Rückenschmerzen sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Doch was sind eigentlich Ursachen dafür? Wie sollte man mit Rückenschmerzen umgehen? Und ab wann sollte man besser einen Arzt aufsuchen? Ein Experte gibt im Gespräch mit unserer Redaktion Tipps und Hinweise.

Ein Interview

Herr Kirsch, was kann ich tun, wenn ich plötzlich Rückenschmerzen bekomme? Gehöre ich damit zum Arzt?

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Klaus-Eberhard Kirsch: Das kommt ganz darauf an. Wenn Sie sonst nicht krank sind, keine Osteoporose haben und keinen Unfall hatten, können sie zunächst zwei bis drei Tage ein Schmerzmittel nehmen. Wichtig ist, dass Sie trotz der Schmerzen aktiv bleiben und sich nicht hängen lassen.

Wenn die Schmerzen nach zwei bis drei Tagen allerdings nicht verschwunden sind, sollten Sie zum Arzt gehen.

Was passiert beim Arzt?
Der Arzt wird zunächst versuchen herauszufinden, ob es eine spezifische Ursache für den Schmerz gibt. Deshalb wird er beispielsweise fragen, ob es Rheuma in der Familie gibt oder ob womöglich zuvor eine Tumorerkrankung bestanden hat, aus der sich Metastasen gebildet haben könnten. Denkbar ist auch, dass es sich um eine Infektion handelt, wie es zum Beispiel bei Diabetikern häufiger vorkommt.

Lässt sich keine solche Ursache ausmachen, sprechen wir Mediziner von "unspezifischen Rückenschmerzen". Diese Art ist bei Weitem die häufigste.

Wie behandelt ein Arzt diese unspezifischen Schmerzen?
Man will vor allem vermeiden, dass der Schmerz chronisch wird. Schmerzen, die kürzer als sechs Wochen bestehen, gelten als akut. Meistens werden dann Schmerzmittel verschrieben, damit der Patient seinen Alltag wieder bewältigen kann.

Wir wollen ihm das Gefühl nehmen, dass mit seinem Rücken etwas nicht in Ordnung und er krank ist. Dafür ist Aktivität sehr wichtig. Die Patienten sollen sich bewegen.

Früher hat man das anders gesehen und Bettruhe verordnet. Es hat sich aber gezeigt, dass das nicht sehr förderlich ist.

Und was ist, wenn man nach sechs Wochen immer noch Schmerzen hat?
Dann wird der Arzt diagnostische Schritte einleiten und den Rücken röntgen, um sicherzugehen, dass es sich zum Beispiel nicht doch um einen Bandscheibenvorfall handelt. In diesem Fall kann man auch über eine Schmerztherapie nachdenken. Diese sollte aber nicht alleine mit Spritzen erfolgen, sondern verschiedene Komponenten haben. Im Vordergrund steht weiter die Aktivierung.

Als günstig haben sich Methoden erwiesen, die sowohl eine medikamentöse Therapie umfassen als auch Entspannungstechniken, eine psychologische Betreuung und Bewegung.

Wie häufig sind Rückenschmerzen eigentlich?
Rückenschmerzen sind sehr häufig und fast jeder kennt sie. Die Behandlungszahlen nehmen außerdem stark zu. Im Jahr 2006 gab es rund 282.000 Krankenhausaufenthalte wegen Rückenschmerzen. Im Jahr 2013 ist diese Zahl bereits auf 415.000 Aufenthalte gestiegen. Ich vermute, dass die Steigerung auch daran liegt, dass die Menschen immer älter werden und die Beschwerden im Alter oft zunehmen.

Welche Ursachen außer dem Alter gibt es für Rückenschmerzen?
Weitere Ursachen sind vor allem Bewegungsmangel und Übergewicht. Auch einseitige Tätigkeiten bei der Arbeit können zu Rückenschmerzen führen. In dem Fall sollte man für einen Ausgleich sorgen – der kann auch durch Bewegung stattfinden.

Generell ist Bewegung im Alltag günstig, um Rückenschmerzen vorzubeugen. Das muss keine spezifische Bewegung sein, auch ein Spaziergang tut dem Rücken gut. Besonders günstig sind allerdings Rückenschwimmen, Pilates, einige Yoga-Arten, Rückenschule und Fitness-Studios mit einer guten Betreuung.

Welche Rolle spielt die Psyche bei Rückenschmerzen?
Die Psyche spielt eine große Rolle. Probleme im Alltag spürt man oft im Rücken, zum Beispiel finanzielle Sorgen oder Ärger mit dem Partner. Auch Depressionen können sich durch Rückenschmerzen zeigen. Leider fehlt beim Arzt manchmal die Zeit, um auch die psychische Komponente mit in den Blick zu nehmen. Auch deshalb ist eine psychologische Begleitung bei längeren Rückenschmerzen oft sinnvoll.

Klaus-Eberhard Kirsch ist Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums der Roland-Klinik in Bremen. Er hat jeden Tag mit Patienten mit Rückenschmerzen zu tun.

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