzbedarf von zwölf Milliarden Euro ab 2025 an. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält dies für deutlich zu hoch.

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 verschiedene Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag ersetzen. Dies dürfte dazu führen, dass mehr Menschen, die Anspruch auf die Zahlungen haben, diese auch erhalten. Heute ist das oft nicht der Fall, weil Familien ihre Rechte nicht kennen oder die Antragstellung zu kompliziert ist.  © AFP

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