• Auch unter Ärzten finden sich sogenannte Corona-Leugner.
  • Sie stellen gefälschte Atteste aus oder raten zu gefährlichen Therapien.
  • Wie weit reicht hier die Meinungsfreiheit und wann verlieren Ärzte eigentlich ihre Zulassung?

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Sie war bereits eine bekannte Figur aus der Corona-Leugner-Szene. Als eine Ärztin aus Köln-Ehrenfeld dann aber gefälschte Atteste ausstellte, die vom Tragen der Corona-Masken befreien sollten, reagierte die Bezirksregierung Köln und entzog ihr die Approbation.

Dass eine ärztliche Zulassung entzogen wird, ist ein äußerst seltener Vorgang. Dass Ärzte Fake-Atteste ausstellen, nicht. Denn in der Ärzteschaft ist die Zahl der Schwurbler und Corona-Leugner überraschend groß.

Ein paar Zahlen: Allein in Köln gebe es gut ein Dutzend weiterer Fälle mit "Coronabezug", wie Dirk Schneemann von der Bezirksregierung Köln im Gespräch mit unserer Redaktion sagt. Im Bundesland Niedersachsen ermittelt die Ärztekammer in 45 Fällen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen. Das berichtet das NDR-Magazin "Panorama 3". Bei der Bayerischen Landesärztekammer wiederum sind im Zusammenhang mit Corona seit Pandemiebeginn mehr als 1.000 Beschwerden gegen Ärztinnen und Ärzte eingegangen. Das sagt Florian Wagle von der dortigen Pressestelle auf Anfrage.

Verschwörungstheorien, gefälschte Atteste: Wie weit reicht die Therapiefreiheit?

Dabei ist die Bandbreite der Beschwerden vielfältig. So werden teilweise die Coronaregeln nicht eingehalten oder es wird gegen die Maskenpflicht verstoßen. Ärzte verbreiten Verschwörungstheorien, raten von Impfungen ab und stellen Gefälligkeitsatteste oder falsche Impfbescheinigungen aus. Der NDR berichtet gar über einen Fall, in dem ein Orthopäde Chlordioxid zur Einnahme empfohlen haben soll – ein gesundheitsschädliches Bleichmittel.

In Deutschland gilt die sogenannte Therapiefreiheit. Das heißt, dass Ärzten grundsätzlich die freie Wahl der Behandlungsmethode zukommt, die sie ihren Patienten vorschlagen. Wie weit darf diese Freiheit aber gehen und wann schreiten die zuständigen Approbationsbehörden ein?

"Die Approbation ist zu widerrufen, wenn sich der Approbationsinhaber als unwürdig oder unzuverlässig zur weiteren Ausübung der Heilkunde erwiesen hat", erklärt Dirk Schneemann. "Die Approbation kann aber auch widerrufen werden, wenn schwere Verstöße gegen die jeweilige Berufsordnung vorliegen."

An diese Vorgaben müssen sich Ärzte halten

Ein solcher Verstoß gegen die Berufsordnung liegt auch bei der Ärztin in Köln vor. Ein Blick in die Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte zeigt, wo die Therapiefreiheit an ihre Grenzen stößt. Dort heißt es: "Eine gewissenhafte Ausübung des Berufs erfordert ... die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse."

Damit bleibt es Ärzten zwar freigestellt, privat eine Meinung zu vertreten, die wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Im Praxisalltag sollte ein Arzt diese Meinung jedoch nicht äußern.

Da sie sich an diese Vorgaben nicht gehalten hat, läuft gegen die Kölner Ärztin nun ein Verfahren der Ärztekammer wegen Verstößen gegen die Berufsordnung. Außerdem werde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse geführt, wie Schneemann erläutert.

Der Entzug der Approbation ist ein langwieriges Verfahren

Das Strafgesetzbuch sieht dafür durchaus harte Strafen vor. Unter § 278 (1) heißt es dort: "Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Die zuständigen Approbationsbehörden können Ärzten die Zulassung entziehen. Dies geschieht jedoch in einem nicht-öffentlichen und offensichtlich sehr langwierigen Verfahren. Und so kommt es, dass weiterhin viele Ärzte Verschwörungstheorien verbreiten.

Das NDR-Magazin "Panorama 3" etwa schildert den Fall von Carola Javid-Kistel, die eine Arztpraxis im niedersächsischen Duderstadt betreibt. Auf deren Website heißt es zwar: "Ich bin stets bemüht, die neuesten Erkenntnisse aus den Gebieten der Schulmedizin und der gängigen komplementärmedizinischen Verfahren in meine Arbeit einfließen zu lassen." Im NDR-Beitrag vergleicht die Ärztin dann aber schon mal Impfstoffe mit biologisch-chemischen Kampfstoffen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt - unter anderem, weil Javid-Kistel falsche Atteste ausgestellt haben soll. "Ich stelle mich schützend vor diese Kinder und Jugendlichen", sagt Javid-Kistel im NDR-Beitrag.

Corona-Leugner unter Ärzten: Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Neben prominenten Figuren aus der Corona-Leugner-Szene – zu denen auch Javid-Kistel gehört –, könnte es eine hohe Dunkelziffer an Fällen geben. Denn nicht immer werden Verstöße gemeldet.

"Zum Teil werden wir von den örtlichen Ordnungsbehörden, der Staatsanwaltschaft oder den Kammern informiert", sagt Dirk Schneemann. "Es ist aber auch möglich, als Bürger Verdachtsfälle bei der Bezirksregierung zu melden."

Wie viele Betroffene diese Möglichkeit überhaupt kennen, ist fraglich. Und so bleibt zu befürchten, dass der allgemein anerkannte Stand der Wissenschaft auch in Zukunft nicht von allen Ärztinnen und Ärzten vertreten wird.

Über die Experten: Dirk Schneemann ist stellvertretender Pressesprecher der Bezirksregierung Köln.
Florian Wagle ist Pressereferent der Bayerischen Landesärztekammer.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Dirk Schneemann
  • Interview mit Florian Wagle
  • panorama 3: Ärzte als Corona-Leugner: Warum dürfen sie praktizieren?
  • Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte
  • Strafgesetzbuch § 278
  • Website von Dr. med. Carola Javid-Kistel

Falsche Atteste für Corona-Gegner? Ärztekammern prüfen Hinweise

Gegner der Corona-Maßnahmen besorgen sich mitunter falsche Atteste, um keinen Mund-Nasen-Schutz tragen zu müssen. Und manche Ärzte sind selbst Maskenverweigerer. Die Landesärztekammern gehen Hinweisen nach.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.