• Schadstoffe sind in der Luft, die Menschen einatmen und in den Lebensmitteln, die sie zu sich nehmen.
  • Die darin enthaltenen Gifte können krankmachen - allerdings ist es oft schwer, die genauen Umweltfaktoren auszumachen, die Beschwerden verursachen.
  • Wer auf die Umwelt achtet, schützt sich in jedem Fall ebenfalls vor Krankheiten.

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Menschen bewegen sich nicht isoliert in ihrer Umwelt, sie beeinflussen sie unmittelbar und werden auch von ihr beeinflusst. Das geschieht bei der Atmung und bei der Nahrungsaufnahme und je nachdem, wo sich Menschen aufhalten und welche Stoffe sie aufnehmen, kann das Auswirkungen auf ihren Körper haben. Die Umweltmedizin beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren und menschlicher Gesundheit.

Die Forschungsrichtung gewinnt immer mehr an Akzeptanz, sagt die Expertin Claudia Traidl-Hoffmann im Gespräch mit unserer Redaktion. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass sich die Welt um uns herum immer mehr und schneller wandelt – und diese Veränderungen sich unter anderem in gesundheitlichen Beschwerden zeigen, erklärt Traidl-Hoffmann. Sie arbeitet unter anderem am Lehrstuhl für Umweltmedizin der Technischen Universität München und leitet den Bereich Umweltmedizin am Augsburger Universitätsklinikum.

Veränderungen der Umwelt rufen vermehrt Krankheiten hervor

Allergien, Neurodermitis und Diabetes werden beispielsweise immer häufiger diagnostiziert, also Erkrankungen, die auch genetisch bedingt auftreten. "Weil Gene aber unglaublich stabil sind, ist der starke Anstieg der Krankheiten nicht auf sie zurückzuführen, sondern auf die Umwelt", sagt die Wissenschaftlerin. Demnach rufen nicht die Veränderungen im menschlichen Erbgut Beschwerden hervor, sondern die Veränderungen in der Natur.

Neben dem Körper kann auch die Psyche leiden, wie eine Studie aus dem Jahr 2020 belegt. Demnach führen Risikofaktoren wie Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung zu Angststörungen, Depressionen und Psychosen. Diese können wiederum die körperliche Gesundheit beeinträchtigen, indem sie etwa zu Bluthochdruck beitragen.

Feinstaub und Ozon zählen zu den schädlichsten Luftschadstoffen

Der Lebensstil der Menschen formt die Welt um sie herum neu. "Wir leben in einer sehr vielfältigen Umwelt, die uns zwar schützt, aber auch gefährdet", sagt Traidl-Hoffmann. Schadstoffe in der Luft können Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs hervorrufen. Die Alzheimer- und Demenzforschung beispielsweise hat in den Gehirnen von verstorbenen Patienten Feinstaubpartikel nachgewiesen.

Auch bei bodennahem Ozon – welches nicht mit dem Ozon in der oberen Erdatmosphäre zu verwechseln ist – ist Vorsicht geboten. Bodennahes Ozon ist ein farbloses, stechend riechendes Gas, das durch eine chemische Reaktion von Schadstoffen wie Abgasen von Autos oder Industrieanlagen entsteht, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Gemeinsam mit Feinstaub zählt es zu den Luftschadstoffen, die für die menschliche Gesundheit am schädlichsten sind.

Umweltfaktoren beeinflussen die Gene – damit ist Umwelt vererbbar

Eine hohe Ozonkonzentration in der Luft, wie sie im Sommer in großen Städten entstehen kann, ruft Atemprobleme, Asthma und Lungenkrankheiten hervor. Laut Schätzungen der Europäischen Umweltagentur führt Luftverschmutzung zu mehr als 400.000 vorzeitigen Todesfällen bei Bürgerinnen und Bürgern in der Europäischen Union.

Umweltfaktoren wie Feinstaub verändern menschliche Gene nicht grundsätzlich in ihrer Struktur, sagt Claudia Traidl-Hoffmann, aber sie können sie beeinflussen. Das geschieht, vereinfacht ausgedrückt, indem sie Abschnitte von Genen ausschalten. Das abgewandelte Erbgut kann dann von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. "Und ab diesem Punkt wird Umwelt vererbbar."

Umdenken und Sensibilisierung können vor Einflüssen schützen

Traidl-Hoffmann spricht auch mit Politikern über diese Zusammenhänge und Handlungsmöglichkeiten. Ihrer Ansicht nach, sollten die Städte grüner und sauberer werden für eine gesündere Luft. Und die Wissenschaftlerin hofft, dass dieses Umdenken bei den Kindern ansetzt, dabei geht es einerseits um die Umgebung, in der Kinder aufwachsen, und andererseits um das Wissen, das ihnen vermittelt wird.

Das bedeutet, dass Gebäude wie Schulen nicht aus schädlichen Bausubstanzen bestehen sollten zum Schutz der Gesundheit künftiger Generationen. Traidl-Hoffmann hält außerdem Messstationen, wie sie an großen Straßen stehen, auch in Innenräumen für sinnvoll. Schließlich halten sich Menschen oft in Gebäuden auf, daher ist auch die Luftqualität dort von Bedeutung.

Schädliche Substanzen fallen oft nicht auf, weil sie unsichtbar sind

Diese Maßnahmen können in einem zweiten Schritt dazu beitragen, dass Bürger sensibler werden für ihre Umgebung sowie deren Einfluss auf die eigene Gesundheit. Das ist insofern wichtig, als manche Schadstoffe unsichtbar sind, wie etwa das Gas Ozon. Andere wiederum erscheinen zunächst harmlos, weil sie nicht sofort Krankheiten hervorrufen. Asbest beispielsweise verursacht Lungenbeschwerden oft erst nach längerer Zeit, daher wurde die Gefahr, die von dem Material ausgeht, lange unterschätzt.

Eine erhöhte Achtsamkeit im Alltag kann dazu führen, eigenes Verhalten und den Konsum zu hinterfragen und damit schädliche Substanzen zu umgehen, sagt Traidl-Hoffmann. Das beginnt bei Lebensmitteln und geht über Waschlotionen bis hin zu der Frage nach der Gestaltung des Wohnumfelds. Auf diese Weise kann der Kontakt mit Pestiziden und schädlichen Chemikalien verringert oder vermieden werden. "Das ist eine Herkulesaufgabe, aber jeder Schritt ist sinnvoll", sagt die Wissenschaftlerin.

Studie weist Schadstoffe in Körpern von Kindern nach

Zumal die Auswirkungen einer ungesunden Umwelt auf die menschliche Gesundheit bereits sichtbar sind in Form vermehrter Krankheitsdiagnosen. Außerdem haben Forscher des Robert-Koch-Instituts im Rahmen einer Studie im Jahr 2008 schädliche Stoffe im Blut und Urin von Kindern nachgewiesen. Die Tatsache, dass die Substanzen bereits vor der Geburt der untersuchten Kinder weder hergestellt noch verwendet werden durften, verdeutlicht die potenziell weitreichenden Folgen bestimmter Stoffe auf den Menschen.

Andere ernst zu nehmende Konsequenzen bringt der Klimawandel mit sich, sagt Traidl-Hoffmann. Weil er nicht aufgehalten werden kann, ist es notwendig, mit den Auswirkungen zu leben. Das heißt beispielsweise: viel trinken und sich von der Sonne abschirmen. Daneben werden Allergien zunehmen, sagt die Wissenschaftlerin, deshalb rät sie dazu, aufmerksam zu sein und vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Betroffene können sich beispielsweise über den aktuellen Pollenflug im Netz informieren oder gegebenenfalls Medikamente einnehmen.

Wer gesund bleiben will, muss dem natürlichen Fluchtinstinkt widerstehen

"Der Mensch ist ein Fluchttier", sagt Traidl-Hoffmann. Anstatt sich Bedrohungen zu stellen, tendiert er instinktiv dazu, vor ihnen wegzulaufen. Weil Umwelt und menschliche Gesundheit aber in engem Zusammenhang stehen, sei Desinteresse diesbezüglich keine Lösung. Vielmehr helfen Aufmerksamkeit und Anpassung dabei, sich zu schützen – und damit auch seine Umgebung.

Über die Expertin: Claudia Traidl-Hoffmann ist eine international führende Umweltmedizinerin, die seit 2013 am Lehrstuhl für Umweltmedizin der Technischen Universität München arbeitet. Zudem leitet sie als Ärztin und Wissenschaftlerin den Bereich Umweltmedizin am Augsburger Universitätsklinikum und am Helmholtz Zentrum München, dem deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt.

Verwendete Quellen:

  • Europäischer Rechnungshof (2018). Luftverschmutzung: Unsere Gesundheit ist nach wie vor nicht hinreichend geschützt.
  • World Health Organization (2018). Ambient (outdoor) air pollution.
  • researchgate.net: Auswirkungen von Umweltrisikofaktoren wie Lärm und Luftverschmutzung auf die psychische Gesundheit: Was wissen wir?
  • Europäische Umweltagentur: Umwelt und Gesundheit
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