• Unbekannte zerstören in einer Bibliothek mehrere Bücher, die sich mit Rechtspopulismus und der Geschichte des Sozialismus auseinandersetzen.
  • Der Bibliotheksleiter macht den Vorfall öffentlich und zeigt sich empört.
  • Er sieht die zerstörten Bücher als neuste Eskalationsstufe in einer Reihe von Attacken aus dem rechten Spektrum.

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Eine Bibliothek im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg sieht sich Attacken von Rechtsextremen ausgesetzt. Zuletzt seien sieben Bücher zerstört worden, teils wohl mit einer Schere, sagte der Leiter der Stadtbibliothek, Boryano Rickum, der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Freitag in Berlin.

Auffällig sei die inhaltliche Verbindung, so befassten sich die Titel mit rechtspopulistischen Strömungen in der Gesellschaft oder linken Vordenkern wie Karl Marx. Die Bände seien vermutlich in der Bibliothek, die ihre Bestände sonst ausleiht, beschädigt worden. Der Vorfall wurde der Polizei gemeldet.

Der Schaden selbst belaufe sich auf rund 120 Euro, es sei aber "nicht das Materielle, was uns bestürzt", sagte Rickum. Die Bibliothek sieht die Attacke in einer Reihe von Vorfällen.

Bibliothek sieht sich Angriffen aus dem rechten Spektrum ausgesetzt

Rickum berichtete von rechten Schmierereien oder unerlaubten Auslegen von anonymen Flyern und anderem Material mit rechtspopulistischen oder islamophoben Inhalten. "Das ist schon auffällig", sagte der Bibliothekschef.

Gegenüber dem RBB erklärte Rickum, dass er klare Indizien dafür sehe, "dass es sich um eine rechtsmotivierte, vorsätzliche Zerstörung handelt."

Die Vorfälle machte Rickum in sozialen Netzwerken publik. Auf Twitter schrieb er, dass öffentliche Bibliotheken anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln politische Position beziehen müssten.

"Überparteilich und für unsere verfassungsmäßig geschützte demokratische Grundordnung. Gegen antidemokratische Strömungen."

Rickum postete auch eine Liste der zerstörten Bücher und forderte dazu auf, "aus diesem Vorfall einen wunderschönen Akt prodemokratischer Bewusstseinsbildung [zu] machen, indem wir Bücher lesen und reflektieren, statt sie zu zerstören".

Folgende Bücher wurden demnach zerstört:

  • Michael Kraske: Der Riss: Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört
  • Robert Misik: Marx für Eilige
  • Patrick Schlaffer: Hass. Macht. Gewalt.: Ein Ex-Nazi und Rotlicht-Rocker packt aus
  • Andreas Speit: Völkische Landnahme: Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos
  • Patrick Stegemann und Sören Musyal: "Die rechte Mobilmachung: Wie radikale Netzaktivisten die Demokratie angreifen"
  • Wolfgang Wippermann: Denken statt denkmalen: Gegen den Denkmalwahn der Deutschen
  • Lou Zucker: Clara Zetkin - eine rote Feministin

Kultursenator zeigt sich nach rechter Attacke empört

Darauf gab es viel Solidarität und Unterstützung. Auch Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) reagierte empört auf die Attacken: "Haben die nicht alle Latten am Zaun?", schrieb er auf Twitter.

In einer Pressemitteilung des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg erklärte Kulturstadtrat Matthias Steuckardt (CDU), dass die bezirkliche Kulturarbeit immer "häufiger ins Fadenkreuz rechter Übergriffe" gerate.

So wurden im April etwa "mehrere Stolpersteine kurz nach ihrer Verlegung mit einer ätzenden Flüssigkeit beschmiert." Steuckardt zeigte sich über "die zunehmende Aggressivität dieser Angriffe" schockiert.

"Bibliotheken sind Leuchttürme des Wissens und der Freiheit, die es zu verteidigen gilt. Wir werden uns den Feinden der Demokratie gemeinsam und entschlossen entgegenstellen", heißt es weiter.

Wie der Politiker gegenüber dem Tagesspiegel erklärte, habe das Team der Bibliothek bereits Ende Juli festgestellt, dass die besagten Bücher zerstört wurden. Man habe allerdings zunächst gezögert, den Vorfall öffentlich zu machen, weil man keine Aufmerksamkeit für die Täter generieren wollte.

Die Bibliothek will nun auch im Verbund mit anderen Einrichtungen der Stadt über das weitere Vorgehen beraten. Dabei geht es laut Rickum neben der politisch-demokratischen Auseinandersetzung auch um den Umgang mit den betroffenen Büchern, die sollen "nicht sang- und klanglos im Archiv verschwinden". (thp/dpa)

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