In der aktuellen Folge des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" spricht Christian Drosten erneut über Kinder sowie über den Grund, warum so wenig Datenmaterial über sie existiert. Auch berichtet der Virologe von einer Studie aus seinem Institut, die zu dem Ergebnis gelangt, dass Kinder wahrscheinlich genauso ansteckend sind wie Erwachsene.

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Auch am Mittwoch diskutierte in der neuesten Ausgabe des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" Christian Drosten das Thema "Kinder". Der Experte präsentierte neue Erkenntnisse aus dem Virologie-Institut an der Charité in Berlin.

Zunächst zeigte sich Drosten aber ein wenig verwundert darüber, dass es aus Schweden, wo Kitas und Schulen nach wie vor offen sind, noch immer keine relevanten Daten über das Infektionsrisiko von Kindern gibt.

"Notgeburt" an der Berliner Charité

Sehr wohl Erkenntnisse gibt es aber aus der Berliner Charité zur Frage "Wie hoch ist die Viruskonzentration bei infizierten Kindern im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen?". "Diese Studie ist ein bisschen aus der Not geboren. Wir haben ja im Moment die Situation, dass man solche Schul- und Kitastudien eigentlich gar nicht machen kann, da diese Einrichtungen ja geschlossen sind", erklärte Drosten. Daher könne diese Art der Labordatenauswertung nur Hinweise geben.

Auch Haushaltsstudien zu diesem Thema seien laut dem Experten problematisch: "Wie soll ein Kind die Infektion in einen Haushalt tragen, wenn es gar nicht zur Schule oder Kita geht?" Die Tatsache, dass es in Deutschland eine Virus-Einschleppung durch primär Freizeit- und Dienstreisende im mittleren Erwachsenenalter gab, würde Studien dieser Art ebenso nicht einfacher machen. "Die hatten weniger Kontakt mit den Kindern oder Großeltern anderer Leute, sondern eher mit Arbeitskollegen und Freunden gleichen Alters, weshalb die Einsaat in die Haushalte auch aus dieser Altersgruppe stammt", so der Virologe. All dies würde Haushaltsstudien derzeit verfälschen.

Kinder sind seltene Gäste in Testlaboren

Dass es in Deutschland insgesamt wenig Daten über Kinder gibt, liege laut Drosten auch daran, dass die kleinen Patienten in zentralen Testlaboren selten anzutreffen sind. Einerseits, weil diese nach einer Infektion häufig keine Symptome aufweisen würden, andererseits gebe es natürlich auch die nachvollziehbare Angst der Eltern, ihre Kleinen könnten sich dort anstecken – etwa in einer Warteschlange.

Dennoch hat man in Drostens Institut, das ja auch großes Testlabor ist, jetzt in einer Blitzaktion die Situation der Kinder analysiert. Das Institut untersuchte mehr als 3.500 Abstriche von auf Corona positiv getesteten Patienten auf ihre Altersverteilung – darunter befanden sich 37 Kindergartenkinder, 16 Grundschüler und 74 Jugendliche. Drostens Resümee der Studie: "Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass Kinder andere Viruskonzentrationen als Erwachsene in den Atemwegen haben."

Kinder also vermutlich so infektiös wie Erwachsene

Heißt auch, dass es wahrscheinlich ist, dass Kinder genauso infektiös sind wie Erwachsene. "Weil sie eben eine nicht unterscheidbare Viruskonzentration haben", betonte Drosten noch einmal. Tatsache ist auch, dass infizierte Kinder mit Symptomen eher weniger Viruskonzentration haben als asymptotische. Drosten erklärte, warum: "Wir wissen, dass sich bei allen Patienten in der zweiten Woche im Rachenabstrich viel weniger oder gar kein Virus mehr befindet. All jene, die Symptome haben und getestet werden, sind aber tendenziell schon einige Tage in der Krankheit drin."

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Neue chinesische Studie und eher keine Gefahr für Schwangere

Eine neue Studie aus China, die Drosten den Podcast-Hörern nahelegte, lieferte auch neue Daten. Dort analysierten Forscher am Höhepunkt der Pandemie in China Anfang Februar 1245 Kontakte aus Shanghai und Wuhan. Der Studie zufolge sei das Infektionsrisiko bei Kindern unter 14 Jahren um etwa ein Drittel geringer als bei Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren.

Am Ende des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" äußerte sich Christian Drosten noch zur Frage, ob es noch immer so sei, dass sich Schwangere im Prinzip keine großen Sorgen machen müssen. "Das ist weiterhin für mich Stand der Wissenschaft. Ich sehe keine Publikationen oder Daten, die diese Auffassung umstoßen würden", so der Virologe abschließend.

Professor Dr. Christian Drosten ist Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité und einer der führenden Virus-Forscher Deutschlands. Der 48-Jährige gilt als Mitentdecker des SARS-Virus. Unmittelbar nach dem Ausbruch SARS-Pandemie 2003 entwickelte er einen Test auf das neu entdeckte Virus, wofür er 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. In der aktuellen Coronakrise ist der gebürtige Emsländer ein gefragter Gesprächspartner, täglich gibt er Auskunft zur aktuellen Lage.
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