• Gleich an zwei Orten in Brandenburg haben am Wochenende mehrere Hundert Hektar große Waldbrände gewütet.
  • Nach einem Regen scheinen die Feuer nun unter Kontrolle.
  • Im Interview erklärt der Feuerwehrmann und Waldbrandexperte Steffen Hartig, warum trotz Niederschlag die Gefahr noch nicht gebannt ist und warum die Wälder in Brandenburg besonders anfällig für Feuer sind.
Ein Interview

Bei Treuenbrietzen brannten in der Nacht noch 135 Hektar Waldflächen, im rund 20 Kilometer entfernten Beelitz sogar 200 Hektar. Die Rauchschwaden waren so dicht, dass der Brandgeruch selbst in Dresden wahrzunehmen war. Wie bekommt man so große Feuer unter Kontrolle?

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Steffen Hartig: Wichtig ist, mit höchster Umsicht vorzugehen. In jedem Löschtrupp braucht es jemanden, der fortwährend die Lage beobachtet, der sich umschaut und guckt, wie sich das Feuer und der Wind entwickelt, um notfalls die Einsatzkräfte warnen und dann über einen festgelegten Weg an einen sicheren Ort verlegen zu können. Wenn man anfängt zu löschen, dann nicht irgendwo mitten im Wald, sondern an einem sogenannten Ankerpunkt. Das ist ein Fläche, die vom Feuer nicht umlaufen werden kann, ein breiter Weg oder ein Gewässer. In Beelitz wurde zudem erfolgreich Feuer gegen Feuer eingesetzt.

Wie funktioniert das?

Diese Technik wird in Deutschland bisher kaum genutzt, wird aber weltweit eingesetzt. Man versucht vor der Feuerfront Brennstoff – also Gras, Gestrüpp und Bodenbewuchs – mit kontrolliertem Abbrennen zu entfernen. Schmale Wege oder Bachläufe werden so zu Brandschneisen verbreitert, um dem Feuer die Nahrung zu nehmen. Aus meiner Sicht ist das ein Ansatz, den man in Deutschland viel öfter verfolgen sollte. Denn bei den aktuellen Bränden haben die Streifen, die lediglich nass gehalten wurden, nicht immer gewirkt.

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"Es besteht die Gefahr, dass die Brände wieder aufflammen"

Nach Regenfällen hat sich die Lage am Montag deutlich entspannt. Wie sehr hilft Niederschlag?

Erstmal sehr, dass es jetzt regnet ist eine glückliche Fügung! Die Feuchtigkeit wird angehoben, im Boden und in der Luft.

Ist die Gefahr also gebannt?

Nein. Zum einen können Glutnester in den ausgedörrten Böden, in der Humusschicht, sehr lange überdauern. Es braucht nun regelmäßige Kontrollgänge und intensive Nachlöscharbeiten – über Tage oder sogar Wochen. Bis Regen auch tiefere Humusschichten durchfeuchtet hat, muss es lange regnen. Das ist derzeit nicht in Sicht, laut Wetterberichten kommen Wärme und Trockenheit wieder zurück. Es besteht die Gefahr, dass die Brände wieder aufflammen.

Was begünstigt so große Feuer wie jetzt in Brandenburg?

Da spielen immer zwei Faktoren zusammen: zum einen das Wetter, zum anderen der Brennstoff. In der Region gab eine sehr langanhaltende Trockenheit. In den vergangenen Tagen herrschten sehr hohe Temperaturen mit einer geringen Luftfeuchtigkeit. Dazu war es böig mit ständig wechselnden Windrichtungen. Das hat dazu geführt, dass sich die Feuer schnell ausbreiten konnten und teilweise zu einem Vollfeuer wurden.

Was heißt das?

Vollfeuer heißt, dass die Vegetation vom Boden bis hinauf in die Baumkronen in Flammen steht. 75 bis 80 Prozent aller Waldbrände bleiben Bodenfeuer und sind damit deutlich leichter zu bekämpfen. Bei den restlichen 20 Prozent, den Kronenfeuern, entstehen hingegen riesige Feuerwände mit einer hohen Hitzeabstrahlung von mehreren Hundert Grad Celsius. Das macht diese Brände sehr schwer bekämpfbar. Denn durch Funkenflug entstehen schnell neue Feuer vor der eigentlichen Feuerfront – das wird schnell gefährlich für die Einsatzkräfte, da sie vom Feuer eingeschlossen werden können. Deswegen ist es teils notwendig sich zurückzuziehen. In Treuenbrietzen kam noch die Belastung des Bodens durch Kampfmittel dazu.

"Die Region ist mit Kampfmitteln aus mehreren Jahrhunderten belastet."

Welche Gefahr geht von diesen Altlasten aus?

Die Region ist mit Kampfmitteln aus mehreren Jahrzehnten, teils sogar Jahrhunderten belastet. Diese Kampfmittel können selbst neue Brände auslösen, wenn sie sich bei den hohen Temperaturen selbst entzünden. Sie können auch explodieren, Splitter und brennbares Material wird dabei weiter geschleudert. Das ist hochgefährlich für die Einsatzkräfte.

Wie wird so ein Fläche gelöscht?

Das ist tatsächlich schwierig. Am Rand des belasteten Gebietes wird mit Hilfe von Hubschraubern Wasser abgeworfen. So versucht man, den Brand zu bekämpfen. Allerdings gehören zu einem effektiven Löschen immer Bodenkräfte dazu, um die Feuer ganz auszumachen. Teilweise kommt spezielle Forsttechnik zur Kampfmittelräumung zum Einsatz, geschützte gepanzerte Maschinen.

In Südeuropa, den USA oder Australien sieht man bei großen Waldbränden immer Löschflugzeuge im Einsatz. Warum nicht in Deutschland?

Ich glaube nicht, dass wir Löschflugzeuge brauchen. Ein intensiver Löschwasserabwurf kann zwar die Flammen runterdrücken, aber nicht alle. Es braucht immer Bodenkräfte, die dann gegen die Reste vorgehen. Dazu haben wir hierzulande eine ganz andere Infrastruktur. Fast jeder Punkt des Landes ist mit geländegängigen Fahrzeugen zu erreichen.

"Wir müssen unsere Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels fortführen."

Gerade in Brandenburg kam in den vergangenen Jahren immer wieder zu großen Waldbränden. Woran liegt das?

Das Bundesland ist geprägt durch kontinentales, trockenes Klima und durch relativ nährstoffarme Sandböden. Diese halten nur wenig Wasser im Boden. Dazu kommen großflächige Nadelholzbestände, die durch ihre vergleichsweise hohe Harzanteile relativ leicht brennbar sind. Die dicht gewachsenen Nadelholz-Reinbestände und die Arten- und Strukturarmut der brandenburgischen Wälder sind ein Problem. Ebenso Siedlungen, die sehr nahe oder sogar im Wald liegen.

Was kann man dagegen tun?

Wir müssen unsere Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels fortführen. Da wir aber das Wetter als Faktor nicht ändern können, müssen wir vor allem etwas beim Brennstoff tun. Wir brauchen mehr Laubholz und mehr Mischwälder, dazu muss die Infrastruktur verbessert werden, etwa durch Brandschutzstreifen, befahrbare Wege und mehr Löschwasserabgabestellen.

Werden Waldbrände in Deutschland wegen des Klimawandels eine neue Realität in den Sommermonaten?

Tatsächlich müssen wir befürchten, dass solche Wettersituation häufiger werden, die für die Feuerausbreitung förderlich sind. Vollfeuer, wir wie sie jetzt gesehen haben, sind aber nicht die Regel. Die meisten Feuer bleiben auch Dank schneller Entdeckung und Eindämmung deutlich kleiner. Wenn die Bedingungen allerdings ungünstig sind und dazu noch weitere Faktoren hinzukommen, wie eine schlechte Erreichbarkeit des Brandherdes oder eben eine Kampfmittelbelastung, dann können sich solche Feuer entwickeln.

Über den Experten: Steffen Hartig ist Diplom-Forstwirt, Brandschutzbeauftragter und Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr in der Lüneburger Heide. Hartig hat sich mit einer eigenen Firma auf Waldbrandschutz und Feuer in munitionsbelasteten Gebieten spezialisiert. Er führt regelmäßig Nachlöscharbeiten und Brandwachen auf großen Flächen durch und trainiert Feuerwehrleute und Forstarbeiter in der Waldbrandbekämpfung und -prävention.
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