Überflutete oder zerstörte Straßen versperren Rettungskräften den Weg, Menschen harren auf Hausdächern aus und in der Hafenstadt Volos geht das Trinkwasser zur Neige. Die Lage nach den Stürmen in Griechenland spitzt sich zu. Wie groß die Schäden sind, ist aktuell noch nicht abzusehen.

Mehr Panorama-News

Die Hochwassersituation in den von Starkregen betroffenen Gegenden Mittelgriechenlands verschärft sich weiter. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat inzwischen das Militär beauftragt zu helfen. Erstmals konnten im Laufe des Tages Hubschrauber Menschen von den Dächern der Häuser in den überfluteten Gebieten retten.

Derweil stieg die Zahl der Todesopfer auf vier, wobei noch unklar blieb, wie viele Menschen noch vermisst werden. Unter den Vermissten ist in jedem Fall ein Paar aus Österreich, wie das Außenministerium der Austria Presse Agentur bestätigte. Demnach werden "zwei österreichische Staatsbürger am von den Unwettern stark betroffenen Pilion vermisst". Die österreichische Botschaft in Athen und das Honorarkonsulat in Volos stünden in laufendem Kontakt mit den lokalen Behörden, um die Suche bestmöglich zu unterstützen. Über vermisste Deutsche oder Schweizer Staatsbürger ist bisher nichts bekannt.

Das Militär soll auch mit schwerem Gerät wie gepanzerten Fahrzeugen helfen, die zu den isolierten Dörfern vordringen können, wie Regierungssprecher Pavlos Marinakis am Donnerstagmittag sagte. Zudem sollen Militäringenieure behelfsweise Brücken dort installieren, wo welche eingestürzt sind. Jenen, die ihr Hab und Gut in den Fluten verloren haben, werde so schnell wie möglich finanziell unter die Arme gegriffen, versprach die Regierung.

Unwetter und Starkregen haben Griechenland zweigeteilt

In der Region Thessalien regnete es weiterhin – das Wasser habe das Land ziemlich genau zweigeteilt, berichteten griechische Medien. So ist seit Dienstagabend die wichtigste Autobahn des Landes zwischen Athen und Thessaloniki auf einer Strecke von 200 Kilometern gesperrt.

Griechenland
Diese Straße in Volos wurde von den Wassermassen teilweise zerstört. © AFP/STRINGER/Eurokinissi

Die Hafenstadt Volos ist von der Umwelt fast völlig abgeschnitten. Zufahrtsstraßen sind zerstört oder überflutet, auch der Fährverkehr wurde eingestellt. Das Trinkwasser in Supermärkten ging zur Neige – Strom- und damit Wasserversorgung gibt es seit Tagen nicht.

Während der Rest von Griechenland kaum oder gar nicht betroffen ist - etwa die beliebten Urlaubsziele Kreta, Peloponnes, Kykladen und Chalkidiki - bleibt die Lage in vielen Dörfern der Region Thessalien unklar. Die Orte sind von der Außenwelt abgeschnitten. Wegen des schweren Wetters konnten erst im Laufe des Donnerstags Hubschrauber zum Einsatz kommen. Videos in griechischen Medien zeigten waghalsige Rettungsaktionen in der immer noch von stürmischen Winden heimgesuchten Region.

"Thessaliens Flachland ist ein riesiger See", sagte Feuerwehrsprecher Giannis Artopoios dem Sender ERTnews am Donnerstagmittag. Vielerorts stehe das Wasser höher als zwei Meter. Mittlerweile sei auch das Militär mit Schlauchbooten im Einsatz. In der gesamten Region Thessalien leben rund 700.000 Menschen – so gut wie alle seien von der Flut betroffen.

"Wir hatten binnen 36 Stunden gut 5.000 Notrufe, so etwas gab es noch nie", sagte Artopoios. Er bat die Menschen, weiterhin anzurufen – jene, die nicht unmittelbar gefährdet seien, rief er jedoch zu Geduld auf.

Viele Dörfer können nicht erreicht werden

© dpa-infografik GmbH

Die offizielle Zahl der Toten stieg am Donnerstag auf vier, als nahe der Stadt Domokos die Leiche eines Hirten geborgen wurde. Das Opfer sei im Geröll entdeckt worden, teilte die Feuerwehr mit.

Über die Zahl der Vermissten hingegen konnten keine abschließenden Angaben gemacht werden. Zu viele Dörfer konnten noch nicht erreicht werden, auch haben die Menschen in den überfluteten Gebieten mittlerweile oft leere Handy-Akkus und können nicht mit der Außenwelt kommunizieren.

Zwar regnete und stürmte es am Donnerstag in der betroffenen Region weiterhin stark und die Pegel stiegen immer höher, insgesamt aber geben die Meteorologen vorsichtig Entwarnung: Bis zum Donnerstagabend sollen die Regenfälle aufhören.

Dann dürften die gewaltigen Schäden erstmals komplett sichtbar werden, die die schweren Unwetter verursacht haben. Die Bürgermeister der betroffenen Gegenden sprachen gegenüber griechischen Medien von eingebrochenen Straßen und Brücken, von gekappten Stromverbindungen, aber auch zerstörten Häusern und Unternehmen. Die Schäden dürften in die Milliarden gehen.

Menschen müssen sich auf Häuserdächer retten

In der Stadt Karditsa reichte das Wasser vielerorts bis zu den Dächern der Häuser, sodass sich die Bewohner auf die Dächer retten mussten. "Das Wasser ist an manchen Stellen bis zu vier Meter hoch", sagte der Bewohner eines nahe gelegenen Ortes dem Sender Mega. Ihr Dorf sei unzugänglich, die ganze Ebene überflutet, Rettungskräfte könnten nicht kommen.

"Vielleicht mit Hubschraubern, aber wo sollen sie landen? Es gibt kein Land!", sagte ein Mann. Der Einsatz aus der Luft sei wegen der schwierigen Wetterbedingungen und Sturmböen derzeit nicht möglich, erklärte jedoch Feuerwehrsprecher Artopoios.

Mehrere Todesopfer auch in der Türkei

Auch in der benachbarten Türkei wüteten die Stürme. Vor allem im Westen des Landes gab es Überschwemmungen. Die Zahl der Todesopfer stiegt auf acht.

In der Provinz Kirklareli nahe der Grenze zu Griechenland und Bulgarien sei die Leiche eines 53-jährigen Mannes geborgen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Der Mann sei tot in seinem Auto aufgefunden worden. Innenminister Ali Yerlikaya schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter), die Suche nach Vermissten sei damit abgeschlossen.

Am Dienstag war es nach Starkregen zu Überschwemmungen in der griechischen Grenzregion sowie in der Millionenmetropole Istanbul gekommen. In der Provinz Kirklareli kamen insgesamt sechs Menschen ums Leben, in Istanbul zwei. Die Wetterbehörde warnte, am Donnerstagabend könne es zu weiterem Starkregen in der Westtürkei und am Schwarzen Meer kommen. (dpa/tas/ank)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © AFP/STRINGER/Eurokinissi