Ein Deutscher erschießt in Hanau an mehreren Orten zehn Menschen, fast alle haben einen Migrationshintergrund. Zahlreiche Indizien legen einen rassistischen Hintergrund nahe - doch einige Fragen bleiben zunächst unbeantwortet.

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Bei einem wohl rassistisch motivierten Anschlag hat ein 43 Jahre alter Deutscher im hessischen Hanau zehn Menschen und sich selbst erschossen.

Der Generalbundesanwalt zog den Fall noch in der Nacht zu Donnerstag an sich und ermittelt nun wegen Terrorverdachts.

Was wir über die Gewalttat von Hanau bislang wissen

Tathergang

  • An verschiedenen Orten wurden am Mittwochabend und in der Nacht auf Donnerstag im hessischen Hanau zehn Menschen erschossen und mehrere Menschen verletzt.
  • Die ersten Schüsse fielen den Ermittlern zufolge gegen 22:00 Uhr in der Hanauer Innenstadt, zuerst in einer Shisha-Bar am Heumarkt und kurz darauf in einer weiteren Shisha-Bar in unmittelbarer Nähe.
  • Auch im zwei Kilometer entfernten Stadtteil Kesselstadt sollen Schüsse gefallen sein. Die Tatorte dort: ein Auto und ein Kiosk am Kurt-Schumacher-Platz. Dorthin soll der mutmaßliche Täter mit dem Auto geflüchtet sein.
  • Nachdem sich aufgrund von Zeugenaussagen und Aufnahmen von Überwachungskameras Hinweise auf den Täter ergeben hatten, wurde dessen Wohnung in Hanau-Kesselstadt einige Stunden später von einem Sondereinsatzkommando der Polizei durchsucht.
  • Die Beamten fanden dort den mutmaßlichen Schützen sowie dessen 72-jährige Mutter. Beide wiesen tödliche Schussverletzungen auf. Neben dem mutmaßlichen Täter lag eine Schusswaffe. Es wird davon ausgegangen, dass der Mann erst seine Mutter und dann sich selbst erschossen hat.
  • Der Vater wurde von der Polizei "äußerlich unverletzt angetroffen", wie es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft heißt.

Opfer

  • Insgesamt gibt es elf Todesopfer, darunter die Mutter des mutmaßlichen Täters Tobias R. und er selbst.
  • Sechs weitere Menschen sind verletzt worden, einer davon schwer, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank.
  • Außer seiner 72 Jahre alten Mutter hat R. neun Menschen im Alter von 21 bis 44 Jahren erschossen. Sie alle hatten einen Migrationshintergrund. Unter den Opfern waren laut Generalbundesanwalt sowohl ausländische als auch deutsche Staatsangehörige.
  • Nach Angaben der türkischen Botschaft in Berlin gibt es fünf türkische Staatsbürger unter den Opfern. Ein Sprecher der Botschaft bestätigte einen entsprechenden Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu, die sich auf den türkischen Botschafter in Berlin, Ali Kemal Aydin, berief.
  • Laut der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland waren mehrere Opfer kurdischer Herkunft.

Täter

  • Tobias R. wurde 1977 in Hanau geboren, so schreibt er es auf seiner eigenen Webseite. Demnach hat er eine Ausbildung zum Bankkaufmann in Frankfurt gemacht und anschließend von 2000 bis zu seinem Abschluss 2007 Betriebswirtschaftslehre in Bayreuth studiert.
  • Laut der Polizei war er zuletzt wieder in Hanau gemeldet.
  • R. war laut Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) weder dem Verfassungsschutz noch der Polizei bekannt.
  • Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler war R. nicht vorbestraft. Es gebe auch keine Verfahren mit politischem Bezug gegen ihn, teilte die Bundesanwaltschaft mit.
  • Der mutmaßliche Täter habe wohl allein gehandelt.
  • Nach seiner Erkenntnis sei der Verdächtige Sportschütze gewesen und habe legal Waffen besessen.

Motiv

  • Aus Videos und Dokumenten des mutmaßlichen Schützen ergäben sich laut Generalbundesanwalt Frank "gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund der Tat".
  • Der Tatverdächtige habe auf seiner Internetseite "Videobotschaften und eine Art Manifest" eingestellt, die neben "wirren Gedanken und abstrusen Verschwörungstheorien eine zutiefst rassistische Gesinnung" aufwiesen, sagte Frank.
  • Unserer Redaktion liegen das 24-seitiges Pamphlet - eine "Botschaft an das gesamte deutsche Volk" - sowie ein auf YouTube hochgeladenes Video vor. Beide mittlerweile gelöschten Dokumente zeigen eine deutlich rassistische und antisemitische Weltsicht und Vernichtungsfantasien des mutmaßlichen Mörders.

Was wir nicht wissen

  • Unbekannt ist, wie lange sich das Tatgeschehen hingezogen hat und wo sich der 43-Jährige vor der Tat aufgehalten hat.
  • Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass der Täter seine Tat im Internet live übertragen hat.
  • Unklar ist auch, auf welchen Plattformen der Mann unterwegs war und ob es Mitwisser oder Helfer gab.
  • Auch das Verhältnis zur erschossenen Mutter ist ungeklärt.
  • Unbekannt ist auch, ob der Mann eine psychische Erkrankung hatte.

Lesen Sie auch: Internationale Pressestimmen zum Anschlag in Hanau. Außerdem: Was wir über die Opfer in Hanau wissen.

(mf/dpa/AFP)

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