Weltweit ist Europa die sicherste Region für Journalistinnen und Journalisten. Deutschland liegt allerdings nicht mehr in der Spitzengruppe - aber auch, weil sich andere Länder stark verbessert haben. Eine Bilanz zum Welttag der Pressefreiheit.

Mehr Panorama-News

Deutschland ist in der Rangliste der Pressefreiheit das dritte Jahr in Folge abgestiegen. Hintergrund sind die Attacken gegen Medienschaffende, von denen es so viele gab wie noch nie zuvor. Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) sieht die Bundesrepublik auf Platz 21, hinter Ländern wie Slowakei und Samoa.

"Der Abstieg um fünf Plätze ist vor allem mit dem Vorbeiziehen anderer Länder zu erklären, die sich stark verbessert haben", teilte RSF in Berlin zum Tag der Pressefreiheit an diesem Mittwoch mit.

Immer mehr Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten

In Deutschland hingegen wachse die Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten weiter an: "Mit 103 physischen Angriffen dokumentiert RSF den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2015."

Im Kalenderjahr 2021 hatte es laut RSF 80 solcher Angriffe gegeben, 2020 seien es 65 Vorfälle gewesen. "Wie die aktuelle Nahaufnahme zeigt, fand mit 87 von 103 Fällen die Mehrheit der Attacken in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten statt. Obwohl die Corona-Pandemie 2022 abflaute, wurde, teils zu anderen Themen, weiterhin demonstriert, so dass Versammlungen auch 2022 die gefährlichsten Orte für die Presse blieben. Zwei Drittel der Angriffe passierten in Ostdeutschland."

Die Unterdrückung unliebsamer Berichterstattung steigt laut RSF weltweit. "Krisen, Kriege und die anhaltende Ausbreitung des Autoritarismus haben dazu geführt, dass die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so instabil war wie seit Langem nicht."

Pressefreiheit in Asien besonders gefährdet

Die letzten Plätze der Liste belegen durchweg Regime in Asien, etwa Vietnam (178): "Inhaftierte Medienschaffende sind teils entsetzlichen Haftbedingungen ausgesetzt: Sie werden misshandelt, isoliert und bekommen keine ärztliche Versorgung."

Weiter verschlechtert habe sich auch die Lage in China (179): "In keinem Land sitzen mehr Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, aktuell sind es mindestens 100. Mehr als zehn von ihnen könnten im Gefängnis sterben, wenn sie nicht sofort freigelassen werden." Recht erwartbar bleibe Nordkorea (180), wo die Regierung keinerlei unabhängige Berichterstattung zulässt, auf dem letzten Platz.

Ebenso wenig überraschend verschlechterte sich Russlands Position in der Rangliste um neun Plätze auf 164. "Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden fast sämtliche unabhängige Medien verboten, blockiert und als sogenannte ausländische Agenten eingestuft", so die Menschenrechtler.

In Mexiko (Rang 128) wurden 2022 mindestens elf Medienschaffende wegen ihrer Arbeit getötet, so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Zudem gelten dort 28 Journalistinnen und Journalisten als verschwunden, viele von ihnen seit Jahren - ebenfalls ein trauriger Weltrekord.

Justizminister Buschmann: Pressefreiheit schützen ist unsere Pflicht

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte sich besorgt über den Zustand der Pressefreiheit in Deutschland. "Wir sehen leider auch in Deutschland, dass versucht wird, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu behindern", sagte er laut Mitteilung vom Dienstag. "Durch Drohungen und gewaltsame Übergriffe sollen sie eingeschüchtert werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Die Pressefreiheit ist eines der höchsten Güter im liberalen Rechtsstaat. Sie zu fördern, muss unser Ziel sein; sie zu schützen, ist unsere Pflicht."

Auch UN-Generalsekretär António Guterres hob am Mittwoch die Bedeutung der Pressefreiheit als Basis für Demokratie und Gerechtigkeit hervor. "Sie repräsentiert den Lebensnerv der Menschenrechte. Aber in jedem Winkel der Welt ist die Pressefreiheit Angriffen ausgesetzt." Desinformation und Hassreden ließen die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion, Wissenschaft und Verschwörungstheorien verschwimmen, so Guterres. Eine Bedrohung für die Meinungs- und Redefreiheit sieht er in Konzentrationsprozessen in der Medienlandschaft und dem finanziellen Kollaps zahlreicher unabhängiger Nachrichtenorganisationen.

Gefährlich seien auch sich mehrende nationale Gesetze und Vorschriften, die die Arbeit von Journalisten zunehmend einengten. Mindestens 67 Medienschaffende wurden nach Angaben von Guterres im Jahr 2022 getötet, Journalisten und Journalistinnen würden direkt zur Zielscheibe von Angriffen, während sie versuchten, ihrer Arbeit nachzugehen. "Hört auf, Journalisten dafür festzunehmen und zu inhaftieren, weil sie ihren Job machen", rief Guterres die Staatengemeinschaft auf. "Stoppt die Angriffe auf die Wahrheit und diejenigen, die die Wahrheit verkünden." (dpa/thp)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.