• Kann man sich aus der Pandemie rausimpfen? Im Prinzip ja, meint der Virologe Christian Drosten von der Charité.
  • Nur so wie jetzt kann das in Deutschland nicht klappen - denn seit Wochen lassen sich immer weniger Menschen impfen.

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Die vierte Welle in der Corona-Pandemie nimmt durch Infektionen unter jungen Erwachsenen weiter an Fahrt auf. Sie breite sich zunehmend auch in den mittleren Altersgruppen aus, heißt es im jüngsten Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts vom Donnerstagabend.

Gleichzeitig macht sich zusehends Impfmüdigkeit breit. Der Anteil der vollständig immunisierten Bundesbürger stieg laut Bericht mit rund 61 Prozent im Vergleich zur Vorwoche (59 Prozent) erneut nur langsam an.

Von Ende Juli bis Ende August legte die Impfquote in Deutschland nur noch um rund zehn Prozent zu. Das war bisher das geringste Wachstum in den Sommermonaten.

Regional klaffen die Werte dabei weit auseinander: Die Spanne bei vollständig geimpften Menschen reichte Anfang September von 52 Prozent in Sachsen bis zu 71 Prozent in Bremen, wie aus dem RKI-Bericht hervorgeht. Am besten durchgeimpft ist nach den jüngsten Daten der Nordwesten der Republik, am wenigsten Zuspruch finden die Angebote neben Sachsen in Brandenburg (55,2) und Thüringen (56 Prozent).

Impfquote hinter Wunschwert

Insgesamt kommt die Impfquote damit längst nicht an die Werte heran, die das RKI im Juli als wünschenswert erachtete. Nach der damals entworfenen Modellierung müssen mindestens 85 Prozent der Zwölf- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein, damit eine ausgeprägte vierte Welle mit vollen Intensivstationen im Herbst und Winter unwahrscheinlich wird.

Für den Charité-Virologen Christian Drosten reichen die derzeitigen Impfraten schlicht nicht aus. "Mit dieser Quote können wir nicht in den Herbst gehen", sagte Drosten am Donnerstag dem Deutschlandfunk. Generell könne man sich aus der Pandemie aber herausimpfen.

Hohe Sieben-Tage-Inzidenzen bei den registrierten Infektionen beobachtet das RKI derzeit in der Altersgruppe der Fünf- bis 44-Jährigen. Spitzenwerte gibt es dabei mit Werten zwischen 172 und 182 Fällen pro 100.000 Einwohner bei den Zehn- bis 19-Jährigen. Die Zahl der übermittelten Ausbrüche in Kitas und Schulen liegt laut Bericht aber weiterhin auf einem niedrigen Niveau.

Wer Impfungen gegen das Coronavirus ablehnt

Doch warum wollen sich Teile der Bevölkerung immer noch nicht impfen lassen? "Dahinter steckt hauptsächlich fehlendes Wissen. Es gibt immer noch keine adäquate Aufklärung, die alle abholt, und es werden immer noch jede Menge Mythen verbreitet", sagte die Gesundheitsökonomin Clarissa Kurscheid vom Kölner Forschungsinstitut für Gesundheits- und Systemgestaltung unserer Redaktion.

Gemeinsamkeiten unter den Menschen, die sich derzeit nicht impfen lassen wollen, auszumachen, sei allerdings äußerst schwierig. "Man kann nicht pauschal sagen, dass sie alle aus einem bestimmten Milieu kommen – beispielsweise einer niedrigen sozialen Schicht angehören oder einem bildungsfernen Umfeld", sagt Kurscheid.

Eine ablehnende Haltung gegenüber einer Impfung gehe aber oft mit einer Ablehnung der Staatsmacht einher, sodass man eine niedrige Impfbereitschaft wohl eher an den politischen Rändern finde.

Jeder ab zwölf Jahren kann sich impfen lassen

Eine Corona-Impfung ist im Moment ab zwölf Jahren zugelassen. Von der Ständigen Impfkommission wird sie in der Breite erst seit Mitte August empfohlen.

Auch durch die anfängliche Priorisierung der stark gefährdeten hochbetagten Bundesbürger zu Beginn der Impfkampagne kurz nach Weihnachten gibt es noch große Unterschiede bei den Impfquoten in den Altersgruppen. So haben dem Bericht zufolge in der Bevölkerung über 60 Jahre bereits 83 Prozent den vollen Schutz. Bei den Erwachsenen zwischen 18 und 60 Jahren liegt die Quote bei 65 Prozent. Bei Kindern und Jugendlichen von zwölf bis 17 Jahren ist erst gut ein Fünftel zweimal geimpft (21 Prozent).

Mit einer COVID-19-Infektion ins Krankenhaus kommen nun überwiegend Erwachsene zwischen 35 und 59 Jahren. Die Mehrheit von ihnen ist nicht geimpft. Die Hospitalisierungsrate liegt laut Bericht insgesamt momentan bei sechs Prozent aller registrierten Infektionen. Nachmeldungen seien nicht ausgeschlossen.

Der zuletzt abnehmende Trend der Klinikeinweisungen setze sich zurzeit nicht fort, heißt es im Bericht. Mehr als 1.000 Menschen liegen bereits wieder auf Intensivstationen. Auch die Todesfallzahlen nehmen seit Anfang August wieder leicht zu. Unter den schwer Erkrankten wie auch unter den Corona-Toten sind mit deutlicher Mehrheit Ungeimpfte. (dpa/mf)

Drosten: "Werden Zahl der Kontakte wieder einschränken müssen"

Der Berliner Virologe Christian Drosten hält angesichts des sinkenden Impftempos in Deutschland neue Corona-Beschränkungen für möglich. "Wir werden gesamtgesellschaftlich die Zahl der Kontakte wieder einschränken müssen. Das ist ganz klar. Die Infektionslast steigt im Herbst", sagte der Forscher der Berliner Charité im Deutschlandfunk. (Bild: IMAGO / photothek)
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