Donald Trump strapaziert oft die Wahrheit - jetzt glauben ihm viele seine Corona-Infektion nicht. Kritiker mutmaßen, die Ankündigung einer Ansteckung könnte das politische Kalkül eines Präsidenten sein, der im Wahlkampf in die Defensive geraten ist.

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Donald Trump ist in den vergangenen vier Jahren häufig mit Dingen an die Öffentlichkeit getreten, die nicht oder zumindest nicht vollends der Wahrheit entsprachen. Jetzt hat er seine Ansteckung mit dem Coronavirus publik gemacht. Und auch diesmal glauben ihm viele nicht - obwohl es diesmal bisher keinerlei Anlass gibt, der die Annahme einer öffentlichen Lüge des US-Präsidenten stützen würde.

"Überall auf der Welt zucken die Mundwinkel" twitterte etwa die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer. "Warum sollte er diesmal nicht lügen?", fragt etwa der linke Filmemacher Michael Moore auf Facebook. Trump wisse, dass es Sympathien bringe könne, wenn man krank sei. "Dies als Waffe einzusetzen, da steht er nicht drüber", schrieb Moore.

Der Filmemacher ("Bowling for Columbine") hat im Netz mit seiner Meinung viel Gesellschaft. Tausende von Nutzern halten es für möglich, dass Trump eine Virusinfektion vortäuscht - um dann in wenigen Tagen als gesunder Mann in die Öffentlichkeit zu treten und seine These, Corona sei kaum gefährlicher als eine Grippe, am glaubwürdigsten aller Beispiele zu verifizieren - dem eigenen.

Auch der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, wie Trump ein Populist und Corona-Zweifler, hatte sich mit dem Virus infiziert. Wenig später erklärte er sich - ohne größere Symptome entwickelt zu haben - für gesund. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson erwischte es schlimmer - er musste nach einer Corona-Infektion für eine Woche ins Krankenhaus, davon drei Tage auf die Intensivstation.

Sympathiewerte für Bolsonaro und Johnson gingen nach Ansteckung in die Höhe

Sowohl bei Bolsonaro als auch bei Johnson gingen die Sympathiewerte anschließend nach oben, wie unter anderem das Institut YouGov am Freitag auf Twitter deutlich machte. "Seine schnelle Genesung bestärkt die Behauptung, dass die Pandemie gar nicht so schlimm ist", sagte Oliver Steunkel von der Getulio-Vargas-Stiftung in Sao Paulo im September der "Financial Times".

Wie wahrscheinlich sei es, dass dies auch für Trump gelte, so YouGov weiter. "Das lässt sich unmöglich sagen, nicht zuletzt, weil Trump nicht notwendigerweise ins Krankenhaus gelangt, außerdem steckt er mitten im Wahlkampf."

Trumps persönliche Präsenz bei Wahlkampfauftritten und auch beim Einsammeln von Spenden ist für den US-Präsidenten normalerweise Gold wert. Die Zeit in der Quarantäne könnte ihm - der in den Umfragen immer weiter hinter seinen Rivalen Joe Biden zurückfällt - am Ende fehlen. "Jede Art von konventionellem Wahlkampf des Präsidenten steht derzeit nicht zur Debatte", schreibt etwa der Kommentator Niall Stanage von der Politik-Webseite "The Hill".

Auch die nächste Fernsehdebatte mit Herausforderer Biden, terminiert für den 15. Oktober, dürfte nicht wie geplant stattfinden. Gegen einen "Hoax" wie die Amerikaner sagen spricht auch, dass allein schon die Kunde von der Ansteckung - geschweige denn einer möglichen Erkrankung Trumps - massive negative Folgen hat - etwa einen Einbruch der Börsenkurse. Aber auch Fragen der Nationalen Sicherheit sind berührt. (dpa/fra)

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