Die Klimabewegung "Extinction Rebellion" ist in Aufruhr. Ihr Mitgründer Roger Hallam plant den politischen Aufstand und sorgt gleichzeitig mit heftigen Holocaust-Vergleichen für Aufsehen. Wer ist dieser Mann? Eine Spurensuche.

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"Meine Verantwortung ist es, eine Rebellion gegen die Regierungen zu organisieren." Roger Hallam hat, das verdeutlichen seine Worte aus einem "Spiegel"-Interview, ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein.

Das kommt nicht etwa daher, dass der schlanke Mann mit hagerem Gesicht und grauem Haar problemlos in einem Jesus-Christus-Film die Hauptrolle spielen könnte, wie die "Zeit" den 53-jährigen Briten unlängst beschrieb.

Roger Hallam war ein Bio-Farmer

Hallam, ein ehemaliger Bio-Farmer, ist einer der Mitgründer der Klimabewegung "Extinction Rebellion" (XR). Und hält diese wie die britische Regierung seit Wochen gleichermaßen auf Trab.

Denn er sieht sich mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert, weil er wiederholt fragwürdige Holocaust-Vergleiche bemühte und den systematischen Mord an den europäischen Juden im Dritten Reich in den Augen vieler Menschen verharmloste.

Es wirft einen Schatten auf jene Umweltschutzorganisation, die fordert, den weltweiten CO2-Ausstoß bis 2025 auf Nettonull zu reduzieren. "Extinction Rebellion" gilt als größte Bewegung politischen Ungehorsams in der britischen Geschichte.

Mittlerweile gibt es Ableger weltweit, auch in Deutschland. Ungehorsam wollen die Mitglieder zum Beispiel dadurch demonstrieren, indem sie Brücken mit Barrikaden blockieren oder sich, wie in München geschehen, öffentlich ausziehen, um gegen den "Black Friday" zu protestieren.

Er gilt als Ideengeber von "Extinction Rebellion"

Hallam gilt als Ideengeber für den Klima-Aufstand. Er hatte in Wales Bio-Landwirtschaft betrieben, mit 25 Mitarbeitern, wie er erzählte, ehe Extremwetterlagen seine Ernten zerstört hätten. Anschließend schrieb er am renommierten Londoner King’s College an einer Doktorarbeit über zivilen Ungehorsam. Aus Frust?

Fakt ist: Hallam plant, das Wirtschaftssystem durch Aktionen von "Extinction Rebellion" derart zu lähmen, dass Schadstoff-Emissionen erheblich reduziert werden. Es ist ein eigenwilliges, wenn nicht gar surreales Vorhaben. Hallam ist radikal.

"Wir stehen vor der größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Protest muss spürbare wirtschaftliche Konsequenzen haben", sagte er dem "Spiegel": "Wir zerstören gerade (…) vorsätzlich die Träume unserer Kinder. Es gibt kein größeres Verbrechen als das."

Hallam wurde festgenommen

Aktionsformen wie Demos und Lobbyarbeit seien "Schrott, sie haben nicht den nötigen Effekt", erklärte er. "Andere Protestformen haben es in den vergangenen 30 Jahren nicht vermocht, das aufzuhalten. Deswegen brauchen wir massenhaften zivilen Ungehorsam."

Seine Sprache ist martialisch, seine Forderungen sind mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar. Das Thema sei "größer als die Demokratie", erklärte er. "Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant." Das blieb nicht folgenlos.

Am 12. September 2019 nahmen britische Polizisten Hallam vor laufenden Kameras vor einem Londoner Café fest – wegen Störung der öffentlichen Ordnung. Es hieß, die Behörden wollten die geplante Aktion "Heathrow Pause" unterbinden.

Polarisierendes Interview über Holocaust

Hallam hatte dazu aufgerufen, mehrere "Piloten" sollten nahe der Landebahnen des größten Londoner Flughafens Spielzeug-Drohnen aufsteigen lassen und dadurch den Flugverkehr unterbinden. Doch daraus wurde nichts. Hallam, wieder auf freiem Fuß, kehrte in den Süden von Wales zurück und muss sich nun täglich bei der Polizei melden.

In Wales führte er jenes polarisierende Interview mit der "Zeit", das auch die eigenen Anhänger in Aufruhr versetzte. "Genozide sind in den vergangenen 500 Jahren immer wieder geschehen", meinte er: "Um ehrlich zu sein, könnte man fast sagen: Das ist fast ein normales Ereignis." Hallam stellte das Alleinstellungsmerkmal der Judenvernichtung infrage: "Für mich ist es nur ein weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte."

Aufschrei über Roger Hallam war gewaltig

Der Aufschrei war gewaltig. Der prominente Klimaaktivist ein Antisemit? Der Brite entschuldigte sich umgehend, doch da war der Schaden schon angerichtet. Die deutsche Sektion von "Extinction Rebellion" distanzierte sich entschieden.

"Er hat sich in keiner Weise mit uns abgesprochen. Das gilt ebenso für Hallams Aussagen zur Demokratie, zu Sexismus und Rassismus", hieß es bei Twitter.

Hallam hatte vor seinen Holocaust-Vergleichen erklärt: "Anders als klassische linke Bewegungen schließen wir niemanden aus. Auch jemand, der ein bisschen sexistisch oder rassistisch denkt, kann bei uns mitmachen."

Nach seiner Entschuldigung legte Hallam in einem weiteren "Spiegel"-Interview nach. "Der Klimawandel ist nur das Rohr, durch das Gas in die Gaskammer fließt", sagte er.

Welchen Zweck verfolgt er? Sein Sendungsbewusstsein irritiert – mindestens. "Ich wäre ins Gefängnis gegangen – das ist wie mit der Weißen Rose", verglich er sich mit der Münchner Widerstandsbewegung gegen das Nazi-Regime.

Nach Hallam-Aussagen: Wie extrem ist "Extinction Rebellion"?

Nicht nur Mitglieder von XR reagieren verstört. Ein Verlag stoppte bereits die Veröffentlichung seines Buches "Common Sense" in Deutschland. Es bleiben viele Fragen: Zum Beispiel, wie politisch extrem "Extinction Rebellion" wirklich ist? Hallam, ein Einzelfall?

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung ging dieser Frage nach und hielt fest, dass Rupert Read, der Sprecher von XR Großbritannien, "neben einer Kriegsmobilisierung wie 1939/40" gefordert haben soll, menschliche Methoden zu finden, "um die menschliche Population zu reduzieren".

Auch Gail Bradbrook, ein weiteres Gründungsmitglied, stelle sich für den Klima-Aufstand eine "Kriegswirtschaft" vor. Hallam ist offenbar längst in diesen, seinen Krieg gezogen.

Verwendete Quellen:

  • zeit.de: Extinction Rebellion: "Fast ein normales Ereignis"
  • spiegel.de: Roger Hallam: "Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant"
  • spiegel.de: Roger Hallam im Interview: "Ich wäre ins Gefängnis gegangen - das ist wie mit der Weißen Rose"
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